Freitag, April 19, 2024
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Gewöhne Dich an ständige neue Situationen!

INVENTORUM: iPad-Kassensystem für den Einzelhandel

Stellen Sie sich und das Startup INVENTORUM doch kurz unseren Lesern vor!
Wie ist die Idee zu INVENTORUM entstanden und wie haben Sie sich als Gründerteam zusammengefunden?
Ich komme aus einer Einzelhandelsfamilie und habe mich zehn Jahre lang mit Unternehmenssoftware beschäftigt. Nachdem ich 2012 nach 16 Jahren in den USA nach Deutschland zurückkehrte, habe ich bei einem Gespräch mit einem Manager aus dem Marktplatzbereich festgestellt, dass die Koordinierung der Warenbestände stationärer Händler mit deren Beständen im Webshop oder Marktplätzen nie synchron war und daher das Problem der Doppelverkäufe vermehrt auftrat.

Als ich dann in etwa 30 Geschäfte gegangen bin, um das Problem zu verifizieren, hatte ich gleich zehn Vorbestellungen für meine Idee. Da war mir klar, dass der Markt dafür da ist. Und gemeinsam mit Michael Brehm habe ich dann einen bekannten Angel Investor kennengelernt, der meine Vision teilte und wir konnten auch den HTGF überzeugen, in ein Produkt zu investieren, das den Handel bei der Digitalisierung voranbringt.

Von der Idee bis zum Start was waren bis jetzt die größten Herausforderungen und wie haben Sie sich finanziert?
Die größte Herausforderung ist und bleibt, die richtigen Leute zu finden, um zum richtigen Zeitpunkt das Richtige abzuliefern. Das hat meist nichts mit den Persönlichkeiten selbst zu tun, sondern einfach mit dem sich ständig ändernden Anforderungen und der Notwendigkeit, sehr schnell wahnsinnig viel Verantwortung zu übernehmen. Daran mangelt es leider allgemein im Bildungs- und Ausbildungswesen, daher hat der Hochschulabschluss nicht unbedingt etwas mit erfolgreichem Handeln zu tun.

Als zweite größte Hürde ist natürlich die Finanzierung zu sehen. In Deutschland wird immer noch zu viel auf kurzfristige Gewinnausrichtung bei neuen Technologien gesetzt. Da kann man sich nicht viele Experimente oder Umwege leisten, das geht zu Kosten der Innovation. Dass der HTGF, eine Mischung aus deutscher Regierung und Großindustrie, der größte deutsche Seedinvestor ist, sagt alles. Zum Glück hat uns dieser Investor aus der Taufe gehoben.

Wer ist die Zielgruppe von INVENTORUM?
Wir sprechen primär den lokalen, inhabergeführten Einzelhandel an. Davon gibt es in Deutschland ca. 465.000, in Europa etwa 5,3 Millionen. Dort schlummern viele tolle Produkte, oft näher und günstiger am Endkunden als das Amazon Lager. Das wollen wir nutzen und auch die Innenstädte weiter als wichtige soziale Elemente unserer Gesellschaft am Leben erhalten. Ich habe 16 Jahre in den USA gelebt und dort gesehen, wie die Einkaufszentren am Rande der Stadt den Innenstädten den Garaus gemacht haben und damit der Niedergang der Innenstädte einherging. Heute sind es interessanterweise die kleinen Geschäfte der nicht so betuchten Künstler und Händler, die die Renaissance des Zentrums verantworten.

Wie funktioniert INVENTORUM?
Die Kernelemente des All-in-One-Systems sind die Warenwirtschaft, eine Kundenverwaltung und die vorbereitende Buchhaltung. Das sind die wichtigsten Elemente, um Waren zu kaufen und verkaufen und somit den Handel abzubilden. Darauf aufbauend kann man sich jetzt entscheiden, über welche Kanäle die Produkte verkauft werden sollen. Am offensichtlichsten ist dabei die Kasse, welche direkt in das System integriert ist und man vom einfachen Taschenrechner für Barzahlung, zur Kartenzahlung oder Kauf auf Rechnung den Kunden bedienen kann. Gleichzeitig ist aber auch ein Onlineshop in die Lösung integriert. Bestellungen aus dem Onlineshop tauchen direkt in der Kasse auf und werden in Echtzeit in den Kernelementen synchronisiert. Weitere Erweiterungen wird es dann zu lokalen Marktplätzen und weitere Portalen geben.
Das Ganze wird als Software-as-a-Service (SaaS) über den Browser oder ein iPad geliefert, so dass der Anwender keine komplizierte Software installieren oder warten muss.

Welche Vorteile bietet INVENTORUM?
Der wohl größte Vorteil für den Geschäftsinhaber ist die Zeitersparnis und zentrale Erfassung der relevanten Daten aus dem Geschäft zu finanzamtkonformen Vorgaben. Es ist nicht mehr nötig manuelle Eingaben zu machen, Zahlen für die Buchhaltung zusammenzutragen oder Online und Offline abzugleichen. Der Kunde erhält alle relevanten Zahlungsmöglichkeiten und nachhaltig das Gefühl in einem zeitgemäßen Geschäft zu sein, welches zusätzlich flexible Möglichkeiten der Abholung sowie Bestellung bereithält. Für die gute Beratung ist natürlich das Verkaufspersonal allein verantwortlich.

Für den Nutzer fällt die leichte Bedienung und das schnelle Erlernen der einzelnen Funktionen ohne großen Trainingsaufwand auf. Jeder, der selbst schon einmal eine traditionelle Registrierkasse benutzt hat, weiß fünf Minuten nach der Schulung schon nicht mehr, welche Funktion sich hinter den kryptischen Knöpfen befindet. In die Zukunft gedacht ist das Wichtigste aber die Modularität und Erweiterbarkeit der Plattform. Wer hätte vor fünf Jahren gedacht, dass Facebook einmal ein wichtiger Kanal für Einzelhändler wird, um dort Kunden abzuholen oder gar dort zu verkaufen. Das heißt wir wissen auch nicht, was in fünf Jahren relevant sein wird. Aber unsere flexible Plattform bietet als Cockpit die Möglichkeit, auf neue Anforderungen zu reagieren, ohne alles auswechseln zu müssen. Das ist der Vorteil einer SaaS-Lösung, welche nach neuesten Programmiertechnologien entwickelt wurde und zudem unabhängig vom Endgerät ist. Das heißt, die Browser- oder iPad-Version basieren auf der gleichen Logik.

Wie ist das Feedback?
Vor drei Jahren waren wir dem Kunden meilenweit voraus und viele Funktionalitäten hinter der Kasse waren nett, aber nicht nötig. Dafür waren die Kunden von der Einfachheit der Anwendung begeistert. Heute sind die Ansprüche der Kunden gewachsen und wir müssen zusehen, den Veränderungen im Markt und den Ansprüchen der Kunden gerecht zu werden. Dafür entwickeln wir gerade die neue Generation unserer Plattform und haben aus den ersten Tests klasse Feedback erhalten.

INVENTORUM, wo geht der Weg hin? Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?
Das ist die Millionen-Euro-Frage. Zuallererst wollen wir mit dem lokalen Einzelhandel eine Erweiterung zu den Zentrallagern der großen Versandportale bieten. Nach unserer Schätzung müssten sich auf deutschen Einzelhandelsregalen drei- bis viermal so viele Produkte befinden wie bei Amazon. Dieses Potential muss ausgeschöpft werden und vielleicht sogar in Zusammenarbeit mit den Großen, denn schließlich gehen Kunden trotz aller Negativbekundungen dorthin. Bei den Standardprodukten ist der Zug wohl schon Richtung Amazon abgefahren, aber beim besonderen Sortiment, guter Beratung und vor allen Dingen über die geografische Nähe zum Kunden können Einzelhändler nach wie vor punkten. Wir wollen dort als „Enabler“ für die Händler fungieren und über unser Cockpit deren Geschäftsabläufe managen und Anbindungen an digitale Prozesse ermöglichen.

Zum Schluss: Welche 3 Tipps würden Sie angehenden Gründern mit auf den Weg geben?
Punkt 1: Hire slow, Fire fast. Die richtigen Leute zu finden, braucht Zeit und oft lässt man sich wegen niedrigen Gehaltswünschen oder Investorendruck doch zu einem Kompromiss ein. Das zahlt man später doppelt, gerade in Deutschland, wo Kündigungen nicht einfach sind. Auch ich mit all meiner Erfahrung mache ich immer wieder diesen Fehler.

Punkt 2: Bleibe Deiner Vision treu. Wenn man die erste Fundingrunde bekommen hat, dann hat schließlich jemand darauf investiert. Versuche, der Versuchung zu widerstehen, wegen Gewinndruck oder kurzfristig strategischen Gründen zu sehr davon abzuweichen. Dazu gehören auch die vielen Kunden- und Partnerwünsche.

Punkt 3: Gewöhne Dich an ständige neue Situationen. 20 Jahre Erfahrung bedeuten wenig in diesem Umfeld, außer dass man eine dickere Haut bekommt. Nimm die Meinungen jüngerer und Außenstehender ernst und sei offen, deine Meinung von gestern über den Haufen zu werfen. Man läuft dann zwar Gefahr als orientierungslos abgestempelt zu werden, aber lieber eine Kurve fahren als geradeaus die Klippe hinunter.

Bild: © Max Threlfall

Weitere Informationen finden Sie hier

Wir bedanken uns bei Christoph Brem für das Interview

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.

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