Mit dem Professional Mode will Facebook persönliche Profile zur Einnahmequelle machen – doch Zugang, Reichweite und Sichtbarkeit bleiben schwer kalkulierbar
Facebook hat mit dem Professional Mode eine Monetarisierungsfunktion eingeführt, die klassische Profile in Creator-Accounts verwandelt. Reels-Boni, Werbung, Abonnements und virtuelle Geschenke sollen neue Anreize schaffen – insbesondere für Einzelpersonen, die Inhalte professionell erstellen und diese wirtschaftlich nutzen wollen.
Während der Modus in den USA bereits breitflächig mit großem Erfolg eingesetzt wird, ist er in Deutschland kaum präsent – weder bei den Creators noch in Agenturen oder Marketingstrategien. Es geht dabei längst nicht mehr nur um reine technische Funktionen, sondern entscheidend ist eine andere Frage: Was darf auf der Plattform sichtbar sein und was nicht?
Dieser Artikel zeigt, warum Facebooks Professional Mode bislang unterschätzt wird und wie Unternehmen, Creators und Content-Anbieter mit der Kombination aus Plattformlogik und Monetarisierungsfunktionen ungenutzte Potenziale ausschöpfen können.
Von der Plattform zur Einnahmequelle: Facebooks neues Selbstverständnis
Plattformen wie TikTok, YouTube und Instagram haben gezeigt, dass man nicht nur Inhalte, sondern auch die Infrastruktur dahinter zum Geschäftsmodell entwickeln kann. Wer Reichweite aufbaut, kann daraus direkt Einnahmen generieren, sei es über Werbung, Kooperationen oder eigene Angebote. Die so genannte Creator Economy basiert auf genau dieser Logik, dass sich Reichweite in Einnahmen umwandeln lässt.
Facebooks „Professional Mode“, eingeführt 2021, ist daher ein Versuch, in diesen Markt einzusteigen – zwar spät, aber strategisch. Das Ziel besteht darin, private Profile in professionell nutzbare Accounts zu überführen und damit neue Monetarisierungsmodelle zu erschließen.
Facebooks Monetarisierungsmodelle: Ein Mix aus bewährten Strategien
Mit dem „Professional Mode“ bündelt Meta verschiedene Monetarisierungsansätze, die sich auf anderen Plattformen bereits bewährt haben: Bonuszahlungen für Reels nach TikTok-Vorbild, In-Stream-Werbung ähnlich wie bei YouTube, Bezahlabos wie bei Patreon und digitale Geschenke („Stars“), bekannt von Twitch.
Das klingt nach einem flexiblen Ertragsmodell – nicht nur für klassische Influencer, sondern auch für Coaches, Selbstständige oder Kreative, die bereits eine Community aufgebaut haben. Entscheidend ist allerdings, ob der Zugang zu den Funktionen freigeschaltet ist und ob sie strategisch sinnvoll eingesetzt werden. Oder wie Creator-Strategin Joëlle Fröhlich es treffend formuliert: „Die Creator Economy ist ein Business-Modell – kein kreativer Freiraum. Wer erfolgreich sein will, muss Plattformlogiken verstehen und bedienen.“
Einblicke in die Praxis: So wird aus einem Profil ein Creator-Tool
Der Professional Mode wandelt ein privates Facebook-Profil in ein Creator-Profil mit einer erweiterten Analyse- und Monetarisierungsfunktionen um. Internationale Beispiele wie Drex Lee oder LadBaby zeigen, dass sich über Reels, Livestreams und Bonusprogramme relevante Reichweiten und Einnahmen erzielen lassen. Meta selbst nennt im Zusammenhang mit dem Reels Play Bonus Program potenzielle Einnahmen von bis zu 35.000 US-Dollar monatlich.
Diese Beträge gelten allerdings nur für eine klar begrenzte, vorab ausgewählte Creator-Gruppe. Realistische Erfahrungswerte – aus der Praxis und von Creator-Plattformen – sprechen von 1.000 bis 1.200 US-Dollar monatlich bei regelmäßigem Content und hoher Aktivität. Zusätzliche Einnahmen stammen aus digitalen „Stars“ (1 Cent pro Star), Abonnements im Bereich von 4,99 bis 19,99 US-Dollar sowie Werbeerträgen, die stark von Reichweite und Zielgruppeninteraktion abhängig sind.
Hohes Potenzial, aber auch hohe Intransparenz
Trotz der angebotenen Funktionen bleibt die Monetarisierung auf Facebook schwer durchschaubar. Einige Tools, wie etwa Bonusprogramme, stehen lediglich in ausgewählten Regionen zur Verfügung oder lassen sich nur auf Einladung von Facebook freigeschalten. Selbst Creators mit hoher Reichweite oder starkem Community-Engagement berichten immer wieder, dass ihnen der Zugang verwehrt bleibt. In Reddit-Beiträgen wird regelmäßig deutlich: Wer den Professional Mode aktiv nutzen will, stößt schnell an Grenzen – wann und warum bestimmte Funktionen aktiviert werden, bleibt den Usern unklar.
Meta verrät weder, nach welchen Kriterien der Zugang vergeben wird, noch wann oder wie man ihn bekommt. Für professionell arbeitende Creators stellt das ein strukturelles Problem dar, denn strategische Planung wird dadurch erschwert oder schier unmöglich. Für Agenturen oder Marken, die Creator-Kampagnen langfristig aufsetzen wollen, fehlen zentrale Planungsgrundlagen.
Dieses Spannungsverhältnis zwischen technischer Monetarisierung und inhaltlicher Einschränkung zieht sich durch alle Erfahrungsberichte, insbesondere bei Inhalten, die emotional, körpernah oder visuell stark inszeniert sind.
Zwischen Nähe und Regelwerk: Eine Plattform mit Widersprüchen
Facebook setzt in seinen Community Standards klare Grenzen: Inhalte sollen markensicher bleiben. Nacktheit, körperbetonte Darstellungen sowie sexuelle Anspielungen sind mit Blick auf Werbekunden und die öffentliche Wahrnehmung streng reguliert. Zugleich zielt der Professional Mode jedoch genau auf jene Mechanismen, die Nähe, Persönlichkeit und Community-Bindung fördern.
In der Umsetzung zeigt sich ein deutliches Ungleichgewicht. Inhalte, die Nähe herstellen – beispielsweise durch persönliche Geschichten, körperbetonte Inszenierungen oder bestimmte ästhetische Codes – verlieren plötzlich an Sichtbarkeit, obwohl sie nicht gegen die offiziellen Richtlinien verstoßen. Creator berichten von deaktivierten Funktionen, zurückgestuften Beiträgen oder unerklärlichem Reichweitenverlust. Hiervon betroffen sind nicht nur sexualisierte Inhalte, sondern auch bestimmte Hashtags, Bildsprachen oder Formulierungen, die vom System offenbar als „sensibel“ bewertet werden, ohne dass die Kriterien nachvollziehbar sind.
In den USA hat sich daraus ein pragmatischer Umgang entwickelt. Der Professional Mode dient dort seltener der Monetarisierung auf Facebook selbst, sondern wird gezielt als Reichweiteninstrument innerhalb einer plattformübergreifenden Strategie eingesetzt mit dem Ziel, Nutzer:innen auf externe Angebote wie Patreon oder OnlyFans zu lenken.
Was dabei jedoch auffällig ist, ist die Tatsache, dass die Plattform mit ähnlichen Inhalten nicht immer gleich umgeht.
Es gibt Profile, die stark mit erotischer Selbstinszenierung arbeiten – teils sogar mit KI-generierten Bildern – und trotzdem hohe Reichweiten erzielen. Solange die Interaktionen stimmen, scheint dies toleriert zu werden. Andere, kleinere Accounts mit ähnlichem Content wiederum, die weniger Sichtbarkeit aufweisen, berichten hingegen von Sperrungen oder Einschränkungen. Die Performance scheint mehr zu zählen als die Einhaltung der Regeln.
In einschlägigen Creator-Foren ist genau das ein wiederkehrendes Thema. Ein Nutzer bringt es auf Reddit so auf den Punkt: „Facebook is still one of the best traffic sources for adult creators – if you know how to play it safe.“
Für Creator und Marken entsteht dadurch ein Umfeld, das schwer einzuschätzen ist. Es gibt zwar Regeln, ihre Anwendung ist jedoch unklar. Sichtbarkeit ist möglich, aber nicht planbar. Monetarisierung wird angeboten, aber nicht verlässlich für alle gleichermaßen umgesetzt. Diese Unsicherheiten machen strategische Entscheidungen unnötig kompliziert.
Ein unterschätztes Spielfeld für beratende Formate
In Deutschland wird das Potenzial des Professional Mode bisher kaum ausgeschöpft. Mit rund 46,6 Millionen monatlich aktiven Nutzer:innen – das entspricht etwa 57 % der Gesamtbevölkerung – ist Facebook nach wie vor eine der reichweitenstärksten Plattformen in Deutschland. Rund 36 % dieser Nutzer:innen sind über 35 Jahre alt, also genau jene Zielgruppe, für die beratungsnahe Formate besonders relevant sind.
Aktuellen Erhebungen zufolge nutzen über 70 % der über 35-Jährigen Facebook regelmäßig – das macht den Professional Mode gerade für erklärungsintensive Inhalte besonders interessant. Ein Blick auf die Profile deutscher Coaches zeigt: Viele nutzen noch Privatprofile oder Business Pages, aber kaum jemand den Professional Mode. Dabei bleibt Facebook – trotz rückläufiger Nutzung in jungen Zielgruppen – für Menschen ab 35+ relevant. Genau in dieser Altersgruppe liegt jedoch das Potenzial für beratende Inhalte, komplexe Erklärformate oder die Verbindung aus Expertise und Community.
TikTok fokussiert Trends, Reaktion und Unterhaltung, wohingegen sich LinkedIn auf Positionierung, Networking und berufliche Sichtbarkeit spezialisiert. Facebook könnte sich als eine Plattform für Formate dazwischen positionieren: informativ, zugänglich, mit dauerhaftem Interesse statt kurzfristigem Hype (s. Tabelle). Das setzt allerdings voraus, dass auch beratende Inhalte unterstützt werden, sowohl algorithmisch als auch funktional. Bislang fehlt es hier jedoch an gezielter Ansprache durch Meta sowie an der Integration in Weiterbildungs- oder Medienstrategien von Kommunikationsverantwortlichen.

Zwischen TikTok und LinkedIn ist noch Platz – und Facebook könnte ihn füllen
Facebook stellt mit dem Professional Mode verschiedene Monetarisierungsfunktionen bereit, angefangen von Bonuszahlungen über Abonnements bis hin zu einem eigenen Analyse-Dashboard. Auf dem Papier lassen sich damit Community-Aufbau, Sichtbarkeit und Einnahmen miteinander verknüpfen. In der Umsetzung bleibt aber vieles unklar. Wer den Modus nutzen darf, nach welchen Kriterien der Zugang vergeben wird und welche Zielgruppen damit eigentlich angesprochen werden sollen, ist nicht transparent.
Auch in der Kommunikationsbranche wird das Thema bislang kaum aufgegriffen. Dabei steckt genau hier Potenzial – sowohl für Creator, die Facebook gezielt in ihre Plattformstrategie integrieren möchten, als auch für Marken, die langfristig auf Communitybindung statt kurzfristiger Reichweite setzen.

Fotografin Andrea Heinsohn
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