Moderne Arbeitsmodelle wie Homeoffice oder Remote Work waren bereits vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie in aller Munde.
Laut einer Bitkom-Umfrage ist die Anzahl der Unternehmen, in denen es den Mitarbeitern möglich war, zumindest teilweise von zuhause aus zu arbeiten innerhalb von vier Jahren von 22 auf 39 Prozent gestiegen. Womit allerdings niemand rechnen konnte: Das Virus hat es geschafft, eine Zukunft, für die es im Normalfall noch fünf oder zehn Jahre an kontinuierlicher Weiterentwicklung gebraucht hätte, quasi über Nacht zur neuen Realität werden zu lassen – und zwar über alle Branchen hinweg. Warum das trotzdem nicht das Ende des klassischen Büros bedeutet, erklärt Lawrence Mohiuddine, Managing Director, EMEA, Unispace.
Das Büro, wie wir es kannten
Es ist gerade einmal ein paar Monate her, da war das traditionelle Büro für die meisten Unternehmen kaum wegzudenken. Es war sowohl das soziale als auch das produktive Zentrum, in dem die Teams täglich aufeinandertrafen, sich austauschten und gemeinsam oder allein ihre Arbeit erbrachten. Doch dann kam die Krise. Sie hat die globale Wirtschaft vollkommen unvorbereitet getroffen und die gesamte Arbeitswelt, wie wir sie kannten, von heute auf morgen völlig auf den Kopf gestellt. Während einige bereits frühzeitig in digitale Kollaborationstools und Cloud-Lösungen investiert hatten, wurden im Kontext der Kontakt- und Abstandsregelungen sogar die traditionellsten Branchen zum plötzlichen Umdenken gezwungen. Dass die Verunsicherung teilweise bis heute anhält, ist kaum verwunderlich. Doch wenn die Krise nur einen positiven Aspekt mit sich gebracht hat, dann ist es der Beweis, dass es sich auch aus den heimischen Wänden heraus äußerst produktiv arbeiten lässt.
Um der Krise Herr zu werden, ist es mit dem Umzug ins Homeoffice allein aber nicht getan. Denn auch für die Arbeitgeber haben sich aus dieser neuen Situation heraus zahlreiche neue Herausforderungen ergeben, deren Bewältigung viele noch eine ganze Weile umtreiben wird. Vor allem die Anpassung des Führungsstils spielt dabei eine zentrale Rolle – und was den betrifft, erweisen sich viele Chefs bekanntermaßen eher unflexibel. Während im stationären Büro Kontrolle häufig an der Tagesordnung war, sind nun jedoch Vertrauen und die Übertragung erweiterter Verantwortlichkeiten gefordert. Für viele Mitarbeiter bringt das wiederum ein völlig neues Maß an Freiheit und Flexibilität mit sich, die sie sich nicht ohne Weiteres wieder streitig machen lassen werden. Fakt ist: Die Pandemie hat die Art und Weise, wie wir arbeiten, vollkommen geändert – und es gibt keinen Weg zurück. Eine Frage bleibt jedoch, denn welche Relevanz hat das Büro in dieser neuen Arbeitsrealität überhaupt noch?
Mehr Effizienz statt weniger Platz
Viele Unternehmen sehen sich derzeit mit der Fragestellung konfrontiert, wie sie ihre Mitarbeiter in einer „Post-Corona-Welt“ dauerhaft organisieren können – und das sowohl sicher als auch produktiv. Die Annahme, das stationäre Büro hätte in unserer neuen Realität schlichtweg ausgedient und man könne von nun an einfach im Homeoffice bleiben, wie der Social Media-Riese Twitter es gerade für seine Mitarbeiter ermöglicht hat, ist allerdings zu kurz gedacht. Zwar geben im Rahmen einer Forsa-Umfrage im Auftrag der Krankenkasse DAK fast sechs von zehn der Berufstätigen an, aus dem Homeoffice sogar produktiver arbeiten zu können als im Büro. Was drei Viertel der Befragten dabei jedoch fehlt, ist vor allem die soziale Komponente. Fast die Hälfte sagte, dass ihre Arbeit durch den fehlenden Austausch mit Teamkollegen beeinträchtigt sei. Fast genauso vielen fehlt im Homeoffice außerdem die klare Trennung zwischen Beruf und Privatleben.
Wir gehen davon aus, dass im Nachgang der Coronakrise Unternehmen dazu tendieren werden, ein Hybridmodell zu etablieren, bei dem die Mitarbeiter nur an noch an zwei bis drei Tagen pro Woche vor Ort sein und die restliche Zeit von zuhause – oder im Rahmen von Remote Work von überall aus – tätig sein werden. So können nicht nur Abstandsregelungen dauerhaft besser eingehalten werden. Auch die Mitarbeiter selbst bekommen durch wegfallende Arbeitswege und mehr Zeit zuhause die Möglichkeit, ihr Arbeits- und Berufsleben besser aufeinander abzustimmen, was vor allem Familien deutlich zugutekommt. Daraus resultiert allerdings auch, dass etwa 20 bis 30 Prozent, die im Büro vormals für Einzelarbeitsplätze genutzt wurden, die Hälfte der Woche ungenutzt bleiben.
Unternehmen sind jetzt gefragt, die Fläche, die ihnen dadurch zur Verfügung steht, neu für sich zu erfinden.
Einfach nur kleinere Büros anzumieten, ist keine Lösung, denn sie kommen langfristig gesehen nicht den Bedürfnissen entgegen, die Unternehmen und ihre Teams in der neuen Arbeitswelt haben. Viel sinnvoller ist es deshalb, den freien Raum effizienter zu gestalten – und zwar so, dass die Mitarbeiter gerne auf ihn zurückkommen.
Soziale Kontakte, gemeinsames Lernen und das Teilen einer gemeinsamen Unternehmenskultur ist nichts, das sich durch die Einführung digitaler Tools so einfach kompensieren lässt. Unternehmen, die ihr stationären Büro zukunftsfähig umgestalten wollen, sollten deshalb ihr neues altes Büro um die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter herum entwickeln. Es wird es immer eine gewisse Anzahl jener geben, die vor Ort produktiver sein können – vielleicht weil sie sich zuhause selbst nicht motivieren können oder sie dort nicht über einen ruhigen Arbeitsplatz verfügen. Der restliche Platz sollte sich jedoch weg von den Einzeltischen und mehr hin zu freier Kollaborationsfläche entwickeln, auf der man miteinander ins Gespräch kommen, Ideen entwickeln und voneinander lernen kann. Vor allem für neue Mitarbeiter und Auszubildende ist diese Möglichkeit unabdingbar. Sie sind auf das Wissen ihrer Kollegen geradezu angewiesen, um ebenfalls ein gewinnbringender Teil des Unternehmens werden zu können.
Ein entscheidender Vorteil
Letztendlich ist die Umsetzung dieses neuen Büromodells, das Heim- und Vor-Ort-Arbeit dauerhaft und flexibel miteinander kombiniert, nicht nur ein notwendiger Schritt, um den aus der Krise resultierenden Gesetzmäßigkeiten gerecht zu werden. Im Vergleich zur Konkurrenz können sich Unternehmen dadurch sogar einen entscheidenden Vorteil sichern. Im War for Talent überzeugt am Ende das Unternehmen, das seinen Mitarbeitern das größtmögliche Maß an Flexibilität bieten kann. Sie arbeiten gerne von zuhause aus, brauchen bei Deadlines aber den Druck im Büro? Trainings absolvieren Sie lieber online, möchten im Anschluss aber mit Kollegen bei einem Kaffee darüber sprechen? Unternehmen, die ihren Mitarbeitern ganz individuell den Raum zur Verfügung stellen, den sie brauchen, um maximal produktiv sein zu können, haben verstanden, was es wirklich bedeutet, das Büro der Zukunft dauerhaft zu etablieren.
Autor: Lawrence Mohiuddine, Managing Director, EMEA, Unispace
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