Sonntag, Dezember 10, 2023
StartRechtFortschritte bei der Besteuerung von Mitarbeiterbeteiligungen - aber kein großer Wurf

Fortschritte bei der Besteuerung von Mitarbeiterbeteiligungen – aber kein großer Wurf

Bereits im November 2022 hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner – als Reaktion auf einen Brandbrief mehrerer, wichtiger deutscher Start-Up Unternehmer – Neuregelungen zur Besteuerung von Mitarbeiterbeteiligungen im Zusammenhang mit einer Gesetzesinitiative zur Verbesserung der Standortbedingungen für Start-Ups angekündigt.

Mittlerweile liegt der Entwurf eines „Gesetzes zur Finanzierung von zukunftssichernden Investitionen (Zukunftsfinanzierungsgesetz – ZuFinG)“ vor, den das BMF gemeinsam mit dem BMJ vorbereitet hat. Das Gesetz befindet sich derzeit in der Ressortabstimmung; die steuerlich relevanten Vorschriften sollen am 1.1.2024 in Kraft treten.

Hintergründe und Ziele der Gesetzesinitiative

Zur Begründung der Maßnahmen wird angeführt, dass Deutschland angesichts der vielfältigen Herausforderungen durch Klimawandel, Energiewende und Digitalisierung Investitionen in beispiellosem Umfang benötige. Nur so könne unser Wohlstand gesichert und gleichzeitig Gesellschaft und Wirtschaft auf die neuen Herausforderungen eingestellt werden. Die Leistungsfähigkeit des deutschen Kapitalmarkts müsse daher gestärkt und die Attraktivität des deutschen Finanzplatzes als bedeutender Teil des europäischen Standorts verbessert werden. Insbesondere Start-Ups, Wachstumsunternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen als Treiber von Innovation solle der Zugang zum Kapitalmarkt und die Aufnahme von Eigenkapital erleichtert werden.

Der Gesetzesvorschlag verfolgt dafür einen umfassenden Ansatz: Neben Anpassungen finanzmarktrechtlicher Regelungen und der Weiterentwicklung des Gesellschaftsrechts sollen auch steuerliche Änderungen eingeführt werden. Letztere beschränken sich allerdings auf Regelungen zu Kapitalbeteiligungen durch Mitarbeiter. Durch verbesserte Rahmenbedingungen für die Mitarbeiterkapitalbeteiligungen soll es jungen Unternehmen erleichtert werden, Mitarbeiter zu gewinnen und sich im internationalen „war for talent“ zu behaupten.

Dafür soll die „dry income“-Problematik für die Arbeitnehmer weiter entschärft werden. Der Entwurf enthält dagegen keine Regelungen zu weiteren steuerlichen Problemstellungen, die sich z.B. bei Finanzierungsrunden, Restrukturierungen, Veräußerungen und Rückbeteiligungen ergeben. Hier bleibt es bei den schwierigen Fragen des Untergangs von Verlustvorträgen, der ungewollten Aufdeckung stiller Reserven und der vorgezogenen Besteuerung bei Managementbeteiligungen.

Erleichterter Zugang zur privilegierten Besteuerung

Der Entwurf des ZuFinG sieht vor, dass der steuerliche Freibetrag für Vermögensbeteiligungen, die zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Lohn gewährt werden, von EUR 1.440 auf EUR 5.000 steigen soll. Wird die Beteiligung innerhalb von drei Jahren nach ihrer Einräumung veräußert, erfolgt eine Nachversteuerung zum Abgeltungssteuersatz von 25% (zzgl. Solidaritätszuschlag und ggfs. Kirchensteuer). Bei Vermögensbeteiligungen, die den Freibetrag übersteigen und deren Gewährung demnach grundsätzlich als Lohneinkünfte voll steuerpflichtig ist, werden die Zugangsbeschränkungen zur nachgelagerten Versteuerung und damit zur Vermeidung der Besteuerung des „dry income“ gelockert: Waren die Vergünstigungen bisher auf Unternehmen mit 250 Mitarbeitern, einem Jahresumsatz von EUR 50 Millionen und einer Bilanzsumme von EUR 43 Millionen beschränkt, sollen die Kennzahlen nach der Rechtsänderung auf 500 Mitarbeiter, EUR 100 Millionen Jahresumsatz und EUR 86 Millionen Bilanzsumme erhöht werden.

Die Beteiligungen sollen zukünftig auch durch Mutter-, Tochter- oder Schwestergesellschaften des Arbeitgebers gewährt werden können, was offensichtlich einer praktischen Notwendigkeit entspricht. Die begünstigte Vermögensbeteiligung soll zukünftig durch Unternehmen innerhalb von 20 Jahren nach Gründung gewährt werden können, statt bisher 12 Jahre. Die finale, nachgelagerte Besteuerung soll gleichfalls nicht mehr nur um maximal 12 Jahre, sondern um 20 Jahre hinausgeschoben werden. Wie bisher soll das zuständige Finanzamt den Wert der gewährten und zunächst nicht besteuerten Vermögensbeteiligung im Rahmen einer Anrufungsauskunft bestätigen. Werden die Beteiligungen vor Ablauf der Frist veräußert oder das Anstellungsverhältnis beendet, dann erfolgt die Nachversteuerung wie bisher zu diesem Zeitpunkt.

Nach der Neuregelung soll die Möglichkeit der Pauschalbesteuerung mit einem Steuersatz von 25% (zzgl. Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer) bei Verkauf und Beendigung des Dienstverhältnisses geschaffen werden.

In diesem Fall übernimmt der Arbeitgeber die Versteuerung zusätzlich zu der eingeräumten Vermögensbeteiligung. Für Sachverhalte, bei denen die Besteuerung nach 20 Jahren erfolgen müsste, soll künftig keine Besteuerung mehr stattfinden müssen, wenn der Arbeitgeber sich unwiderruflich bereit erklärt, die Haftung für die einzubehaltende und abzuführende Lohnsteuer zu übernehmen. Eine entsprechende Regelung soll auch für Fälle geschaffen werden, in denen das Arbeitsverhältnis endet.

In diesen Situationen erfolgt die Nachversteuerung erst bei Verkauf der Beteiligung. Schließlich soll in „Leaver“ Fällen sichergestellt werden, dass bei der Besteuerung nur die tatsächlich an den Arbeitnehmer bei Verlassen des Unternehmens gezahlte Vergütung zugrunde gelegt wird (und nicht der im Zweifel höhere Verkehrswert).

Ausblick und weiteres Verbesserungspotenzial

Durch die geplanten Maßnahmen werden deutlich mehr Unternehmen die Möglichkeit erhalten, steuerlich begünstigte Vermögensbeteiligungen zu gewähren. Andererseits bleibt es, bis auf die Fälle der Pauschalbesteuerung, bei der Besteuerung mit den regulären Steuersätzen, die allerdings in die Zukunft verschoben wird. Wertsteigerungen unterliegen wie bisher der Abgeltungssteuer (25% zzgl. Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer). Allerdings erscheint fraglich, ob die Compliance Anforderungen insbesondere von Start-Up Unternehmen tatsächlich erfüllt werden können.

Keine Vorschläge enthält der Entwurf des ZuFinG zu weiteren steuerlichen Themen, die insbesondere bei Start-Ups regelmäßig auftreten: Was geschieht mit steuerlichen Verlustvorträgen? Was beim Eintritt weiterer Gesellschafter? Oder wie kann die ungewollte Aufdeckung stiller Reserven bei erforderlichen Restrukturierungsmaßnahmen (z.B. Einbringung von Vermögensgegenständen, Umwandlung in Kapitalgesellschaft) vermieden werden? Die Attraktivität des Standortes würde sicherlich noch weiter verbessert, wenn der Gesetzgeber auch hier einen pragmatischeren Ansatz, z.B. durch Suspendierung der entsprechenden Regeln für Start-Ups, wählen würde.

Autor:

Dr. Martin Bünning ist Partner im Frankfurter Büro von Reed Smith und Mitglied der Global Corporate Group. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt auf der Beratung von in- und ausländischen Unternehmen bei allen Fragen des Unternehmenssteuerrechts.

Webseite

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.

- Advertisement -
- Advertisment -

Neueste Beiträge

Das könnte dir auch gefallen!

Erhalte regelmäßig die wichtigsten internationalen Startup-News in dein Postfach!