Sovereign AI entwickelt eine KI Plattform, die juristisches Fachwissen aus dem Bau und Immobilienrecht digital zugänglich und für alle verständlich macht
Wie ist aus dem gemeinsamen Interesse an Recht und Technologie die Idee zur Sovereign AI Betriebs GmbH entstanden?
Mir war früh klar, dass ich als jüngstes Kind der Familie keinen klassischen juristischen Weg einschlagen würde. Gleichzeitig habe ich mich schon immer für Technik und digitale Produkte interessiert – erst beim Webdesign, später in der App-Entwicklung. Daraus ist die Idee entstanden, beide Welten zusammenzuführen: Das juristische Fachwissen einer spezialisierten Kanzlei mit über 25 Jahren Erfahrung so aufzubereiten, dass es digital nutzbar wird und allen offensteht.
Die Idee, rechtliches Wissen digital zugänglich zu machen, hat übrigens eine Vorgeschichte: Bereits seit mehr als 10 Jahren betreibt die Kanzlei KOENEN BAUANWÄLTE unter bauanwalt.de die Plattform „Bauanwalt Online“ (BAO) – ein digitaler Ratgeber für Bauherren, Planer und Bauunternehmer. Dahinter stand schon damals der Gedanke, Fachwissen zum Bau- und Architektenrecht frei zugänglich zu machen und Rechtsstreitigkeiten durch frühzeitige Information zu vermeiden. Als sich mit KI völlig neue Möglichkeiten eröffneten, war der Schritt zu Sovereign AI eine logische Weiterentwicklung dieser langjährigen Bemühungen.
Jakob, Sie haben mit 18 Jahren ein Legal-Tech-Unternehmen gegründet. Was hat Sie dazu bewegt, schon so früh Verantwortung zu übernehmen?
Ich wollte immer ein eigenes Produkt entwickeln, das einen echten Nutzen stiftet. Während des Beginns der Corona-Zeit, da war ich 13 Jahre alt, habe ich eine App gebaut, die Schülern helfen sollte, ihre Hausaufgaben und ihren Online-Unterricht besser zu organisieren. Das war mein erster ernsthafter Versuch, ein digitales Produkt zu entwickeln, das Probleme wirklich löst. Leider hatte die Zielgruppe nicht wirklich Interesse daran dieses Problem zu lösen. Dennoch war es eine sehr wichtige Erfahrung.
Für mich war es also weniger ein bewusster Entschluss, früh „Verantwortung zu übernehmen“, sondern eher ein natürlicher Prozess: Ich wollte etwas bauen, das Menschen hilft, und mich dabei auf meine technische Leidenschaft stützen.
Ich habe früh Websites entwickelt, vertiefte Informatik im Leistungskurs und besuchte parallel Jura-Vorlesungen als Gaststudent der JuniorUni Münster. Ich bin dabei weniger Entwickler im klassischen Sinn, sondern eher jemand, der abstrakte Ideen und Visionen formuliert, technische Möglichkeiten einordnet und daraus ein stimmiges Produktkonzept formt.
Diese Verbindung von Recht und Technologie prägt Sovereign AI fundamental – es ist ein Generationenprojekt, das Wissen demokratisiert und zugänglich macht. Unter dem Dach der Marke Sovereign bot sich schließlich die Gelegenheit, ein Produkt zu entwickeln, das juristische Expertise ins digitale Zeitalter bringt.
Welche Vision verfolgen Sie mit Sovereign Legal AI und wie wollen Sie erreichen, dass Recht für alle verständlicher und zugänglicher wird?
Viele Menschen erleben Recht als etwas Abschreckendes, als etwas, das nur dann relevant wird, wenn etwas schiefgeht. Das finde ich schade, denn Recht ist eigentlich ein Schutzmechanismus und etwas, das allen zur Verfügung stehen sollte.
Unsere Vision ist, dieses Wissen aus Bibliotheken, Fachkommentaren und aus der juristischen Praxis zu lösen und so aufzubereiten, dass jeder es verstehen und nutzen kann. Unsere KI macht jahrzehntelange Praxiserfahrung durchsuchbar, erklärt komplexe Fragen verständlich und zeigt die verlässlichen Originalquellen direkt mit an.
Sovereign Legal AI basiert auf jahrzehntelanger Rechtspraxis. Wie haben Sie dieses Wissen in eine funktionierende KI-Struktur überführt?
Wir arbeiten auf drei Ebenen:
1 Inhalte: Im Zentrum steht eine juristisch kuratierte Wissensbasis. Dazu gehören Rechtsinformationen mit Systematik, Fachartikel, Urteile, Gesetze und interne Aufbereitungen aus 25 Jahren Rechtspraxis. Wir haben Beiträge von Fachanwälten zu typischen Praxisproblemen wie Mängeln, Nachträgen und Genehmigungsfragen sowie eine von Fachanwälten kommentierte Urteilsdatenbank, beginnend mit den wichtigsten BGH-Entscheidungen, ergänzt durch relevante Instanzenrechtsprechung.
2 Training und Entwicklung: Die technische Entwicklung erfolgte gemeinsam mit den Anwältinnen und Anwälten der Kanzlei Koenen Bauanwälte. In einer Beta-Phase wurde das System im Alltag getestet und stetig verfeinert. Anwältinnen und Anwälte testen die KI laufend, geben Rückmeldungen, formulieren Anmerkungen und korrigieren Antworten.
3 Community-Ansatz: Sovereign AI ist ein Community-Projekt. Gemeinsam mit Anwälten, Kanzlei-Partnern und Nutzern entwickeln wir Features weiter. Wenn Nutzer – nur mit Einwilligung – Hinweise geben oder Lücken benennen, erweitert sich das System und wächst mit der Praxis.
Eine zuverlässige KI basiert immer auf verlässlichen Daten und genau dafür haben wir von Anfang an gesorgt.
Was unterscheidet Ihre Lösung von klassischen juristischen Datenbanken oder generativen KI-Systemen, die mit ungesicherten Informationen arbeiten?
Es gibt zwei zentrale Unterschiede:
Erstens: Wir sind das Gegenmodell zu großen Verlagssystemen. Wir glauben nicht, dass juristisches Wissen hinter Paywalls versteckt bleiben sollte. Die Basisversion bleibt kostenfrei und ist unser Beitrag zur juristischen Teilhabe im Baurecht. Fachartikel, Urteile und Inhalte aus der Praxis stellen wir kostenlos bereit.
Zweitens: Unsere KI arbeitet ausschließlich mit geprüften Inhalten – keine Foren, keine ungesicherten Quellen, kein zufälliges Internetmaterial. Die Antworten der KI werden in der Regel mit Originalquellen aus Gesetz, Rechtsprechung und Kommentarliteratur belegt und bleiben damit nachvollziehbar. Das unterscheidet Sovereign AI von generativen Blackbox-Systemen.
Die Autoren der Fachinhalte werden transparent angezeigt, sodass man immer weiß, welche juristische Stimme hinter einer Antwort steht. KI-Antworten selbst sollte man nicht zitieren. Dafür gibt es ausreichend Beispiele. Aber die dahinterliegenden Aussagen eines Fachanwalts oder einer Fachanwältin eben schon. Damit kombinieren wir das Beste aus zwei Welten: die Zuverlässigkeit einer Kanzlei und die Geschwindigkeit von KI.
Wie stellen Sie sicher, dass die von Sovereign Legal AI genutzten Informationen juristisch korrekt, nachvollziehbar und aktuell bleiben?
Wir beschränken uns aktuell auf das Bau- und Immobilienrecht und eng verbundene Gebiete. Für diese Bereiche stehen 18 Anwältinnen und Anwälte der Kanzlei KOENEN BAUANWÄLTE als Team dahinter.
Jede Veröffentlichung kommt von Fachanwälten, die dafür auch juristisch Verantwortung übernehmen. Außerdem wird das System laufend geprüft, aktualisiert und erweitert. Datenschutz und Datensicherheit haben höchsten Stellenwert: Die auf den Servern von Sovereign AI in der EU gespeicherten Daten werden nicht nur technisch geschützt, sondern auch regelmäßig überprüft – sowohl durch unseren Datenschutzbeauftragten als auch durch den bestellten KI-Beauftragten.
Ihre Plattform versteht sich als Community-Projekt. Welche Rolle spielt das Feedback der Nutzenden bei der Weiterentwicklung?
Eine zentrale. Wir sammeln Feedback im Sovereign Store, in der Community und in Beta-Tests. Daraus entstehen neue Features, präzisere Inhalte und Verbesserungen an der Benutzeroberfläche.
Viele Funktionen, die wir heute haben (z. B. tiefere Quellenansichten oder neue Suchmodi) sind direkt aus Nutzerfeedback entstanden. Die Community und Academy bieten über eine digitale Plattform wählbare Austauschformate, Workshops und Fortbildungen. Hier werden auch die Inhalte der KI diskutiert und weiterentwickelt. Dieser Prozess begleitet uns dauerhaft.

Welche Zielgruppen möchten Sie mit Sovereign Legal AI konkret ansprechen – und wie erleichtern Sie ihnen den Zugang zu juristischem Wissen?
Unsere Nutzer sind vor allem Personen aus dem Bau- und Immobilienbereich: Architektinnen, Projektentwickler, Bauherren, Kommunen, Ingenieure, Bauleiter und Co.
Viele von ihnen haben weder Zeit noch Budget, um teure Kommentare zu kaufen oder ständig Quellen zu prüfen. Sovereign AI gibt juristisch fundierte Orientierung bei typischen Fragen der Projektpraxis wie Fristen, Formvorgaben, Mängelrechte und Vergabeformen.
Wir reduzieren diesen Aufwand, indem die KI geprüfte Inhalte durchsucht und die Originalquelle direkt mitliefert. Das spart Zeit, Geld und vermeidet Fehler. Die KI ist keine Rechtsberaterin, sondern ein intelligentes Werkzeug zur Strukturierung, Einordnung und Dokumentation. Sie bietet tägliche Verfügbarkeit ohne Schwellenangst und stellt ein barrierefreies Fundament, auf dem souveräne Entscheidungen überhaupt erst möglich werden.
Welche Herausforderungen mussten Sie auf dem Weg von der Idee bis zur funktionsfähigen KI-Plattform meistern?
Leider einige. Vor allem technische Herausforderungen: Wir mussten zunächst eine Struktur entwickeln, die es Anwältinnen und Anwälten überhaupt ermöglicht, ihre Inhalte, ihr Feedback und ihre Korrekturen sinnvoll einzubringen. Dafür brauchten wir ein System, das sowohl technisch zuverlässig ist als auch in den juristischen Arbeitsalltag passt.
Eine wesentliche Herausforderung war auch das systematische Sammeln und Strukturieren der Inhalte: Seit 2004 entwickelt die Kanzlei digitale Produkte und sammelt Daten, Urteile und Rechtswissen. Diese 20 Jahre Digitalisierung mussten in eine für KI nutzbare Form gebracht werden.
Rechtlich mussten wir sicherstellen, dass Sovereign AI keine Rechtsberatung erbringt, sondern als Informationswerkzeug fungiert. Die Trennung ist bewusst: Sovereign befähigt, die Anwaltskanzlei berät. Wer souverän arbeiten kann, erkennt, wann er einen Anwalt braucht. Und wer einen Anwalt braucht, kommt vorbereitet.
Wie wollen Sie das Unternehmen und die Plattform in den kommenden Jahren weiterentwickeln? Gibt es Pläne, zusätzliche Rechtsgebiete zu integrieren?
Wir entwickeln die Plattform kontinuierlich weiter – sowohl technisch als auch inhaltlich. Kurzfristig konzentrieren wir uns auf neue Features wie Vorlagen für typische Rollen (Bauleitung, GU/GÜ, Architektur), Dokumenten-Gerüste und Qualitätsanker. Außerdem arbeiten wir an besseren Suchmechanismen und einer einfacheren Quellenansicht.
Mittelfristig planen wir, weitere Rechtsgebiete zu erschließen. Das machen wir aber erst dann, wenn wir die gleiche inhaltliche Tiefe und Qualität gewährleisten können wie im Bau- und Immobilienrecht. Parallel dazu suchen wir bereits nach geeigneten Partnern und Fachanwälten, mit denen wir diese neuen Rechtsgebiete inhaltlich sauber und praxisnah aufbauen können.
Was bedeutet für Sie persönlich „demokratisiertes Recht“ – und wie verändert das den juristischen Alltag in Zukunft?
Recht sollte nicht nur denen zugänglich sein, die es studiert haben oder einen Anwalt im direkten Umfeld haben. Demokratisiertes Recht bedeutet für mich, juristisches Wissen in die Mitte der Gesellschaft zu holen – verständlich, transparent und kostenlos. Für mich geht es immer noch um denselben Gedanken: Freiheit beginnt mit Bewusstsein. Das Bewusstsein über die eigenen Möglichkeiten und das Wissen, wie man diese durchsetzen kann.
Für den juristischen Alltag bedeutet das, dass Anwälte sich stärker auf Beratung, Strategie und Einzelfallarbeit konzentrieren können, während Basiswissen für alle verfügbar wird. Künstliche Intelligenz nimmt Routineaufgaben ab: Texte strukturieren, Dokumente zusammenfassen, Formulierungen verbessern. Das schafft Zeit für das, was wirklich zählt: Zuhören, Analysieren, Bewerten, Vertreten.
Die größte Veränderung liegt in der Haltung: Anwälte sind nicht mehr nur Problemlöser, sondern eher Prozessbegleiter und Befähiger. Wer Mandanten zeigt, wie sie Standard-Aufgaben selbst bewältigen können, schafft Vertrauen und wird für die wirklich schwierigen Fälle umso gezielter gefragt.
Welche drei Ratschläge würden Sie jungen Gründerinnen und Gründern geben, die wie Sie früh in den Tech- oder Legal-Bereich einsteigen möchten?
1 Fangt früh an, echte Probleme zu beobachten. Die besten Ideen entstehen nicht am Schreibtisch, sondern dort, wo Menschen wirklich kämpfen. Beobachtet die Lücken, die Frustration, die Umwege – dort liegt der Ansatzpunkt.
2 Baut etwas Kleines, aber Funktionierendes. Ein Prototyp, der echten Nutzen stiftet, ist wertvoller als ein riesiger Plan, der nie fertig wird. Iteriert, testet, verbessert, aber bringt etwas in die Welt, das Menschen tatsächlich nutzen können.
3 Sucht euch Mentoren, die ehrlich sind. Gerade in regulierten Bereichen wie Recht oder KI braucht man Menschen, die korrigieren, bevor man falsch abbiegt. Lernt von denen, die den Weg schon gegangen sind, und seid offen für Kritik, die euch weiterbringt.
Bild Jakob Koenen Fotograf Andreas Loechte Photography
Wir bedanken uns bei Jakob Koenen für das Interview
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder
























