Kaum ein Stichwort fällt in der letzten Zeit so häufig, wie „Homeoffice“. Durch Beschränkungen für die Alltagsgeschäfte in Büros wurden zahllose Jobs an den heimischen Schreibtisch verlagert – in vielen Fällen auch unfreiwillig.
Doch dieser Ruck in der Arbeitswelt hat viele Lernprozesse angestoßen, die es sonst nicht gegeben hätte und viele Unternehmen konnten dadurch wichtige Schlüsse ziehen. Insgesamt können Betriebe aus dieser Situation viel Positives mitnehmen und einen in vielen Fällen längst überfälligen Schritt genauer in Erwägung ziehen.
Aus der herausfordernden Situation kann sich also etwas Gutes ergeben und Unternehmen können sich die nun gemachten Erfahrungen im weiteren Verlauf zu Nutze machen. So können die Lektionen aus der plötzlichen Einführung von weit verbreiteter Homeoffice-Arbeit zu einer Stärke werden.
Remote Work als Notlösung
Dank Maßnahmen zur Abstandseinhaltung mussten Unternehmen in manchen Branchen – Gastgewerbe voran – vollständig schließen, während viele andere wiederum aus gesundheitlichen Gründen ihre Belegschaft nach Hause schicken mussten.
Damit es dennoch weitergeht und die Wirtschaft nicht stillsteht, kam es zu einem plötzlichen Schritt, den viele Arbeitnehmer so vielleicht nicht erwartet hätten: Auch in Betrieben, in denen bis vor Kurzem nur die Präsenzarbeit im firmeneigenen Büro möglich war, wurden die Arbeitskräfte nun ins Homeoffice geschickt, um von dort aus den täglichen Aufgaben weiter nachzukommen.
Das war in den allermeisten Fällen sehr spontan und sollte vermutlich nur eine Übergangslösung sein, doch dürfte sich letztendlich als deutlich mehr erweisen. Wie neu dieses Thema tatsächlich für viele war und wie viele Fragen darum aufkamen, dürfte ein Blick auf den Interessensverlauf auf Google zu den relevanten Stichwörtern deutlich machen. Anfang März 2020 war das Homeoffice plötzlich in aller Munde, mehrere Wochen und Monate danach war #homeoffice in den Twitter-Trends für Deutschland zu finden.
Doch nicht nur für die Belegschaft ist dies eine neue Herausforderung – auch für Unternehmen bringt diese plötzliche Situation viel Neues. Das sind jedoch nicht nur Hürden, sondern häufig ein Schritt in die richtige Richtung.
Der Grundsatz: Mitarbeiter gehen vor
Im Rahmen des Personalmanagements ist hier ein Grundsatz noch einmal klar geworden. Das Wohl und die Sicherheit der Mitarbeiter sollten im Vordergrund stehen – wenn dies gewährleistet ist, kommt der Rest ganz von selbst, insbesondere gute und verlässliche Arbeit.
Viele der Sorgen, die Unternehmer auf diesem Gebiet eventuell hatten, haben sich in den meisten Fällen in Luft aufgelöst. Für Betriebe gilt, dass ihre Angestellten häufig loyaler sind, als das vielleicht vermutet wurde – was auch zusätzlich neue Erkenntnisse auf dem Gebiet der internen Loyalität und Mitarbeiterbindung gebracht hat.
Aus der Sicht der Human Resources hat sich außerdem eindeutig herauskristallisiert, dass die entsprechenden IT-Kompetenzen für die selbstständige Remote Work ein sehr wichtiger Faktor sind – aber gleichzeitig, dass man in vielen Situationen den Mitarbeitern eben dies durchaus zutrauen kann.
Katalysator für die Digitalisierung
Ein zunehmender Fokus auf digitale Fortbildungen dürfte dennoch in einigen Unternehmen ebenfalls offensichtlich geworden sein. Spätestens durch diese Situation, in der Betriebe dazu gezwungen waren, auf digitale Hilfsmittel zu setzen, um das Geschäft aufrechtzuerhalten, wird klar: Es führt kein Weg an der Digitalisierung mehr vorbei.
Je mehr Marktbegleiter im Nachhinein bei digitalen Lösungen und der Möglichkeit zum durchgehenden Homeoffice bleiben, desto größer wird auch der Druck auf jedes einzelne Unternehmen, damit Schritt zu halten. Sowohl um weiterhin als attraktiver Arbeitgeber aufzutreten, als auch mit effizienter arbeitenden Konkurrenten mithalten zu können, wird dies nun schlagartig wichtiger.
Wie unter anderem der Bericht des Digitalisierungsindexes für das Jahr 2019/2020 wiederholt gezeigt hat, gab und gibt es weiterhin noch eine große Zahl an Unternehmen insbesondere in bestimmten Branchen, die beim Digitalisierungsgrad zurückbleiben. Und das, obwohl die positiven Auswirkungen durchgeführter Digitalisierungsmaßnahmen von fast allen erkannt werden (siehe Seite 11 des Berichtes).
Mut zu Innovation

Eine Haupterkenntnis, die ziemlich flächendeckend verlautet wurde: Homeoffice funktioniert sehr gut, in vielen Fällen deutlich besser als befürchtet. In vielen Fällen haben die Arbeitnehmer sogar gespürt, dass ohne Ablenkungen durch Mitarbeiter in einem größeren Büro sogar die Konzentrationsfähigkeit gestiegen ist.
Wie auch mit anderen Themen rund um die Digitalisierung und Modernisierung in der Arbeitswelt war es grundsätzlich nichts Neues, dass die Möglichkeit zur Heimarbeit ein wichtiges Thema und mit vielen Vorteilen verbunden ist. In vielen Unternehmen scheiterte die Durchführung aber von Beginn an daran, dass die Umstellung als zu schwierig, unpassend zum Geschäftsmodell oder mit zu vielen Risiken behaftet angesehen wurde.
Doch bei den meisten Betrieben ist dieser Wechsel mehr als glimpflich verlaufen, obwohl – oder gerade weil – langjährig etablierte Geschäftsprozesse damit angefochten werden. Das zeigt wieder: In diesen Zeiten des Umbruchs ist der Ausspruch „never change a running system” keinen Cent wert.
Wer nicht mit der Zeit geht, verpasst Trends und wird überholt. Modernisierung und Innovation lohnen sich immer, auch wenn sie mit einem gewissen Aufwand verbunden sind. Dabei handelt es sich nicht gerade um neue Weisheiten, doch die Situation hat wieder gezeigt, wie unproblematisch Veränderungen sein können, wenn der Schritt erst einmal gegangen wird.
Chance zur Optimierung von Prozessen
Insbesondere in Agenturen und ähnlichen von Teamarbeit abhängigen Unternehmen hat die Erschwerung der internen Kommunikation vielerorts dazu geführt, dass neue technische Möglichkeiten zum Projektmanagement und zur Koordination eingeführt wurden.
Ewige, sich wiederholende Meetings sind nun plötzlich mit mehr Aufwand verbunden, weshalb sie im Optimalfall einem Streamlining-Prozess unterzogen wurden – sie werden nur dann noch einberufen, wenn sie wirklich nötig sind und die Tagesordnungspunkte werden effizienter abgehandelt.
Wenn es um die Realisierung der Arbeitsprozesse an sich am Remote-Arbeitsplatz geht, besteht natürlich vielerorts noch Nachbesserungsbedarf, da die Organisation meistens wenig optimiert implementiert wurde und viele umständliche Lösungen nutzt.
Im Idealfall erkennen Unternehmen nun aber, wo die Potentiale liegen und werfen einen Blick auf die IT-Branche, die derartige Arbeitsmodelle schon seit längerer Zeit erfolgreich nutzt und mit einem Fokus auf Cloud- und Webtools sehr praktische Lösungen gefunden hat. Diese sind optimalerweise von Grund auf in die Prozesse eingebunden, so dass sie sowohl im Büro als auch von Zuhause aus genau gleich genutzt werden können.
Viele Unternehmen haben somit hoffentlich gelernt, dass Eintrittshürden zu meistern sind und wie viele Potentiale sich durch eine etwas umfassendere Beschäftigung mit einer Remote-Infrastruktur ausschöpfen lassen. Insbesondere die technische Umsetzung, um die gleichen Arbeitsschritte ohne Probleme von überall aus durchführbar zu machen, erfordert einen etwas tieferen Einblick in die Möglichkeiten der Business Continuity.
Zoom Zoom
Zur Kommunikation im und aus dem Homeoffice haben sich Video-Konferenzprogramme innerhalb kürzester Zeit weltweit etabliert. Was zuvor in vielen Unternehmen kaum eine Rolle spielte, ist nun schlagartig absoluter Standard geworden.

Auch für Geschäftsreisen hat dies möglicherweise große Auswirkungen – zwar ist es nicht ganz so persönlich, doch ein Meeting über Zoom oder ähnliche Konferenztools ist deutlich günstiger, als Mitarbeiter im Auto oder gar Flugzeug auf die Reise zu schicken. Auch im Bezug auf den CO2-Abdruck und das Thema Corporate Social Responsibility dürfte dies für viele sehr interessant sein.
Zusätzlich dürfte dies auf lange Sicht eine riesige Chance für Recruiter und Personaler sein. Je eher die Arbeit selbst digital von zuhause aus erledigt werden kann, desto einfacher ist es, Bewerber aus einem größeren Einzugsgebiet für das eigene Unternehmen zu gewinnen.
Wenn noch dazu Vorstellungsrunden über solche Videogespräche durchgeführt werden, erweitert sich der Bewerberkreis enorm, was insbesondere die Einstellung spezialisierter Fachkräfte in vielen Bereichen deutlich vereinfacht – das E-Recruiting ist ein wichtiger Aspekt der Personalbeschaffung heute.
Somit ist es also durchaus wichtig, die aktuellen Lektionen nicht nur auf das Kerngeschäft zu beziehen, sondern auch auf weitere Glieder des Unternehmens zu übertragen. Ohnehin ist es wichtig, die gesamte Unternehmensorganisation bei den Veränderungen mit einzubeziehen, sonst kann es im Alltag zu Konflikten kommen, wenn vereinzelte Prozesse teilweise auf die „alte Art“ durchgeführt werden müssen.
Titelbild: Adobe Stock stock.adobe.com @fizkes
Autor: Marianne Schwarz
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