Marvelous investiert gezielt in Deep-Tech-Hardware, um den Klimawandel zu bekämpfen – Gründer Philipp Buddemeier hat sich den Interviewfragen von StartupValley gestellt
Marvelous investiert gezielt in Deep-Tech Hardware, um den Klimawandel zu bekämpfen. Wie kam die Idee für diesen Fokus auf und was hat Sie persönlich dazu bewogen, diesen Weg zu gehen?
Mich treibt seit über 20 Jahren die Frage um, wie wir eine Welt schaffen, die innerhalb der planetaren Grenzen zum Wohle Aller floriert. Dafür benötigen wir jedoch Forschungsdurchbrüche in der physischen Welt, um die Kernbausteine unserer Wirtschaft neu zu erfinden. KI und digitale Tools sind wichtig, aber sie binden kein CO₂ oder transformieren heutige Abfallstoffe in die Bausteine einer emissions- und abfallfreien Zukunftswirtschaft.
Die Vision von Marvelous ist, Europas nächste Innovationswelle voranzutreiben. Was genau muss passieren, damit das gelingt, und wie sehen Sie die Rolle von Marvelous in diesem Prozess?
Europa ist gut in der Forschung, aber schlecht in der Kommerzialisierung. Um die nächste Innovationswelle voranzutreiben, unterstützen wir die Skalierung von wissenschaftsbasierten Lösungen. Es geht darum, CO₂ und Abfallströme aus Bestandsindustrien zu nutzen. Wir wollen auf Basis neuer Materialien und Wertstromkaskadierung die emissionsfreien und zirkulären Industrien der Zukunft aufzubauen – insbesondere mit Fokus auf Bau, Landwirtschaft und Schwerindustrie. Das unterstützen wir als Investor und mit einem Hands-on-Ansatz. Das heißt, dass wir Startups und Entscheider aus der Industrie zusammenbringen, beispielsweise um Pilotprojekte und später Offtake-Agreements zu vereinbaren.
Ihre erste Investition ging an Nanoplume, ein Startup, das eine nachhaltige Alternative zu herkömmlicher Gebäudeisolierung entwickelt. Was hat Sie bei diesem Unternehmen besonders überzeugt und welche Kriterien müssen Startups erfüllen, um eine Investition von Marvelous zu erhalten?
Nanoplume ist ein gutes Beispiel für unseren Investment-Ansatz. Uns hat vor allem die technologische Innovation und der Impact bei der Material- und CO₂-Reduktion überzeugt: eine 300 % bessere Isolierung im Vergleich zu traditionellen Dämm-Materialien ermöglicht ultradünne Wände, neue Einsatzmöglichkeiten und erhebliche Energieeinsparungen in Gebäuden. Nanoplume nutzt zellolusebasierte Abfallstoffe, um ein biobasiertes Aerogel herzustellen.
Wenn man überlegt, dass der Immobiliensektor einen Anteil von über einem Drittel der weltweiten CO₂-Emissionen hat, macht das einen enormen Unterschied. Auch sonst bringt Nanoplume alles mit, was uns bei Investments wichtig ist: ein wissenschaftsbasierter Durchbruch, ein starkes Team mit Expertise und Leidenschaft sowie ein skalierbares Geschäftsmodell.
Das Geschäftsmodell von Marvelous zielt darauf ab, Nachhaltigkeit und Profitabilität zu verbinden. Wie genau stellen Sie sicher, dass diese beiden Aspekte Hand in Hand gehen?
DeepTech-Lösungen in unseren Fokusbereichen der resourcen- und energieintensiven Sektoren bringen genau dieses doppelte Potenzial: Nachhaltigkeitswirkung und Profitabilität. Hier gilt: je erfolgreicher die Unternehmen sich entwickeln, desto größer der Nachhaltigkeitsbeitrag.
Unsere Investment-Entscheidung berücksichtigt neben einer klassischen kommerziellen Due Diligence eine Impact-DD, die wir mit unserer eigenen Bewertungsmethodik den Positivbeitrag messbar macht. Unser Impact-Anspruch ist 10x für den Planeten und wir sehen das Potenzial für eine signifikante Wertsteigerung des eingesetzten Kapitals für unsere Investoren.
Wichtig ist unser Hands-on-Investment-Ansatz. Wir sind überzeugt, dass die operative Beteiligung vielfältiger Teams aus Unternehmen, Industriepartner und Wissenschaft die Basis dafür ist, dass DeepTech Startups wirklich marktfähige Lösungen entwickeln können.
Welche spezifischen Herausforderungen begegnen Ihnen bei der Investition in DeepTech -Hardware und wie begegnen Sie diesen?
DeepTech Startups werden meist von exzellenten Wissenschaftlern gegründet. Aber Marktzugang und Kommerzialisierung brauchen vielfältigste Fähigkeiten und Voraussetzungen. Forschungsdurchbrüche in Markterfolg zu übersetzen, ist eine immense Herausforderung. Startups mit Entscheidern in Unternehmen zu vernetzen ist ein wichtiger Erfolgsbaustein. Genau hierbei unterstützt unser Catalyst.
Er ist neben unserem VC-Fund ein separates Vehikel, dass dabei hilft, zwischen Forschungsinstituten, DeepTech-Gründer:innen und Industrieunternehmen Brücken zu bauen. Durch die Zusammenarbeit mit führenden Unternehmen der Branchen, in die wir investieren, loten wir Marktchancen aus und validieren Konzepte. Dabei helfen wir unseren Portfolio-Unternehmen beim Marktzugang mit Kontakten, der Anbahnung von Piloten und Offtake-Agreements.
Sie haben mit Better Earth und Marvelous gleich zwei Unternehmen gegründet, die sich mit nachhaltigen Themen beschäftigen. Gibt es Synergien zwischen den beiden Unternehmen und wie profitieren Sie von Ihrer langjährigen Erfahrung in der Nachhaltigkeitsberatung?
In über 20 Jahren Nachhaltigkeitsberatung habe ich erlebt, was Politik, Großunternehmen und Startups leisten können, wo die jeweiligen Grenzen liegen und wo Zusammenarbeit am meisten Sinn ergibt. Bei Better Earth habe ich mit Investoren eine Impact-Due-Diligence-Methodik entwickelt, die PE- und VC-Investoren nutzen und die jetzt bei Marvelous in die Impact-Bewertung einfließt. Zusätzlich helfen mir die Industriekontakte, um für unsere Portfolio-Unternehmen die Türen zu öffnen.
Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft sind die großen Themen unserer Zeit, aber auch ein hart umkämpfter Markt. Was macht Marvelous so einzigartig?
Wir setzen nicht auf kurzfristige Trends, sondern investieren in wissenschaftliche Durchbrüche mit dem Potenzial, die Industriegiganten der Zukunft hervorzubringen. Mit unserem Catalyst-Modell liefern wir eine klare Differenzierung und können den Kommerzialisierungsherausforderungen und der Komplexität bei DeepTech Hardware gerecht werden. Indem wir Kapital mit operativem Support und Zugang zu Industriepartnern verbinden, bauen wir die Brücken, die es braucht, um nachhaltige Transformation profitabel möglich zu machen.
Lassen Sie uns in die Zukunft blicken. Welche technologischen Entwicklungen in den Bereichen Advanced Materials, Waste Cascading und CCU halten Sie für besonders vielversprechend und wo sehen Sie Marvelous in fünf Jahren?
Der Druck für Veränderung ist wahnsinnig groß. Erodierende Naturkapazität und Extremwetterereignisse verteuern traditionelle landwirtschaftliche Erzeugnisse. Geopolitische Verwerfungen bedrohen Bezugsquellen und fragile Lieferketten. Und rasant skalierende Disruptor bedrohen Traditionsunternehmen.
In diesem Umfeld können durch Wertstromkaskadierung, die produktive Nutzung von CO₂ und neue Materialien neue Lösungen geschaffen werden, die ökologisch und ökonomisch heutigen Lösungen überlegen sind. Wir haben extreme Kostendegression bei erneuerbaren Energien und Batteriespeichern gesehen und wir werden erleben, wie die Skalierung der Lösungen, auf die wir setzen, genau dieser Dynamik folgen werden.
Ich bin überzeugt, dass die spannendsten Startups der nächsten Jahre keine Apps bauen, sondern neue Stoffkreisläufe oder alternative Materialien auf den Weg bringen. Insofern sehe ich sehr positiv in die Zukunft von Marvelous.
Sie sind nicht nur Gründer, sondern auch Speaker und Buchautor. Was sind die wichtigsten Botschaften, die Sie mit Ihrem Publikum teilen möchten?
Die Zukunftswirtschaft, die wir aufbauen, ist mit immensen Chancen verbunden! Wir müssen die Visionskraft und Schaffensfreude von Unternehmen und Gründer:innen teilen und Begeisterung für neue Lösungen zu drängenden Gegenwartsfragen schaffen.
Durch unsere exzellente Forschung in Europa haben wir das Wissen, um Kreisläufe zu schließen und neue Materialien für die Zukunftswirtschaft zu erfinden. Mit frischem Kapital und der Bereitschaft zur tatkräftigen Zusammenarbeit können wir eine lebenswerte Zukunft für uns und unsere Kinder aufbauen.
Welchen Ratschlag würden Sie jungen Gründerinnen und Gründern in der Frühphase mit auf den Weg geben?
Mit Blick auf Gründerinnen und Gründer rund um DeepTech: Verlasse dein Büro oder das Labor – und sprich so früh wie möglich mit deinen potenziellen Kundinnen und Kunden. In der digitalen Welt ist schnelles Marktfeedback längst Standard. Bei DeepTech und Hardware fehlt dieser Reflex oft. Viele Gründer:innen fühlen sich im Technologiemodus wohl, tüfteln an der perfekten Lösung – aber vermeiden den direkten Austausch mit der Zielgruppe. Dabei liegt genau dort der Schlüssel für den Markterfolg.
Bild: Philipp Buddemeier @ Marvelous
Wir bedanken uns bei Philipp Buddemeier für das Interview
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.