Choco: Lebensmittelverschwendung reduzieren und eine effizientere Supply Chain schaffen
Stellen Sie sich und das Start-up Choco doch kurz unseren Lesern vor!
Ich bin Daniel Khachab und habe, gemeinsam mit Julian Hammer und Rogerio Da Silva Yokomizo, 2018 das Gastro-Start-up Choco in Berlin gegründet. Die Mission von Choco besteht darin, Lebensmittelverschwendung zu reduzieren und eine effizientere Supply Chain zu erschaffen. Aktuell gehen bis zu 40 Prozent der Lebensmittel innerhalb der globalen Lieferkette verloren, während 815 Millionen Menschen unterernährt sind. Diese Lieferkette ist zudem extrem fragmentiert und, in Anbetracht der weiterhin wachsenden Bevölkerung und deren steigenden Bedarf an Nahrung, muss die Lebensmittelbranche dringend umgestaltet werden.
Unser Ziel ist es, die gesamte Lieferkette weltweit grundlegend zu verändern, indem wir innovative und leistungsstarke Technologien bereitstellen, die alle involvierten Parteien dieser Lieferkette miteinander verbindet. Gleichzeitig sollen diese Akteure befähigt werden, Abfall auf lokaler Ebene zu reduzieren, die Nachfrage zu decken und ihren Gewinn zu steigern.
Momentan stellt Choco eine kostenlose digitale Plattform zur Verfügung, die Restaurants mit ihren Lieferanten verbindet: ein einfaches Tool, das die Kommunikation optimiert, operative Ineffizienzen vorbeugt und den gesamten Bestellprozess für alle Seiten vereinfacht. Bislang haben wir zehntausende Restaurants und Lieferanten auf vier Kontinenten erreicht. Dies ist aber nur der erste Schritt für uns.
Wir sind ein Team von 150 Personen, das an den genannten Themen arbeitet und derzeit in Deutschland, Frankreich, Spanien, der Niederlande, Österreich, Belgien, Brasilien und den USA tätig ist.
Warum haben Sie sich entschieden ein Unternehmen zu gründen?
Lebensmittelverschwendung ist der drittgrößte Treiber des Klimawandels. Wir roden beispielsweise Regenwälder, um Nahrungsmittel anzubauen, die wir nicht brauchen. Zurzeit gibt es auf der Welt etwa sieben Milliarden Menschen. Wir haben genug Nahrung für zehn Milliarden, aber wir sind nicht in der Lage, Nahrungsmittel effizient durch das System zu leiten. Wir wollten einen direkten Beitrag zur Lösung dieses Problems leisten, und deshalb haben wir Choco ins Leben gerufen.
Und wir wollen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten etwas aufbauen, das, in Bezug auf das Thema Lebensmittelverschwendung, den größtmöglichen positiven Einfluss auf die Welt hat. Denn das ist eines der relevantesten Probleme des 21. Jahrhunderts.
Welche Vision steckt hinter Choco?
Bei Choco wollen wir zum globalen Vorreiter werden: Ein Unternehmen, das die Welt wirklich verändern kann. Unser Ziel ist es, das globale Lebensmittelsystem zu optimieren. Dafür müssen erhebliche Herausforderungen bewältigt werden, um schließlich das enorme Potenzial freizusetzen, das in den globalen Lebensmittellieferketten steckt. Wir wollen es unseren Mitarbeiter ermöglichen, dieses Unternehmen mit aufzubauen, und wir wollen, dass die „Chocorians“ dabei die bereicherndste Zeit ihres Lebens haben.
In diesem Jahr, das geprägt ist von einer Pandemie und deren Folgen, liegt unser Schwerpunkt auf der Unterstützung unserer Branche und wir werden die Mittel unserer letzten Finanzierungsrunde nutzen, um sicherzustellen, dass wir so viel wie möglich tun, um für alle Involvierten einen Mehrwert zu schaffen. Wir wollen, dass Choco ein Vorkämpfer für positive Veränderungen in der Branche ist – sowohl während dieser Krise, als auch in der neuen Welt, die danach entstehen wird.
Von der Idee bis zum Start, was waren bis jetzt die größten Herausforderungen?
Insgesamt ist die Digitalisierung der Lebensmittelindustrie eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, da sie als eine der ältesten Branchen der Welt sehr fragmentiert ist. So ist es etwa schwierig, im Gastronomiebereich Probleme mit einem einheitlichen Ansatz anzugehen, denn zum einen gibt es eine große Bandbreite an Gastronomiebetrieben, von winzigen Mom- und Pop up-Shops bis hin zu riesigen Ketten, und natürlich haben diese unterschiedlichen Unternehmen verschiedene Bedürfnissen. Auch auf der Lieferantenseite ist die Branche fragmentiert, mit einer großen Bandbreite von Akteuren – von jahrzehntealten Familienbetrieben bis hin zu den Branchengiganten.
Hinzu kommt, dass Gewohnheiten in dieser Branche schon lange bestehen und damit schwer zu verändern sind. Die Bestellprozesse zwischen Gastronomie und Lieferanten gehören dazu. In allen Märkten weltweit, in denen wir jetzt tätig sind, zählten Stift und Papier vor unserem Markteintritt noch zur Tagesordnung. Die Digitalisierung dieses speziellen Prozesses muss den Bedürfnissen der Nutzer gerecht werden, die Produkte zu sehen, sie anfassen zu können und sie kennenzulernen. Gleichzeitig muss der enge Kontakt und die Beziehung zum Lieferanten selbst aufrechterhalten werden. Wir mussten unsere Tools also so gestalten, dass sie möglichst nahtlos zu den bestehenden Prozessen passen: die wichtige Beziehung und den menschlichen Aspekt der Kommunikation zwischen Restaurant und Lieferant soll erhalten bleiben, während gleichzeitig die fehleranfälligen manuellen Teile des Prozesses entfernt werden.
Wie wurde das Unternehmen finanziert?
Seit der Gründung vor zwei Jahren sind wir enorm gewachsen und konnten bisher beträchtliche Mittel in Höhe von 65,5 Mio. Euro einsammeln – unsere Series A-Finanzierungsrunde war dadurch eine der größten europäischen aller Zeiten. Wenn es um die Investorensuche geht, dann pitchen wir pragmatisch und fokussiert. Wir liefern das, von dem wir sagen, dass wir es liefern.
Wir haben das Glück, in unseren Investoren großartige Partner gefunden zu haben. Sie stehen voll und ganz hinter unserer Vision und haben uns während der gesamten bisherigen Reise unterstützt. Und wir werden besser, wenn wir die richtigen Leute treffen – Dan Rose, Vorsitzender von Coatue, ein 20-jähriger Branchenveteran und ehemaliger leitender Angestellter bei Facebook, war einer dieser Partner, der nach unserer letzten Finanzierungsrunde unserem Vorstand beigetreten ist. Dies ist etwas, was er nur unter besonderen Umständen tut.
Wer ist die Zielgruppe von Choco?
Choco ist eine App, die den Kommunikationsprozess zwischen Restaurants und Lieferanten digitalisiert und vereinfacht. Bisher verwendeten die meisten inhabergeführten Restaurants keine digitalen Tools zur Bestellung von Lebensmitteln und zur Kommunikation mit Zulieferern und Großhändlern. Bei der Entwicklung von Choco haben wir uns auf Intuitivität und Einfachheit fokussiert, sodass die App problemlos in den Arbeitsablauf von Gastronomen integriert werden kann. Wir sehen häufig, dass Köche beim Arbeitgeberwechsel Choco an ihren neuen Arbeitsplatz mitnehmen, da die App unabhängig von der Art der Küche oder des Segments funktioniert und sofort einsatzbereit ist. Die meisten Restaurants benutzen Choco im Küchenteam, einige Köche und Restaurantbesitzer nutzen die App, um ihre eigenen Arbeitsabläufe zu organisieren oder um ihren Mitarbeitern zu ermöglichen, die Bestellung in ihrer Landessprache durchzuführen. Unsere aktivsten App-Nutzer sind die Farm-to-Table-Restaurants, die in der Regel mit 10-20 verschiedenen Lieferanten verbunden sind. Auf der Lieferantenseite arbeiten wir zumeist eng mit Familienbetrieben aller Größenordnungen zusammen.
Wie funktioniert Choco? Wo liegen die Vorteile? Was unterscheidet Sie von anderen Anbietern?
Bei Choco digitalisieren wir die Bestellvorlagen der Restaurants und die Produktlisten, mit denen das Restaurant regelmäßig bestellt, und übermitteln diese an genau die Lieferanten, bei denen die Restaurants üblicherweise bestellen. Das Restaurant hat alle Lieferanten in der gleichen App und kann seine Bestellungen in Sekundenschnelle aufgeben. Ein Lieferant erhält dann die Bestellungen via Choco in einem einheitlichen und lesbaren Format und kann sie so in seinen Arbeitsablauf integrieren. Diese Innovation reduziert die Anzahl der doppelten Bestellungen um bis zu 90 Prozent, denn ohne Choco kommt es häufig vor, dass Bestellungen nicht vollständig oder fehlerhaft aufgegeben, und wiederholt werden müssen.
Köche und Restaurantbesitzer bestellen in der Regel per Telefon und E-Mail. Der Bedarf an Bestell-Tools in Restaurants ist nicht neu, und wir sehen uns häufig und in den meisten unserer Fokus-Städte mit neuen Mitbewerbern konfrontiert. Was Choco ausmacht, ist die einfache Handhabung. Unsere, auf Restaurants ausgerichtete, mobile App sieht wie viele andere Messenger-Apps aus. Die Benutzeroberfläche ist übersichtlich und intuitiv, so dass keine Schulung notwendig ist, um das gesamte Küchenteam mit Choco arbeiten lassen zu können. Da Restaurants die App mögen, tun dies auch die Lieferanten. Viele haben im Vorhinein versucht, ihre Kunden mit Excel-Tabellen oder Web-Plattformen zu „digitalisieren“. Choco fügt sich nun auch optimal in die Arbeitsabläufe der Lieferanten. Im Gegensatz zu vielen unserer Mitbewerber, streben wir eine bessere Zusammenarbeit zwischen Gastronomen und Lieferanten an. Aus diesem Grund können wir mitverfolgen, wie die Nachfrage nach der App organisch wächst – und zwar auf beiden Seiten.
Wie hat sich ihr Unternehmen mit Corona verändert? Wie haben Sie sich darauf eingestellt und welche Änderungen haben Sie vorgenommen?
Direkt zu Beginn der Krise haben wir darüber nachgedacht, wie wir unsere Branche unterstützen können, sowohl auf Lieferanten-, als auch Gastronomseite. Wir haben schnell die Initiative ergriffen und ermöglichten, durch eine zusätzliche Plattform, Lieferungen direkt an Verbraucher. So halfen wir Lieferanten in den Epizentren der Corona-Krise wie etwa New York und Paris, indem wir im Grunde über Nacht Onlineshops aufbauten. In diesen Webshops können Endverbraucher Lebensmittel online einkaufen. Die Bestellung wird dann an einen lokalen Großhandelslieferanten in der Region weitergeleitet, der die Waren dann innerhalb von 24 Stunden mit nur wenig Verpackung liefert. Wir setzen unsere eigenen Gewinne aus diesen Webshops in jeder Stadt für lokale Restaurant-Charity-Organisationen ein.
Wo sehen Sie in der Krise die Chance?
In der Krise sehen wir unsere Chance darin, die treibende Kraft zu sein, um innerhalb der Lebensmittelbranche bessere, effizientere und lokalere Wege einzuschlagen. Wir möchten positive Veränderungen, die sich vielleicht im Zuge der Krise ergeben haben, weiter vorantreiben und an Restaurants, Lieferanten und Produzenten herantragen.
Choco, wo geht der Weg hin? Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?
In fünf Jahren benutzt jedes Küchenteam Choco. Unser Ziel ist es, weiter zu wachsen und die Kommunikation und den Arbeitsalltag von noch mehr Gastronomen und Lieferanten mit unserem Service zu verbessern. Dabei wollen wir auch weiter expandieren und weitere Märkte erschließen – wobei uns gesundes Wachstum wichtig ist. Wir möchten nicht zu voreilig in neue Märkte eintreten, sondern zunächst die Verfügbarkeit von Choco in den bestehenden Märkten flächendeckender ausbauen.
Zum Schluss: Welche 3 Tipps würden Sie angehenden Gründern mit auf den Weg geben?
1. Fundraising: Es ist wichtig zu erkennen, dass es bei diesem Thema um einen Dialog auf Augenhöhe geht. Sucht Euch einen Partner, der an Euch und an Eurer Unternehmen glaubt! So ein Partner wird sehr wahrscheinlich dann auch investieren. Geld sollte dabei nicht an erster Stelle stehen, sondern es sollte darum gehen, den geeigneten Partner zu finden – Investitionen folgen dann automatisch. Dabei arbeitet ihr nicht für den Investor, sondern der Investor und das Unternehmen arbeiten gemeinsam als Partner an der Verwirklichung der Mission des Unternehmens.
2. Recruiting: Investiere in Dein Team und den Einstellungsprozess! Letztendlich beruht Erfolg darauf, dass das Team hinter der Unternehmensvision steht.
Warum? Um Simon Sinek zu zitieren: Wisse, warum Du etwas tust und artikuliere es. Wir bei Choco haben eine starke Mission, und das hat es uns ermöglicht, unsere Partner, Investoren und Kunden zu begeistern und die Richtigen für unser Team zu gewinnen.
3. Ein Tipp für die in Deutschland ansässigen Gründer: Berlin ist großartig, um ein Unternehmen zu gründen, vielleicht sogar einzigartig. Es ist günstig, es macht Spaß hier zu sein und es hat einen sehr hohen Lebensstandard. Es ist ein Ort, der internationale Talente anzieht. Hier gibt es genug Kapital für Series A/B, danach muss man international Kapital einsammeln. Vertreter der meisten US-amerikanischen und britischen Fonds sind regelmäßig in Berlin, was es ermöglicht, einfacher an ausländische Investitionen zu kommen als noch vor einigen Jahren. Berlin befindet sich derzeit im Beschleunigungsmodus, und es ist großartig zu sehen, wie schnell sich die Szene in den letzten zehn Jahren entwickelt hat.
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Wir bedanken uns bei Daniel Khachab für das Interview
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder