F-50 bietet eine digitale Plattform zur Prävention und Unterstützung bei Essstörungen und wurde als eines von 80 Startups für die Auszeichnung Kultur- und Kreativpilot*innen Deutschland 2024/25 nominiert, was ihre innovative Arbeit und ihren gesellschaftlichen Beitrag würdigt
Caroline, kannst du uns F-50 kurz vorstellen und erzählen, was euch persönlich dazu motiviert hat, dieses Unternehmen zu gründen?
F-50 ist ein digitaler Begleiter für die Prävention und Heilungsweg von Essstörungen. Unsere Motivation kommt aus persönlichen Erfahrungen: Claudia und Caro kämpften jahrelang mit einer Essstörung, Yeray mit Körperwahrnehmungsproblemen während seines Coming-outs. Wir erkannten den Bedarf für eine zugängliche, individuelle Lösung. F-50 bietet das, was wir uns selbst gewünscht hätten – eine 24/7 verfügbare Plattform, die sich an individuellen Bedürfnissen orientiert. Unser Kernstück ist das Buddy-Programm: Ehemalige Betroffene begleiten andere im Genesungsprozess, was authentische Unterstützung ermöglicht. Wir zielen auf Heilung, Prävention und gesellschaftliches Bewusstsein für Essstörungen. Unser Ziel ist ein positiver Wandel im Umgang mit Essstörungen und zu zeigen, dass Betroffene nicht allein sind.
F-50 ist als eines von 80 Startups für die Auszeichnung Kultur- und Kreativpilot*innen Deutschland 2024/25 nominiert. Was bedeutet diese Anerkennung für Sie und Ihr Team?
Diese Nominierung bestätigt unsere Leidenschaft und unseren Einsatz. Sie gibt uns die nötige Sichtbarkeit und das Vertrauen, um auf dem deutschen Markt innovativ zu sein. Für unser Team ist es ein Zeichen, dass unser Engagement Früchte trägt. Es motiviert uns, weiterzumachen und unsere Vision mit noch größerer Überzeugung zu verfolgen. Wir sind entschlossen, eine entscheidende Veränderung in der Behandlung von Essstörungen zu erreichen.
Was ist die Vision von F-50, und wie möchten Sie mit Ihrem Ansatz den Umgang mit Essstörungen in der Gesellschaft verändern?
F-50 setzt sich für ein tiefgreifendes Verständnis und eine umfassende Bewältigung von Essstörungen ein. Unsere Vision basiert auf der Erkenntnis, dass Essstörungen komplexe psychische Erkrankungen sind, die weit über bloße Ernährungsprobleme hinausgehen. Sie manifestieren sich in vielfältigen Formen wie Anorexie, Bulimie, Binge-Eating oder weniger bekannten Ausprägungen wie Orthorexie und Diabulimie. Jede Form hat ihre eigenen Merkmale, aber alle teilen ein gemeinsames Fundament: eine tiefgreifende Störung des Selbstbildes und der Beziehung zum eigenen Körper, oft begleitet von Ängsten, Zwängen und sozialer Isolation. Unser Ziel ist es, diese Vielschichtigkeit von Essstörungen in der Gesellschaft bekannt zu machen und Mythen abzubauen.
Wir streben danach, Prävention zu stärken, schnelle Hilfe anzubieten und Rückfälle zu reduzieren. Durch sofortige, niedrigschwellige Unterstützung überbrücken wir kritische Wartezeiten auf professionelle Behandlung und verhindern so eine Verschlechterung des Gesundheitszustands Betroffener. Mit unserem Podcast und gezielten Aufklärungskampagnen arbeiten wir aktiv daran, Essstörungen zu entstigmatisieren und einen offenen gesellschaftlichen Dialog zu fördern. Langfristig setzen wir uns für mehr Ressourcen in Behandlung und Forschung ein, um Betroffenen den Weg zu nachhaltiger Genesung zu ebnen. F-50 steht für eine Gesellschaft, in der Essstörungen in ihrer ganzen Komplexität verstanden, effektiv behandelt und letztendlich verhindert werden können. Wir glauben an eine Zukunft, in der jeder Mensch eine gesunde Beziehung zu seinem Körper und seiner Ernährung entwickeln kann.
Mit Ihrem Angebot sprechen Sie Menschen mit Essstörungen direkt an. Wie stellen Sie sicher, dass die Bedürfnisse und Erwartungen dieser Zielgruppe erfüllt werden?
Unser Ansatz basiert auf drei Säulen: Erfahrung, Forschung und Feedback. Wir bringen unsere eigenen Erfahrungen ein, führen eine Machbarkeitsstudie durch und haben einen stetigen Feedbackprozess mit Nutzern und Experten. Diese Kombination ermöglicht es uns, unser Angebot präzise auf die Bedürfnisse der Betroffenen zuzuschneiden. Unser Ziel ist es, ein Produkt zu schaffen, das wirklich einen Unterschied im Leben der Betroffenen macht.
Welche Herausforderungen sind Ihnen bei der Gründung von F-50 begegnet, und wie haben Sie und Ihr Team diese bewältigt?
Die größte Herausforderung war und ist die Finanzierung. Für das, was wir aufbauen, brauchen wir Ressourcen wie die Entwicklung einer App und die Zertifizierung als Medizinprodukt. Der Weg ist wirklich steinig und lang. Glaubt mir, man möchte oft einfach kapitulieren, besonders in unserem deutschen Regulierungssystem und dem Umgang mit Krankenkassen. Es werden einem so viele Steine in den Weg gelegt, wenn man innovativ sein will. Aber wir geben nicht auf – wir werden kämpfen, bis wir unser Ziel erreicht haben.
F-50 bietet maßgeschneiderte und evidenzbasierte Unterstützung für Betroffene. Was macht Ihr Angebot einzigartig im Vergleich zu anderen Hilfsangeboten im Bereich Essstörungen?
F-50 unterscheidet sich dadurch, dass wir der einzige spezialisierte Anbieter in Deutschland sind, der sich ausschließlich auf Essstörungen konzentriert. Unsere Kombination aus digitaler Unterstützung und menschlicher Nähe ist einzigartig. Betroffene erhalten nicht nur Zugang zu psychologischer Beratung, sondern auch zu Peer-Support von Menschen, die selbst betroffen waren. Diese Verbindung von professioneller Expertise und persönlicher Erfahrung auf Augenhöhe macht unser Angebot besonders.
Wie wird sich F-50 Ihrer Meinung nach in den nächsten fünf Jahren entwickeln, und welche neuen Angebote oder Erweiterungen planen Sie?
F-50 strebt in den nächsten fünf Jahren an, sich als führender Anbieter digitaler Therapien für Essstörungen zu etablieren. Unser Weg dorthin führt über Partnerschaften mit Krankenkassen, um Kostenerstattungen zu ermöglichen und mehr Betroffene zu erreichen. Wir werden unser Angebot um zielgruppenspezifische Kurse erweitern, insbesondere für Männer und Jugendliche, und unsere Dienste international ausbauen. Unser Podcast „Süß und Essgestört“ soll zur Leitstimme im Bereich Essstörungen werden. Parallel dazu planen wir Kooperationen mit Unternehmen, um F-50 als Mitarbeiter-Benefit zu positionieren. Im Bereich der Technologie erforschen wir innovative Lösungen, einschließlich möglicher KI-Anwendungen, zur Verbesserung unserer Unterstützungsangebote. Zudem steht der Aufbau einer sicheren Online-Community für Peer-Support auf unserer Agenda. Mit diesen Maßnahmen zielen wir darauf ab, F-50 als Branchenstandard zu etablieren, messbar zur Reduzierung von Essstörungen beizutragen und den gesellschaftlichen Diskurs über dieses Thema zu einem offeneren, verständnisvolleren Umgang zu führen.
Der Einsatz generativer KI zur Individualisierung Ihrer Programme ist ein spannender Ansatz. Können Sie uns mehr über die geplante Integration dieser Technologie erzählen?
Wir befinden uns aktuell in der Erforschungsphase, wie KI genutzt werden kann, um unsere Programme noch gezielter auf die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen abzustimmen. Unser Ziel ist es, mithilfe dieser Technologie personalisierte Behandlungspläne zu entwickeln, die sich genau an die spezifischen Herausforderungen und Verhaltensmuster jedes Einzelnen anpassen. So wollen wir sicherstellen, dass unsere Programme optimal auf die Anforderungen der langfristigen Genesung abgestimmt sind.
Neben Ihrem B2C-Angebot planen Sie auch Verträge mit Krankenkassen. Wie wird dieser Schritt Ihrer Meinung nach den Zugang zu Ihren Angeboten verbessern?
Die Zusammenarbeit mit Krankenkassen ist entscheidend, um unser Angebot für mehr Menschen zugänglich zu machen. Wir möchten die finanzielle Hürde für Betroffene senken, sodass sie unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Situation Zugang zu qualitativ hochwertiger Unterstützung haben. Ein Erstattungsmodell durch die Krankenkassen wird hier einen großen Unterschied machen.
Welchen Rat würden Sie anderen Gründer*innen geben, die ebenfalls ein Unternehmen mit einer starken sozialen Mission gründen möchten?
Mein Rat ist: Bleibt immer bei eurer Mission und bleibt euch selbst treu. Gerade in Bereichen mit sozialer Mission wird der Weg oft steinig sein. Es ist wichtig, ein starkes Team um sich zu haben, das die gleiche Leidenschaft teilt. Und auch wenn es schwierig wird – gebt nicht auf! Nutzt Netzwerke und Programme wie das der Kreativpiloten, die extrem wertvoll sein können, um euch weiterzubringen und neue Perspektiven zu gewinnen.
Wie profitieren Sie von dem Mentoring-Programm und dem Kreativpilot*innen-Netzwerk, und welche Chancen sehen Sie darin für die Weiterentwicklung von F-50?
Die Initiative der Kreativpilot*innen bietet uns als Impact Startup nicht nur Sichtbarkeit, sondern auch Zugang zu einem wertvollen Netzwerk. Das Mentoring hilft uns, unsere Vision zu schärfen und wichtige Partnerschaften zu knüpfen. Diese Unterstützung ist entscheidend, um unsere Ziele schneller zu erreichen. Sichtbarkeit ist gerade am Anfang enorm wichtig. Die hohe Nachfrage nach unserem Podcast und unserer Machbarkeitsstudie zeigt, wie groß der Bedarf ist. Das Programm hilft uns, Aufmerksamkeit zu bekommen und Kunden zu gewinnen.
Ihr Team setzt sich aus Personen mit persönlicher und akademischer Erfahrung im Umgang mit Essstörungen zusammen. Wie wichtig ist diese Mischung für die Qualität und Authentizität Ihrer Angebote?
Die Kombination aus persönlicher Erfahrung und akademischer Expertise ist für uns von zentraler Bedeutung. Unsere persönlichen Erfahrungen ermöglichen es uns, authentische, einfühlsame Unterstützung anzubieten und die Betroffenen wirklich zu verstehen. Gleichzeitig sorgt die wissenschaftliche Expertise dafür, dass unsere Programme fundiert, wirksam und auf den neuesten Erkenntnissen basieren. Diese Balance aus Empathie und Fachwissen ist der Kern unseres Angebots und stellt die hohe Qualität und Authentizität sicher, auf die wir großen Wert legen.
Wir bedanken uns bei Caroline Thiel für das Interview
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.