Konstanze Neumann von news-polygraph spricht im Interview mit StartupValley über TrustTech, Desinformation und ihre Teilnahme als Speakerin auf der MediaTech Hub Conference
Frau Neumann, Sie haben mit delphai ein erfolgreiches KI-Startup aufgebaut und in die USA verkauft. Welche Erfahrungen und Learnings aus diesem Weg prägen heute Ihre Arbeit?
Konstanze Neumann: Die Jahre mit delphai haben mir gezeigt, wie wichtig Geschwindigkeit und Kundennähe sind. In der Produktentwicklung ist es wichtig Hypothesen schnell zu testen, Prioritäten zu setzen und früh aus Kundenfeedback zu lernen. Wie ein Startup zu denken, prägt mein Handeln bis heute: iterativ, experimentierfreudig und ergebnisorientiert.
Welche Faktoren waren entscheidend für den erfolgreichen Exit, und welche Tipps würden Sie Gründerinnen und Gründern in der KI-Szene mitgeben?
Konstanze Neumann: Unser Exit war das Resultat konsequenter Arbeit über Jahre: ein starkes und diverses Team aufbauen, ein klar differenziertes Produkt entwickeln und wiederkehrende Umsätze generieren. Entscheidend war auch die Fähigkeit, eine gemeinsame Vision für Käufer zu entwickeln und überzeugend zu kommunizieren. Gründer:innen rate ich, früh international zu denken und trotz Unsicherheiten Entscheidungen schnell zu treffen.
Heute verantworten Sie die Business Model Strategy im EU-Forschungsprojekt news-polygraph. Worin liegt der besondere Ansatz dieses Projekts?
News-polygraph verbindet neueste KI-Forschung mit praxisnaher Umsetzung: Wir entwickeln multimodale und erklärbare KI, die Desinformation in Text, Bild, Audio und Video erkennt. Von Beginn an denken wir Geschäftsmodelle mit, sodass sich die Ergebnisse nahtlos in bestehende Lösungen integrieren lassen und dauerhaft Wirkung entfalten können.
Wie genau erkennt news-polygraph Desinformation in Texten, Bildern, Audio- und Videoinhalten, und wo liegen die größten technischen Herausforderungen?
Konstanze Neumann: Wir kombinieren Natural Language Processing, Computer Vision und Audio/Video-Analyse. Die größte Herausforderung liegt in der Dynamik: Desinformation ändert sich ständig, neue Formate entstehen, Deepfakes werden raffinierter. Wir müssen also Lösungen bauen, die sich kontinuierlich anpassen lassen.
Welche Rolle kann Künstliche Intelligenz im Kampf gegen Desinformation realistisch spielen – und wo stoßen die Technologien an ihre Grenzen?
Konstanze Neumann: KI ist unverzichtbar, um riesige Datenmengen zu durchforsten und Muster zu erkennen. Aber Technologie allein reicht nicht. Journalistische Bewertungen bleiben zentral. KI kann Indikatoren liefern — die letztliche Einordnung braucht menschliche Expertise.
Deepfakes werden zunehmend ausgefeilter und schwerer zu erkennen. Welche Ansätze sehen Sie derzeit, um diesem Problem wirksam zu begegnen?
Konstanze Neumann: Neben klassischer Bild- und Audioforensik setzen wir auf sogenannte Provenance-Lösungen, also Nachweise über die Herkunft von Inhalten. Ebenso wichtig sind Standards wie C2PA, die die Integrität von Medien entlang der gesamten Wertschöpfungskette sichern.
Wie wichtig ist es, dass technische Lösungen zur Desinformationsbekämpfung auch für Redaktionen und die breite Öffentlichkeit transparent und verständlich bleiben?
Nur wenn Redaktionen und Öffentlichkeit verstehen, wie ein Modell arbeitet und wo es Unsicherheiten gibt, entsteht Vertrauen. Darum legen wir Wert auf erklärbare KI und offene Schnittstellen, damit unsere Ergebnisse nachvollziehbar bleiben.
Inwiefern können Projekte wie news-polygraph dazu beitragen, das Vertrauen in Medienlandschaften zu stärken?
Konstanze Neumann: Indem wir Falschinformationen schneller erkennen und deren Verbreitung eindämmen, stärken wir die Glaubwürdigkeit seriöser Quellen. Gleichzeitig schaffen wir neue Werkzeuge, die Journalist:innen bei der Recherche unterstützen und so den Qualitätsjournalismus fördern.
Welche Rolle spielen europäische Initiativen gegenüber der dominanten Tech-Infrastruktur aus den USA und China?
Konstanze Neumann: Europa hat mit strengen Datenschutzstandards und Projekten wie GAIA-X die Chance, eine Gegenposition zu den USA und China aufzubauen. News-polygraph zeigt, dass wir exzellente Forschung und verantwortungsvolle Geschäftsmodelle kombinieren können.
Wie lassen sich Forschung und marktorientierte Umsetzung besser verzahnen, damit solche Technologien nicht im Labor verharren, sondern im Alltag Wirkung entfalten?
Konstanze Neumann: Wichtig ist, Forschung und Umsetzung von Beginn an zusammenzudenken. Förderprogramme sollten zudem mehr Mittel für den Schritt von der Prototypentwicklung in die Markteinführung sowie die anschließende Skalierungsphase vorsehen.
Wenn Sie den Blick nach vorn richten: Welche technologischen Durchbrüche halten Sie für entscheidend, um Desinformation künftig wirkungsvoll einzudämmen?
Konstanze Neumann: Ich sehe großes Potenzial in multimodalen Modellen, die Text, Bild, Audio und Video gleichzeitig analysieren können, sowie in Methoden zur automatisierten Herkunftsprüfung. Auch bessere Werkzeuge für Explainable AI werden entscheidend sein, um Vertrauen zu schaffen.
Zum Abschluss: Welchen Rat würden Sie jungen Gründerinnen und Gründern geben, die wie Sie mit KI-Technologien international erfolgreich werden wollen?
Konstanze Neumann: Setzt früh auf ein internationales Netzwerk, baut ein starkes Team auf und denkt eure Technologie aus Nutzersicht. Wachstumsfinanzierung ist wichtig, aber nachhaltiger Produkt-Market-Fit ist entscheidend. Und: Haltet an eurer Vision fest, auch wenn der Weg dorthin nicht linear verläuft.
Wer Konstanze Neumann live erleben möchte: Am Mittwoch tritt sie auf der MediaTech Hub Conference als Speakerin zum Thema TrustTech auf.
Bildcredits Konstanze Neumann
Wir bedanken uns bei Konstanze Neumann für das Interview
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder