Mushlabs stellt aus Myzel, dem unterirdischen Wurzelgeflecht der Pilze, eine neue Generation von Lebensmitteln her
Stellen Sie sich und das Startup Mushlabs doch kurz unseren Lesern vor!
Mushlabs ist ein Biotech-Startup mit Sitz in Hamburg, das aus Myzel, dem unterirdischen Wurzelgeflecht der Pilze, eine neue Generation von Lebensmitteln herstellt. Unser Team von fast 50 Experten aus über 20 Ländern arbeitet daran, dieses Myzel in großen Fermentern zu kultivieren, indem es den Pilzen Nebenprodukte aus der Agrar- und Lebensmittelproduktion “füttert”, so wie Stroh, Trester oder Kaffeebohnenhülsen. Pilze sind vielfältige und effiziente Upcycler, die in der Natur eine Vielzahl an organischen Materialien verwerten können. Diesen Prozess imitieren und beschleunigen wir, um den Rohstoff für unsere Lebensmittel herzustellen.
Warum haben Sie sich entschieden, ein Unternehmen zu gründen?
Aus verschiedenen Umständen hat sich ein schlüssiges Bild ergeben: Meine Kindheit im Libanon war geprägt von Kriegen, Krisen und meinem Vater, der als Arzt seinen Landsleuten half. Damals habe ich erkannt, wie wichtig Ernährungssicherheit ist und dass ich meine Fähigkeiten zum Wohle anderer einsetzen will. Wie viele andere schaue ich besorgt in eine vom Klimawandel geprägte Zukunft und sehe, dass unser etabliertes Lebensmittelsystem aktiv zu dessen Beschleunigung beiträgt. Wir brauchen neue, innovative Methoden, um eine wachsende Weltbevölkerung gesund und nachhaltig ernähren zu können. Als studierter Biotechnologe habe ich das große Potential von Pilzen bzw. Myzel erkannt. Die Entscheidung, unbenutzte Nebenprodukte aus der Agrar- und Lebensmittelbranche zu nutzen, lag nahe, da Pilze mehr Energiequellen erschließen können als andere Mikroorganismen.
Welche Vision steckt hinter Mushlabs?
Unser Lebensmittelsystem macht viel kaputt: unsere Umwelt, Artenvielfalt und Gesundheit. Während wir in vielen Ländern Lebensmittel verschwenden, herrscht in anderen Knappheit. Wir sind davon überzeugt, dass unsere Produkte und deren Produktion im Fermenter viele Probleme lösen und das Lebensmittelsystem revolutionieren können. Ein Fermenter lässt sich überall aufstellen und weitestgehend unabhängig von Umwelteinflüssen betreiben. Pilze lassen sich mit Nebenprodukten der lokalen Lebensmittel- und Agrarindustrie kultivieren. Die entstehende Biomasse liefert hochwertige und ausgewogene Nährstoffe. Lebensmittelsicherheit für alle, nachhaltig produzierte Produkte und leckeres Essen – das ist unsere Vision.
Von der Idee bis zum Start was waren bis jetzt die größten Herausforderungen und wie haben Sie sich finanziert?
Die größte Herausforderung am Anfang war, unsere Idee in die Tat umzusetzen und zu beweisen, dass alles funktioniert. Mein Co-Founder Thibault Godard, ebenfalls Wissenschaftler und Experte für Fermentation, und ich haben unzählige Stunden im Labor verbracht und die Kultivierungsbedingungen für unsere Pilze optimiert. Wir haben ein Team mit Experten aufgebaut, die unsere Vision und Passion teilen, wie zum Beispiel unsere dritte Co-Founderin Ann-Cathrine Preißer. Als renommierte Food-Expertin steuert sie ihre unbezahlbare Expertise in Fermentation, Geschmack, Textur und Aroma für die Produktentwicklung bei. Für unsere Series A haben wir Investoren gefunden, die ebenso überzeugt von unserer Idee waren wie wir. Atlantic Food Labs, Red Alpine und VisVires New Protein haben uns geholfen, 10 Millionen USD einzuholen.
Wer ist die Zielgruppe von Mushlabs?
Die Zielgruppe von Mushlabs sind vor allem Flexitarier, also Menschen, die ihren Fleischkonsum gerne reduzieren möchten und nach Alternativen suchen. Es ist nicht unser Ziel, den Menschen vegetarische oder vegane Ernährung aufzudrängen oder Fleisch zu vertreiben. Stattdessen wollen wir ein Produkt auf den Markt bringen, das die Verbraucher begeistert, weil es natürlich ist, gut schmeckt, wertvolle Nährstoffe liefert und nachhaltig hergestellt wurde.
Was ist das Besondere an den Produkten? Wo liegen die Vorteile? Was unterscheidet Sie von anderen Anbietern?
Unsere Produkte unterscheiden sich von anderen Fleischalternativen darin, dass sie nicht pflanzlich sondern myzelbasiert sind. Durch die Kultivierung in Fermentern sparen wir im Vergleich zu Fleisch oder Soja Zeit und Ressourcen. Zudem entfallen die Nutzung von Dünger und Pestiziden, was viel Potenzial für mehr Biodiversität bietet. Während Soja ca. 140 Tage sowie reichlich Land und Ressourcen bis zur Ernte benötigt, braucht unser Myzel dank der vertikalen Kultivierung im Fermenter nur ein paar Tage, wenig Wasser und einen Bruchteil des Landes. Zudem können wir die Pilze mit Nebenprodukten aus der Agrar- oder Lebensmittelbranche füttern, werten diese also auf und nutzen die enthaltenen Nährstoffe optimal.
Die dabei entstehende Biomasse ist von Natur aus reich an Umami, ein intensives Aroma, das wir ansonsten von Fleisch oder Käse kennen. Sie bietet ein hervorragendes Nährwertprofil mit allen essentiellen Aminosäuren, Ballaststoffen, vielen Mineralien und Vitaminen. Dank des natürlichen Aromas und der idealen Textur müssen wir für die Produktherstellung keine Geschmacksverstärker oder Zusatzstoffe hinzugeben – eine Handvoll natürlicher Zutaten reicht aus. Und wir sind das einzige Unternehmen weltweit, das das Myzel von bekannten und beliebten Speisepilzen nutzt.
Mushlabs, wo geht der Weg hin? Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?
Hoffentlich überall: In Europa, den USA, Asien, in Supermärkten und Restaurants. Mit Fleischalternativen aus Myzel, aber auch neuen, ganz eigenen Produkten. Die Kultivierung des Myzels durch Fermentation ermöglicht uns, die große Vielfalt des Pilzkönigreichs zu erkunden und Geschmack und Textur unserer Produkte während des Wachstums zu beeinflussen; das eröffnet uns viele Wege und feuert unsere Kreativität an.
Zum Schluss: Welche 3 Tipps würden Sie angehenden Gründern mit auf den Weg geben?
Gründen ist ein Marathon, kein Sprint. Man braucht eine Vision, für die es sich zu kämpfen lohnt, ein diverses Team brillanter Experten, um ein so universelles Problem zu lösen und einen langen Atem.
Wir bedanken uns bei den Gründern für das Interview
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder