Donnerstag, November 21, 2024
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Finiata: Machine-Learning-Algorithmus Copernicus ermittelt binnen weniger Minuten die Bonität potenzieller Kreditnehmer

Stellen Sie sich und das Startup Finiata doch kurz unseren Lesern vor!

Enno: Wir helfen mit Finiata kleinen Unternehmen, Selbstständigen und Freiberuflern ihre Liquidität in den Griff zu bekommen. Dafür prüft unser Machine-Learning-Algorthimus „Copernicus“ digital und automatisch die Cash-Flows und die Bonität unserer Kunden. Ein entsprechendes Scoring vorausgesetzt, gewähren wir unsere Kunden die flexibel nutzbare Kreditlinie „FlexKapital“. Zudem gibt „Analityka“ durch automatisiertes Cash-Flow-Management Einblicke in zukünftige Liquiditäts-Entwicklungen. Aktuell vergeben wir Kredite nur auf dem polnischen Markt. Das wird sich aber hoffentlich im Laufe des kommenden Jahres ändern. Um unser Wachstum zu beschleunigen, haben wir schließlich soeben weitere sieben Millionen Euro eingesammelt.

Ingmar: Ich selbst zähle von Anfang an zum Gründer- und Führungsteam, also seit Sommer 2016, und habe die Entwicklung unseres Machine-Learning-Algorithmus „Copernicus“ verantwortet. Der Algorithmus ist unser technologisches Herz. Unsere Ausfallquote liegt im niedrigen einstelligen Bereich, unser Gini-Koeffizient, der angibt, wie gut wir die Zukunft prognostizieren, ist mit etwa 70 fast doppelt so hoch wie der klassischer Auskunfteien. 

Warum haben Sie sich entschieden, ein Unternehmen zu gründen?

Ingmar: Traditionelle Bankhäuser haben den Großteil europäischer Unternehmen per se außen vor gelassen, wenn diese temporär in kurzfristige Finanzengpässe geraten sind. Solche verhältnismäßig kurzen und vergleichsweise kleinen Kredite für Geschäftskunden rechtfertigten für sie den damit verbundenen Aufwand nicht – insbesondere die Personalkosten für qualifizierte Sachbearbeiter. Statt nach Lösungen zu suchen, haben die etablierten Kreditgeber kleine Unternehmen einfach alleine im Regen stehen lassen. Und wenn sie ihnen doch mal Hilfe angeboten haben, dann hatten die Prüfungsprozesse zuvor so lange gedauert, dass es meist ohnehin zu spät war. Auch wenn unsere Gründung nun vier Jahre her ist: Für mich war es damals komplett unverständlich, dass Kreditanbieter das offenkundige Potenzial von Machine-Learning in diesem Fall nicht ausschöpften – sowohl aus unternehmerischer Motivation als auch aus Kundensicht gedacht.

Welche Vision steckt hinter Finiata?

Enno: Wir wollen, dass sich Unternehmer und Selbständige auf das für sie Wesentliche fokussieren können. Deshalb denken wir immer aus Kundensicht und analysieren konsequent, wie wir ihnen – viele davon Meister ihres Faches mit wenig betriebswirtschaftlicher Expertise – so einfach wie möglich bei ihrer Liquiditätsplanung und in Zeiten finanzieller Engpässe helfen können.

Wir setzen dazu nicht auf ein bestimmtes Produkt, sondern suchen stets die beste Lösung. Beispielsweise haben wir im März unser ursprüngliches Factoring – also das Vorfinanzieren einer ausstehenden Rechnung – komplett eingestellt. Das bedeutete letztlich unnötigen Aufwand für Kunden, ließ viele Kunden im B2C-Bereich ohne Rechnungen außen vor – und darüber hinaus erwies sich die einzelne Rechnung nicht als ausschlaggebend im Rahmen unserer Bonitätsprüfung. Daher unsere Evolution hin zur flexiblen Kreditlinie „FlexKapital“ und unserem Cash-Flow-Management „Analityka“ – Form follows Function. Auch White-Label-Lösungen mit Banken und anderen Partnern, die eine technologische Lösung für eine rasche, valide und kundenfreundliche Bonitätsprüfung suchen, gewinnen angesichts dieser Denk- und Herangehensweise an Relevanz.

Von der Idee bis zum Start was waren bis jetzt die größten Herausforderungen und wie haben Sie sich finanziert?

Ingmar: Anfangs war es sicherlich ein Mammutprogramm, gleich in zwei Ländern zu starten. Aber ausgerechnet dieser parallele Produktstart war letzten Endes Gold wert: Denn in Polen erwies sich der Bedarf als viel größer und das Problem der Liquiditätsengpässe als noch allgegenwärtiger als hierzulande.

Enno: Wir haben soeben eine weitere Finanzierungsrunde erfolgreich mit sieben Millionen abgeschlossen. Darüber hinaus haben wir im Rahmen der Runde auch bestehende Wandeldarlehen in Eigenkapital umgewandelt. Damit haben wir nun ein Setting gefunden, das uns in die Lage versetzt, gemeinsam mit unseren Investoren unsere ambitionierten Wachstumspläne im nächsten Jahr in die Tat umzusetzen. Und ich kann einen Haken hinter einen Meilenstein setzen, seitdem ich vor zwei Jahren das Steuer als Geschäftsführer übernommen habe: Finiata erfüllt alle strukturellen Voraussetzungen für Wachstum in den nächsten zwölf Monaten.

Wer ist die Zielgruppe von Finiata?

Enno: Wir fokussieren uns branchenübergreifend auf kleine Unternehmen mit bis zu zehn Millionen Jahresumsatz und bis zu 50 Mitarbeitern, darunter auch Selbstständige und Freiberufler. Das ist ein Segment, das traditionelle Anbieter bis dato sträflich vernachlässigt haben. Banken räumen ihnen trotz entsprechender Margen selten Kredite ein – und das, obwohl europaweit über 90 Prozent aller Unternehmen zu unserer potenziellen Zielgruppe zählen. Viele unserer Kunden verfügen häufig über eine hohe Fachexpertise, aber wenig betriebswirtschaftliches Wissen. 

Wie funktioniert Finiata? Wo liegen die Vorteile? Was unterscheidet Sie von anderen Anbietern?

Ingmar: Finiatas Machine-Learning-Algorithmus „Copernicus“ ermittelt binnen weniger Minuten online und automatisch die Bonität potenzieller Kreditnehmer und stellt ihnen – ein positives Scoring vorausgesetzt – mit „FlexKapital eine Kreditlinie in Höhe von drei bis acht Prozent des Jahresumsatzes bereit. Der Antragssteller braucht nur ein paar Minuten, um über Schnittstellen die für die automatische Bonitätsprüfung erforderlichen Daten an uns zu übermitteln. Weder unsere Kunden noch wir müssen auch nur ein Blatt Papier hin und herschicken – und menschliche Sachbearbeiter werden nur in seltenen Einzelfällen hinzugezogen.

Enno: Dadurch können wir ein Segment bedienen, das für die allermeisten anderen Akteure nicht rentabel ist – vergleichsweise kleine und kurzfristige Kredite. Für unseren Algorithmus „Copernicus“ war das sogar vorteilhaft. Wir haben dadurch in kurzer Zeit viele neue Datenpunkte generiert.

Finiata, wo geht der Weg hin? Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?

Ganz ehrlich: Ein Ausblick auf fünf Jahre ist in unseren unsicheren Zeiten kaum machbar. Lasst unser daher zunächst auf das nächste Jahr blicken: Wir sind dann auch als gesamte Gruppe, nicht nur im Kerngeschäft, profitabel und in mindestens einem weiteren Land jenseits von Polen aktiv – vielleicht auch in Deutschland? Außerdem helfen wir in spätestens einem Jahr mindestens einer Bank oder einem ähnlichen Unternehmen, via White-Label basierend auf unserem Algorithmus „Copernicus“ die Bonität technologiebasiert zu prüfen.

Zum Schluss: Welche 3 Tipps würden Sie angehenden Gründern mit auf den Weg geben?

Ganz grundsätzlich zur Unternehmenskultur: Automatisiert alle Prozesse, die sich sinnig automatisieren lassen – und zwar so früh wie möglich. In Sachen strategischem und operativem Vorgehen: Fragt euch im ersten Schritt nicht gleich, wie ihr eure Gewinne maximieren könnt, sondern zu aller erst, was das größte Problem euer Kunden ist. Wo auch immer ihr euch in Unsicherheit wägt, testet eure Hypothesen mit dem kleinstmöglichen Einsatz von Zeit und Geld – investiert erst, wenn die Daten auf eurer Seite sind. Das lässt sich dann auch monetarisieren. Entwickelt und vermarktet ihr anschließend euer Produkt, achtet bei jedem Detail auf den Mehrwert für euren Kunden: Wie kann er eure Lösung mit so wenig Aufwand wie möglich und zugleich sicher und vollumfänglich bedienen? Maximiert eure Usability.

Bild: Ingmar Stupp – Christoph Nicola – Jan Enno Einfeld (v.l.n.r.), credit Raimar von Wienskowski“

Weitere Informationen finden Sie hier

Wir bedanken uns für das Interview

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder

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