Mädchenflohmarkt Plattform für Secondhand Mode mit Concierge Service
Stellen Sie sich und das Startup Mädchenflohmarkt doch kurz unseren Lesern vor!
Mädchenflohmarkt haben Peter Ambrozy, Thorsten Lückemeier und ich 2012 gemeinsam in Stuttgart gegründet. Heute gehören wir mit einem zweistelligen Millionenumsatz, mehr als 1,5 Millionen Nutzer:innen und knapp 1 Million Artikeln im Sortiment zu den führenden Secondhand-Plattformen Deutschlands.
Warum haben Sie sich entschlossen ein Unternehmen zu gründen?
Zuerst war tatsächlich mein Gründungswunsch da, erst dann kam die eigentliche Idee. Selbst zu gründen war schon lange ein Traum von mir, mein Vater ist Unternehmer und ein großes Vorbild für mich. Ich habe aber schnell gemerkt, dass „nur“ von außen dabei zu sein oder es selbst zu tun zwei völlig unterschiedliche Dinge sind – dennoch wusste ich, dass ich mir ein sehr selbstbestimmtes Berufsleben wünsche und niemals irgendwo fest angestellt sein möchte.
Der Entschluss selbst zu gründen fiel am Ende meines Masterstudiums, als mich ein Kommilitone mit zu einer „Entrepreneurship Week“ mitgenommen hat und ich zum ersten Mal Gründer:innen getroffen habe, die alle eine Vision hatten und etwas bewirken wollten – und nicht wie für BWLer üblich primär über ihre Karriereplanung und Themen wie Jobsicherheit gesprochen haben. Da entschied ich, dass das die Art von Menschen ist, mit denen ich mich umgeben möchte. Kurz darauf bewarb ich mich gezielt bei einigen Start-ups, um Erfahrungen zu sammeln und zu lernen wie Gründungen funktionieren. Bereits zwei Monate später arbeitete ich gemeinsam mit meinen Co-Gründern Peter und Thorsten an der Idee zu Mädchenflohmarkt.
Was war bei der Gründung von Mädchenflohmarkt die größte Herausforderung?
Für mich persönlich waren die ersten sechs Monate die härtesten, da meine beiden Co-Gründer noch an ihr vorheriges Unternehmen gebunden waren und ich Mädchenflohmarkt operativ nahezu alleine aufbauen musste. Ich war 23 und hatte das Gefühl, eigentlich keine Ahnung von dem zu haben, was ich da tue. Die Mädchenflohmarkt-Plattform war zu dem Zeitpunkt eigentlich nur ein „Proof of Concept“ – und noch weit weg von einem Prototypen oder etwas, das man als Betaversion bezeichnen könnte. Ich musste also innerhalb kürzester Zeit ein Unternehmen gründen, Prozesse einführen und eine funktionierende Plattform programmieren lassen – und irgendwie alles zusammenhalten. So zehrend es auch war – was mich in dieser Zeit unglaublich motiviert hat weiterzumachen, waren die täglichen Anrufe der Kundinnen, um uns einfach zu sagen, dass sie uns toll finden.
Kann man mit einer Idee starten, wenn noch nicht alles perfekt ist?
Ich denke in den allerwenigsten Fällen ist schon alles perfekt, wenn man startet. Mir fällt tatsächlich kein Geschäftsmodell ein, das beim ersten Versuch gleich einen Volltreffer im Sinne „Product-Market-Fit“ gelandet hat. Im Gegenteil: Die meisten pivotieren ein oder mehrere Male. Und das Nachjustieren hört ja nie auf – wer besser werden will, muss stetig an sich arbeiten und den Status quo hinterfragen.
Ich glaube übrigens auch, dass das passende Team immer wichtiger ist, als die eigentliche Idee. Ein gutes Team findet immer eine Lösung, wenn die ursprüngliche Idee nicht funktioniert. Es ist also besser, früh und mit wenig Einsatz von Mitteln zu starten, erstes Feedback von Freund:innen, Familie und potenziellen Kund:innen einzuholen und darauf dann das Produkt aufzubauen, als zu lange auf den perfekten Moment zu warten.
Welche Vision steckt hinter Mädchenflohmarkt?
Secondhand soll sich als eine Selbstverständlichkeit für jede Frau etablieren und zu einem nachhaltigeren Lebensstil inspirieren. Das erreichen wir, wenn wir bereits beim Erstkauf abwägen, was später mit dem Kleidungsstück passieren soll, also in Zirkularität denken. Wir möchten mit MF das Verkaufen und Kaufen von Second Hand convenient und gleichzeitig bedeutsam gestalten. Das erreichen wir nur gemeinsam als gesamte Secondhand-Industrie.
Wenn ich mir die Zahlen unserer aktuellen Appinio-Umfrage anschaue, bin ich sehr zuversichtlich, dass wir auf genau dem richtigen Weg sind: Knapp jede:r vierte Deutsche will 2021 mehr Secondhand-Mode kaufen, als in den Vorjahren. Von denen, die bereits Secondhand-Shopper:innen sind, möchten zukünftig ganze 28,1 Prozent mehr Secondhand-Mode kaufen – bei den 18- bis 24-Jährigen sind es sogar 40,7 Prozent. Und wer Secondhand-Mode kauft, tut dies sehr häufig, weil es nachhaltiger und besser für die Umwelt ist (48,7 Prozent).
Wer ist die Zielgruppe vom Mädchenflohmarkt?
Vor allem sind Frauen zwischen 25 und 35 Jahren unsere Zielgruppe – tatsächlich ist das auch genau die Altersgruppe, die dem Thema Secondhand-Mode besonders offen gegenüber steht. Über 60 Prozent von ihnen haben bereits Secondhand gekauft und über 70 Prozent haben schon gebrauchte Kleidung verkauft.
Wie funktioniert der Mädchenflohmarkt?
Verkäufer:innen bei Mädchenflohmarkt können ihre Artikel entweder selbst einstellen oder aber den sogenannten Concierge Service nutzen, bei dem das Mädchenflohmarkt-Team die komplette Abwicklung übernimmt. Die Kund:innen schicken uns dazu einfach ihre Artikel und das Team übernimmt die gesamte Abwicklung: Prüfung von Qualität und Echtheit, Produktbeschreibung, Fotos, Lagerung, Zahlungsabwicklung und Versand. Diese Option lohnt sich vor allem ab zehn Teilen, es fallen 40 Prozent des Verkaufspreises bzw. mindestens 9,90 Euro als Provision an. Wer weniger Artikel verkaufen möchte und diese selbst einstellt, zahlt 10 Prozent des Verkaufspreises als Provision.
Was unterscheidet Sie von anderen Anbietern?
Der Concierge Service ist definitiv etwas besonderes, gerade wenn man „Wardrobe Detox“ macht und viele Artikel auf einmal verkaufen möchte – aber das Ganze mit möglichst wenig Aufwand. Was ebenfalls sehr gut ankommt, sind die digitalen Kleiderschränke von bekannten Persönlichkeiten, zum Beispiel den Influencerinnen Leonie Hanne, Lisa Banholzer von Blogger Bazaar oder der Musikerin Jennifer Weist (Jennifer Rostock). Vor kurzem ist außerdem ein absolutes Herzensprojekt live gegangen: unsere Soforthilfe-Aktion für lokale Secondhand-Boutiquen, die bei uns kostenlos ihre Produkte verkaufen können.
Wie hat sich ihr Unternehmen mit Corona verändert?
Beschleunigt durch ein stetig steigendes Bewusstsein für nachhaltigeren Konsum und die anhaltende Corona-Krise, wurde 2020 mehr Secondhand-Mode ver- und gekauft als je zuvor. Und wenn wir uns die optimistischen Prognosen von internationalen Marktforschungsinstituten ansehen, stehen der gesamten Branche spannende Zeiten bevor. Seit April 2020 stellten Verkäufer:innen bei Mädchenflohmarkt im Vergleich zum Vorjahr 23 Prozent mehr Artikel zum Verkauf ein, was zu einem Gesamtwachstum von über 50 Prozent führte. Für 2021 erwarten wir ein Umsatzplus zwischen 60 und 80 Prozent. Was uns aber fehlt, ist der fehlende soziale Austausch mit Kolleg:innen. Und die vielen spontanen Ideen und Funken, die manchmal überspringen, wenn man Gespräche im Büro führt.
Wie haben Sie sich darauf eingestellt und welche Änderungen haben Sie vorgenommen?
Eine unserer ersten Reaktionen war die Einführung eines „Remote Guides“ für das Homeoffice. Auch wenn natürlich alle, bei denen es möglich ist, von zuhause aus arbeiten können, haben wir einen freiwilligen Team-Day, an dem ein Team ins Office kommen darf, um sozialen Austausch zu haben. Dienstag ist beispielsweise Marketing-Tag und Donnerstag ist Support-Team-Tag.
Wo sehen Sie in der Krise die Chance?
Die größte Chance in dieser Krise aus Sicht eines digitalen Technologieunternehmens ist, dass die Digitalisierung stärker voranschreitet und viele Verhaltensänderungen vermutlich auch nach der Krise bestehen bleiben. Diese aber sind schwer zu antizipieren, weil alle Veränderungen gerade im privaten und nicht im öffentlichen Raum stattfinden. Es wird sich also erst danach zeigen, wie die Pandemie uns alle verändert hat.
Mädchenflohmarkt, wo geht der Weg hin? Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?
Getreu unserer Vision – wir wollen Secondhand zu einer Selbstverständlichkeit in den Kleiderschränken machen. Dazu müssen wir das Thema in den Fokus einer noch breiteren Zielgruppe rücken. Das schaffen wir unter anderem mit den richtigen Partnerschaften, wie beispielsweise unserer Zusammenarbeit mit About You im Rahmen der ihrer „Second Love“-Rubrik. Denn nur, wenn alle Player der Branche zusammenarbeiten, schaffen wir einen ökologischen Impact – und das mit gleichzeitig kommerziellem Erfolg. In fünf Jahren wollen wir genau das erreicht haben.
Zum Schluss: Welche 3 Tipps würden Sie angehenden Gründerinnen mit auf den Weg geben?
Ich habe aus unzähligen Gesprächen mit gründungsinteressierten Frauen den Eindruck erlangt, dass die meisten sich selbst im Weg stehen. Sie denken, dass ihre Produkte perfekt sein müssen und wollen vorher alles erst genau durchplanen. Daher meine Tipps:
„Einfach machen, anfangen, loslegen!“ – unsere ehemalige Mitarbeiterin Denise Haverkamp, die letztes Jahr Finance, Baby! gegründet hat, nennt es: „Start before you are ready!“ Und damit hat sie absolut recht.
Du musst zu Beginn nicht gleich „All in“ gehen, baue deinen „Proof of concept“ in deiner Freizeit, hol dir Feedback von Freund:innen, Familie und Early-Adoptern. Wenn es funktioniert, hast du den Spielraum zu entscheiden, ob es ein „side hussle“ bleibt oder du nun bereit bist, deinen Job für Deine Gründung zu kündigen.
Suche dir Verbündete und Unterstützer:innen! Der Support unter den weiblichen Gründerinnen ist sehr groß. Schreibt mir, wenn ich dir oder euch helfen kann! Aber genauso wichtig ist es, sich mit der gesamten Branche zu vernetzen, denn spätestens, wenn es um die Finanzierung mit Wagniskapital gehen sollte (was nicht für alle Businessmodelle die geeignete Wahl ist), hilft es auf ein Netzwerk zurückgreifen zu können. Der oftmals schwierige Zugang zu Wagniskapital ist vermutlich der größte Nachteil, den man leider noch als Gründerin hat. Zum Glück findet aber auch hier ein Umdenken statt.
Wir bedanken uns bei Maria Spilka für das Interview
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder