Rescute e.V. rettet Hunde aus ungarischen Tierheimen und schenkt ihnen in Deutschland ein neues Zuhause.
Wie würden Sie Rescute e.V. kurz vorstellen und wer sind die Menschen hinter dem Verein?
Rescute ist ein gemeinnütziger Tierschutzverein mit Sitz in Freiberg am Neckar, der von uns – Jeannine Ficht und Yara Moteirek – im April dieses Jahres ins Leben gerufen wurde. Unsere Organisation ist auf Spendengelder angewiesen und vermittelt Hunde über drei ungarische Partnertierheime nach Deutschland. Unser Team besteht derzeit aus 16 weiteren aktiven und hundeerfahrenen Mitgliedern, die uns auf rein ehrenamtlicher Basis tatkräftig unterstützen.
Welche persönliche Motivation hat Sie zur Gründung von Rescute e.V. gebracht?
Seit 2023 haben wir uns dem Tierschutz verschrieben. In diesem Jahr haben wir unser erstes Unternehmen gegründet – einen Mode-Shop, bei dem wir 30 Prozent der Einnahmen an andere Tierschutzvereine gespendet haben. Den Shop gibt es immer noch, nur die Umsätze gehen mittlerweile an unseren eigenen Verein. Zusätzlich dazu haben wir andere Organisationen über unseren Social-Media-Kanal unterstützt und Vermittlungshilfe für deren Hunde geleistet. Im März 2024 waren wir zum ersten Mal selbst in Ungarn vor Ort. Was wir dort gesehen haben, hat uns nachhaltig verändert – und unsere Entschlossenheit, Tieren in Not zu helfen, noch verstärkt. So ist die Idee entstanden, einen eigenen Verein zu gründen, in dem wir die Dinge so handhaben können, wie wir sie für richtig halten.
Was ist die langfristige Vision von Rescute e.V. und wie wollen Sie diese erreichen?
Unsere langfristige Vision ist klar: Das Leid von Tieren zu mindern. Dabei ist uns besonders wichtig, dass Tierschutz nicht an Landesgrenzen endet, denn jedes einzelne Leben zählt. Um diesem Ziel näher zu kommen, bieten wir Hunden, die in einem unserer drei ungarischen Partnertierheime sitzen, online eine Plattform. So werden die Tiere für Interessenten in Deutschland sichtbar, können nach positiver Vorkontrolle vermittelt werden und ein neues, glückliches Leben starten.
An welche Tierfreunde richtet sich Ihr Angebot besonders und wie erfüllen Sie deren Erwartungen?
Wir vermitteln Hunde an Menschen, die bereit sind, einem Tier eine zweite Chance zu geben. Für fast jeden gibt es den passenden Hund – egal ob verspielter Welpe, unkomplizierte Tiere oder Vierbeiner, die etwas mehr Erfahrung und Geduld benötigen. Ob Interessenten für ihren Wunschhund geeignet sind, entscheiden wir nach der Vorkontrolle und in enger Absprache mit unserem erfahrenen Team. Um einen langfristigen Vermittlungserfolg sicherstellen zu können, gilt es zu prüfen, ob Bewerbende die Erwartungen an ein artgerechtes, geduldiges und liebevolles Heim erfüllen. Sollte der ausgewählte Hund aus unserer Sicht nicht optimal passen, verweisen wir auf einen anderen, der nach unserer Einschätzung noch besser geeignet wäre.
Welche Rolle spielt die Zusammenarbeit mit den ungarischen Partnertierheimen für Ihre Arbeit?
Eine ganz entscheidende, denn wir sind nicht immer persönlich vor Ort. Jedes Jahr verlieren in Ungarn tausende Hunde ihr Leben. Nur gemeinsam mit unseren Partnern ist es uns möglich, schnell zu handeln und Hunde von der Straße und aus Tötungsstationen zu retten oder Zurückgelassene von Ketten zu befreien. In den Tierheimen werden sie tierärztlich erstversorgt und bekommen ausreichend Nahrung und – wenn es die Zeit zulässt – Aufmerksamkeit. Zudem führen die Mitarbeitenden vor Ort Verträglichkeitstests durch und erstellen sowohl ausführliche Charakterbeschreibungen, die uns helfen, die Hunde bestmöglich einzuschätzen, als auch Bild- und Videomaterial. Danach beginnt unser Job bei Rescute: Wir stellen die Hunde online, um sie langfristig vermitteln zu können. Unser Team und wir sind mehrmals im Jahr selbst persönlich vor Ort, um uns ein Bild von der Situation zu machen, die Gegebenheiten zu prüfen, die Hunde kennenzulernen und uns mit den Mitarbeitenden vor Ort auszutauschen.
Was unterscheidet Rescute e.V. von anderen Tierschutzvereinen, die ebenfalls Hunde retten und vermitteln?
Wir setzen unseren Fokus ganz klar auf Hunde, die erfahrungsgemäß von anderen Vereinen oft übersehen werden – die Schwarzen, die Ängstlichen und die Großen. Denn sie sind es, die in der Regel weniger leicht zu vermitteln und damit für einige Organisationen weniger attraktiv sind. Es dauert also unter Umständen länger, aber das Glücksgefühl ist bei uns im Team nach einer erfolgreichen Vermittlung umso ausgeprägter. Trotzdem bleiben auch Welpen im Tierschutz oft zurück. Gerade die schwarzen Welpen, die oft ihre gesamte Jugend hinter Gittern verbringen müssen – mit Folgen, die ein Hundeleben lang prägen. Für ältere Hunde ab neun Jahren verlangen wir außerdem statt einer Schutzgebühr nur noch eine flexible Spende.
Mit welchen größten Herausforderungen sehen Sie sich im Alltag konfrontiert und wie gehen Sie damit um?
Die Erfahrung aus den letzten beiden Jahren hat leider gezeigt, dass eine der größten Herausforderungen die Unberechenbarkeit mancher Adoptierende ist: Wir haben immer wieder erlebt, dass Hunde plötzlich ausziehen mussten. Das hatte selten etwas mit den Hunden zu tun, sondern vielmehr mit der Überforderung der Besitzer. Das ist per se nicht problematisch. Doch dann heißt es oft, dass der Hund von jetzt auf gleich ausziehen muss, was schnelle, verantwortungsvolle Entscheidungen auf unserer Seite verlangt. Wir bei Rescute stehen unseren Adoptierenden auch nach der Übergabe weiterhin mit Rat und Tat zur Seite, nehmen jedes Problem ernst und helfen selbstverständlich, wo wir können.
Gleichzeitig müssen wir realistisch bleiben: Wir können nicht zaubern und innerhalb von 12 Stunden ein neues Zuhause für einen Hund finden. Dank der großartigen Zusammenarbeit mit unseren erfahrenen Pflegestellen sehen wir uns in der Lage, immer eine Lösung zu finden und sicherzustellen, dass kein Hund ohne Perspektive bleibt. Kein Hund von uns landet in einem deutschen Tierheim. Diese enge Kooperation macht es möglich, auch in schwierigen Momenten handlungsfähig zu bleiben.
Wie stellen Sie sicher, dass die Hunde nach der Rettung auch langfristig in ein liebevolles Zuhause vermittelt werden?
Durch mehrere Schritte und ein Vieraugenprinzip. Interessenten werden gebeten, für ihren Wunschhund einen Bewerbungsbogen auszufüllen. Dieses Dokument, das die für uns wichtigsten Fragen enthält, dient zur Ersteinschätzung. Wenn dort formal alles stimmt, treten unsere erfahrenen ehrenamtlichen Vermittlerinnen in Kontakt, um einen besseren Eindruck zu erhalten – wie etwa: Sind sich die Menschen wirklich bewusst, auf was sie sich einlassen? Haben sie ausreichend Zeit eingeplant? Können sie die Haltung des Tieres finanziell stemmen? Schließlich folgt die Vorkontrolle, in der wir uns durch die Wohnräume und den Außenbereich führen lassen, um zu sehen, wie der Hund leben wird. Zuletzt führt ein Vorstandsmitglied das Abschlussgespräch, bevor das finale Go erfolgt. Letztlich zählt für uns, dass alle Seiten glücklich sind – Hund wie Mensch.
Welche Pläne oder neuen Projekte haben Sie für die Zukunft, um noch mehr Hunden helfen zu können?
Für das nächste Jahr planen wir eine eigene Kastrationskampagne in Ungarn, um das Leid der Straßenhunde vor Ort zu mindern. Jede Kastration bedeutet ein Stück mehr Sicherheit für den einzelnen Hund und für viele, die sonst nie eine Chance hätten. Im Auslandstierschutz geht es nicht um perfekte Lösungen, sondern um das kleinste Übel, das wiederum größeres Leid verhindert.
Wie wichtig sind Patenschaften und Spenden für die Arbeit von Rescute e.V.?
Ausreichend Spenden zu generieren, ist für uns maßgebend. Denn nur mit Geldern können wir unsere Partnertierheime mit Futter, Trainern und Erstausrüstung sowie bei der medizinischen Versorgung unterstützen. Gleichzeitig ist es unser Ziel, auch nachhaltig vor Ort etwas zu bewirken: Sei es durch Kastrationskampagnen oder den Ausbau der Tierheime, um die zwischenzeitlichen Lebensbedingungen für die Hunde zu verbessern. Ohne Spenden können wir nicht arbeiten.
Welche drei Ratschläge würden Sie Menschen geben, die selbst einen Verein oder ein Projekt im Tierschutz gründen möchten?
Erstens sollte man festlegen, für welche Tiere man sich einsetzen möchte und auf welche Art. Ein klarer Fokus hilft, authentisch aufzutreten und Mitstreitende zu gewinnen. Alleine ist im Tierschutz – und im Ehrenamt allgemein – nichts zu stemmen. Man tut also zusätzlich gut daran, sich Helfende zu suchen, die dieselben Werte teilen und den Teamspirit hoch halten. Und zu guter Letzt saubere organisatorische und rechtliche Strukturen schaffen – vom Vereinsregister bis zur Buchhaltung. Das schafft nicht nur Vertrauen, sondern sichert im Zweifel auch ab.
Welche Chancen sehen Sie für Ihre Arbeit in den kommenden Jahren im Hinblick auf die Entwicklung des Tierschutzes in Europa?
Wir sehen große Chancen in der zunehmenden Vernetzung und Professionalisierung des europäischen Tierschutzes. Immer mehr Menschen erkennen, dass dieser grenzübergreifend gedacht werden muss. Und auch die Nachfrage nach verantwortungsvoller und transparenter Vermittlung wächst. Immer mehr Menschen wollen bewusst keine Hunde mehr von Züchtern. Sie informieren sich besser, stellen die richtigen Fragen und legen Wert auf nachhaltige Lösungen – genau hier setzen wir an. Zusätzlich können Themen wie europaweit einheitliche Standards für Tierheime, strengere Regelungen gegen illegalen Welpenhandel oder verbesserte Tierschutzgesetze – z.B. wenn es um Listenhunde geht – unsere Arbeit stärken. Allem voran bieten Online-Kanäle uns die Chance, Tieren eine Stimme zu geben, die sonst übersehen werden. Mit Bildern, Videos und Geschichten können wir Herzen berühren und Reichweite schaffen.
Bild@ Rescute e.V.
Wir bedanken uns bei Jeannine Ficht und Yara Moteirek für das Interview
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder