Crealize Company Creator und People Developer
Stellen Sie sich und das Startup Crealize doch kurz unseren Lesern vor!
Ich bin Jacob Fatih und habe gemeinsam mit meinem Geschäftspartner David Ewald 2015 die Crealize GmbH in Essen gegründet. Aktuell haben wir neun Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen im Portfolio, darunter Mindshine, die erste App-Anwendung für mentale Fitness oder Wellnest, das mit exklusiven Wellness-Erlebnissen in vollkommener Privatsphäre seit 2018 eine neue Spa-Generation einläutet. Mit unserer Tochtergesellschaft Play Hard Group haben wir zuletzt den Basketball- und Streetwearspezialisten KICKZ.com von Zalando übernommen.
Der Weg bis dahin war lang, denn mit 23 Jahren bin ich als politischer Flüchtling aus dem Iran nach Deutschland gekommen und musste zunächst einmal die Sprache lernen. Einige Jahre später, nach Stationen bei einer großen Fitnessstudiokette, startete ich von Null an mein erstes Business als Mitbegründer der Schulte & Fatih Immobiliengesellschaft. Wir waren erfolgreich und ich legte damit den Grundstein für meine Vision, Fitness als Sport neu zu denken und nach dem Motto FOR ALL OF US für alle Menschen zugänglich zu machen. 2009 war die Zeit reif und ich gründete das erste FitX-Studio in Essen.
Heute ist FitX die zweitgrößte Fitnesskette in Deutschland mit 89 Studios, über 800.000 MitgliederInnen und 2.400 MitarbeiterInnen. Im letzten Jahr bin ich nach zehn Jahren bei FitX ausgestiegen, um mich ganz auf Crealize zu fokussieren. Parallel zu FitX gründete ich 2006 gemeinsam mit meinem Freund Markus Flossmann YT Industries und wir bauten unser erstes Mountainbike nach unseren eigenen Ansprüchen. Der erste Produktionslauf von 150 Rahmen war innerhalb von nur zehn Tagen ausverkauft und wir machten weiter. Heute ist YT unter den Top drei Brands im professionellen Mountainbikesport, wir haben über 200 MitarbeiterInnen und Vertretungen in Europa, Asien und Nordamerika.
Warum haben Sie sich entschieden, ein Unternehmen zu gründen?
Crealize ist ja nicht meine erste Gründung. Ich würde sagen, der Unternehmergeist hat sich bei mir relativ früh, schon als Heranwachsender im Iran, herauskristallisiert. Mein erstes Geld habe ich als selbständiger Übersetzer für Kroatisch-Persisch verdient und damit schon als Student in Teheran ein höheres Einkommen erzielt als mein Vater, der als Professor für Philosophie und Geschichte an der Uni war. Mein Leitsatz war immer schon „think big” und ich habe später in Deutschland einfach alle Chancen ergriffen, die sich mir boten. Früher ging es mir natürlich auch darum, gutes Geld zu verdienen. Das hat sich inzwischen etwas geändert – heute ist es mir wichtiger, meine Erfahrung weiterzugeben, andere gute Unternehmerpersönlichkeiten zu fördern und sie bei der Realisierung ihrer Ideen zu unterstützen.
Welche Vision steckt hinter Crealize?
Wir verstehen Crealize als Company Creator und People Developer. Wir wollen Unternehmerpersönlichkeiten nach vorn bringen, ihnen Mut zum Gründen machen und unseren Support geben. Dabei unterstützen wir nicht einfach nur mit Kapital, sondern geben den Gründern ein unternehmerisches Zuhause in unserem Family-Netzwerk. Wir supporten in unterschiedlichen Phasen der Gründung, helfen Unternehmensstrukturen aufzusetzen und gründen auch aus den eigenen Reihen. Ich will Leuten Mut machen, ihre Ideen in die Tat umzusetzen und etwas auszuprobieren – ohne Angst vorm Scheitern.
Denn aus meiner Sicht gibt es kein besseres Gründerland als Deutschland. Die Konsequenzen hierzulande sind vergleichsweise mild, auch wenn etwas mal nicht funktioniert. Mit Crealize wollen wir den Gründergeist in Deutschland fördern und insbesondere das Ruhrgebiet stärken. Ich fühle mich dieser Region und Menschen hier eng verbunden, sie haben mich damals aufgenommen und unterstützt. Von hier aus werden wir mit Crealize einen starken Gründerstandort etablieren und den Startup-Metropolen Berlin, Hamburg oder München das Wasser reichen. Natürlich werden wir mit unserem Crealize-Mindset über die Grenzen von Deutschland hinaus auch international unsere positiven Spuren hinterlassen.
Von der Idee bis zum Start, was waren bis jetzt die größten Herausforderungen und wie haben Sie sich finanziert?
Alle meine Erfahrungen und Learnings aus den Anfangsjahren, vor allem die aus den eigenen Gründungen, fließen bei Crealize ein. Und klar, es hat auch bei mir nicht immer alles funktioniert. Daraus lernt man viel. Deshalb ist es für mich jetzt der folgerichtige Schritt, anderen GründerInnen den Boden zu bereiten und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre eigenen unternehmerischen Ideen zu verwirklichen. Alle Crealize-Ventures sind bisher mit unserem eigenen Kapital finanziert worden. Das muss aber nicht so bleiben. Wir sind offen dafür, zukünftig auch mit anderen VCs oder Business Angels zusammen zu arbeiten.
Wer ist die Zielgruppe von Crealize?
Mit Crealize sind wir Anlaufstelle für alle GründerInnen, die ihre Ideen verwirklichen möchten. Wir setzen aber auch eigene Geschäftsideen um und gründen aus eigenen Reihen. Zudem beschäftigt mich das Thema Education. Mein Ziel ist es, Kinder bereits frühzeitig ab dem Kindergartenalter abzuholen und sie dem Crealize-Mindset folgend, zu selbständig denkenden, kritischen Persönlichkeiten mit Unternehmergeist ohne Angst vorm Scheitern auszubilden.
Wie funktioniert Crealize? Wo liegen die Vorteile? Was unterscheidet Sie von anderen Anbietern?
Ich würde sagen, Crealize agiert im Vergleich zu klassischen Investoren eher unkonventionell. Wir verstehen uns als Family-Netzwerk, das meiner Ansicht nach die beste Unternehmensstruktur ist. Denn eine Familie hält zusammen, verzeiht sich viel und doch gibt es klare Regeln im Umgang miteinander. Wer zu uns kommt, erhält also nicht nur Kapital, sondern wird Teil der Crealize Familie. Entscheidend bei der Auswahl unserer Projekte ist vor allem die Gründerpersönlichkeit und deren Moral, denn die kann man im Unterschied zu unternehmerischen Fähigkeiten nicht erlernen.
Wie hat sich ihr Unternehmen mit Corona verändert?
Natürlich verändert Corona auf kurze und lange Sicht alles. Gleich als der Ausbruch des Virus in Asien bekannt wurde, war mir klar, wir laufen auf eine nie dagewesene Wirtschaftskrise zu. Wir haben bereits in der ersten Woche des hiesigen Lockdowns Mitte März alle ins Homeoffice geschickt und die Prozesse auf digital umgestellt – ohne Kompromisse. Unsere Ventures haben wir gebeten, Businesspläne für das „worst case” Szenario aufzustellen vor der Idee, dass alle Aktivitäten bis Jahresende ruhen müssen und kein Geld verdient werden kann. Es hat sich gezeigt, dass alle Gründungen bis Ende des Jahres durchhalten, auch wenn die Einnahmen komplett wegfallen. Das war zunächst erstmal beruhigend und wichtig, um notfalls gegensteuern zu können.
Wie haben Sie sich darauf eingestellt und welche Änderungen haben Sie vorgenommen?
Die Betroffenheit durch Corona bei unseren Ventures war sehr unterschiedlich. Wellnest ist als individuelles Spa-Konzept, was eigentlich Corona-approved ist, natürlich auch geschlossen worden. Es gibt bisher nur eine Filiale, deshalb sind die Auswirkungen überschaubar. Mitte Juni konnten wir schon wieder eröffnen und die Buchungen kommen jetzt wieder zurück. Bei den E-Commerce-Ventures lief das Geschäft wie gewohnt weiter oder hat in der Krise sogar zugelegt, wie etwa bei YT. Hier erlebten wir einen deutlichen Zuwachs bei den Verkaufszahlen, weil sich viele Leute in der Corona-Zeit mit dem Fahrrad sportlich betätigen wollen.
Den Basketball- und Streetwear-Retailer KICKZ.com haben wir mit der Play Hard Group erst kürzlich von Zalando übernommen. Hier hatten wir im Retail natürlich Verluste, weil alle Shops geschlossen waren. Online konnten wir aber einen Großteil der verlorenen Umsätze generieren. Das war ganz okay. Die MitarbeiterInnen bei Wellnest und Kickz.com haben wir in Kurzarbeit geschickt und auf 100 Prozent die Gehälter aufgestockt, so dass die Leute privat nicht in wirtschaftliche Not kommen. Alle anderen Ventures liefen normal weiter, wir hatten also Glück.
Wo sehen Sie in der Krise die Chance?
Die Krise hat uns zumindest gezeigt, dass wir kapitalseitig ganz gut aufgestellt sind. Das Immobiliensegment beispielsweise, wo wir mit FC REAL estate und einer kleinen Mannschaft Projektentwicklung betreiben, ist krisenfest und war gar nicht betroffen. Crealize ist mit seinem Portfolio breit aufgestellt und in verschiedenen Branchen aktiv, das ist gerade in krisenhaften Situationen eine gute Strategie, die wir auch zukünftig beibehalten werden.
Crealize, wo geht der Weg hin? Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?
In fünf Jahren möchten wir auf noch mehr erfolgreiche Startups und GründerInnen blicken, die wir in die Crealize Familie einbinden. Wir unterstützen Ideen aus den eigenen Reihen und sehen MitarbeiterInnen, die wir auf ihrem Weg zu erfolgreichen Geschäftsleuten begleiten können. Unsere bestehenden Ventures werden skalieren und auch in Europa und international erfolgreich sein. Ich bin sehr gespannt, welche Businessideen an uns herangetragen werden – wir sind für verschiedene Branchen offen. Auch die Idee zur Crealize Academy für GründerInnen wird in fünf Jahren hoffentlich schon Formen angenommen haben und Realität geworden sein.
Zum Schluss: Welche 3 Tipps würden Sie angehenden Gründern mit auf den Weg geben?
Erster und wichtigster Tipp ist: Einfach machen! Ich habe sehr viele Menschen mit guten Geschäftsideen kennengelernt, aber viele haben sich einfach nicht getraut, sie umzusetzen. Deshalb mein Rat: Trau dich, deinen Traum umzusetzen und hab keine Angst vorm Scheitern. Das ist mir natürlich auch schon passiert, denn nicht immer funktioniert jede Idee. Aber wenn man es nicht ausprobiert hat, kann man auch nicht wissen, ob es doch zu Erfolg geführt hätte. Das ist auch einer der Gründe, weshalb ich Crealize gegründet habe. Wir möchten GründerInnen beim Geschäftsaufbau unterstützen und ihnen die Angst davor nehmen.
Zweiter Tipp: Geld nicht als Hauptmotiv sehen. Bei der Unternehmensgründung sollte Geld oder das Ziel des Reichtums nie im Fokus stehen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass finanzieller Erfolg eher wie eine logische oder natürliche Konsequenz für die passionierte Arbeit ist. Dabei sollten junge Gründer nicht ungeduldig werden. Es ist wichtig Ausdauer zu zeigen und dran zu bleiben. Und nicht zu schnell aufgeben, auch wenn es mal Rückschläge gibt.
Dritter wichtiger Tipp:
Kompetenzen reinholen. Als GründerIn muss man von Anfang an verstehen, dass man selbst nicht alles wissen und machen kann. Niemand bringt Kompetenzen für jeden Geschäftsbereich mit, jeder hat seine Stärken und Schwächen. So war es auch bei mir. Mir war immer klar, dass Zahlen nicht mein Ding sind, und so habe ich mir Leute reingeholt, die diesen Bereich für mich gemanagt haben. So konnte ich mich auf meine Kernkompetenzen konzentrieren. Ich sehe mich vor allem als Netzwerker und Strategen. Jede*r GründerIn sollte sich frühzeitig klar machen, wo ihre bzw. seine Stärken liegen und sich darauf fokussieren. Für die anderen Bereiche darf man Unterstützung reinholen und ganz wichtig, Hilfe annehmen.
Weitere Informationen finden Sie hier
Wir bedanken uns bei Jacob Fatih für das Interview
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder