Oxyle entfernt hochgiftige Chemikalien wie PFAS aus Abwässern und sorgt so für sauberes, sicheres Wasser
Könnten Sie uns einen kurzen Überblick über Oxyle geben und erklären, wie Sie und Ihr Mitgründer Silvan Staufert auf die Idee gekommen sind, das Unternehmen zu gründen?
Fajer: Die bahnbrechende Technologie von Oxyle ermöglicht es Industrie- und Umwelttechnologieunternehmen, Wasserverunreinigungen zu bekämpfen, indem sie hochgiftige und extrem beständige Chemikalien, die sogenannten „Ewigkeitschemikalien“ (auch bekannt als PFAS), vollständig aus dem Abwasser entfernt. Als ich jung war, zog meine Familie von Kaschmir in Indien – einer Region mit vielen Seen und Flüssen – nach Neu-Delhi, eine Stadt, in der Wasser knapp war.
Ich erinnere mich lebhaft daran, wie wir im Sommer in der Schlange standen, um Wasser von den Tanks des Delhi Jal Board zu holen. Wenn nicht genug Wasser vorhanden war, mussten wir entscheiden, ob wir unsere Pflanzen gießen oder duschen wollten. Ich dachte, das sei überall so, bis ich nach Europa kam, wo das Wasser scheinbar endlos aus den Hähnen floss. Da wurde mir klar, dass der Zugang zu sauberem, sicherem Wasser – oder zu Wasser überhaupt – zu oft als selbstverständlich angesehen wird.
Selbst in der Schweiz ist sauberes, sicheres Wasser keine Selbstverständlichkeit. Es gibt über 200 bekannte PFAS-Kontaminationsstellen im ganzen Land. Während meiner Doktorarbeit an der ETH Zürich konzentrierte ich mich auf Technologien zur Lösung dieses Problems. So entstand die Idee zu Oxyle. Mein Mitbegründer Silvan Staufert und ich arbeiteten im Labor zusammen und teilten die gleiche Vision, komplexe Umweltprobleme zu lösen.
Mit unserer sich ergänzenden Expertise – Silvan in Sensorik und Datenverarbeitung und ich in Materialinnovationen – sahen wir eine großartige Gelegenheit, die Welt durch die Behandlung von verschmutztem Wasser zu einem besseren Ort zu machen. So gründeten wir im Mai 2020 Oxyle, mit dem Ziel, eine nachhaltige Lösung zu entwickeln, um PFAS dauerhaft aus unserem Wasser zu entfernen.
Sie haben erwähnt, dass Oxyle sich auf die Entfernung von PFAS aus Wasserressourcen spezialisiert hat. Könnten Sie unseren Lesern erklären, was PFAS sind und warum ihre Entfernung so wichtig ist?
Fajer: PFAS, oder per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen, sind eine Gruppe synthetischer Chemikalien, die in vielen industriellen Prozessen und Konsumgütern verwendet werden. Diese Chemikalien haben eine der stärksten Bindungen in der organischen Chemie und können ewig in der Umwelt und im menschlichen Körper verbleiben. Ihre Entfernung ist essentiell, da sie mit verschiedenen Gesundheitsproblemen in Verbindung gebracht werden, darunter Krebs, endokrine Störungen und Schäden am Immunsystem. Aufgrund ihrer Persistenz und Toxizität ist es wichtig, Technologien zu entwickeln, die PFAS effektiv aus unseren Wasserressourcen entfernen können.
Wie funktioniert die Technologie von Oxyle genau, um PFAS aus Wasser zu entfernen, und welche Vorteile bietet sie im Vergleich zu anderen Methoden?
Fajer: Unsere Technologie basiert auf einer fortschrittlichen katalytischen Oxidationsmethode, die PFAS-Moleküle abbaut und sie in harmlose Bestandteile mineralisiert. Im Vergleich zu herkömmlichen Methoden wie Aktivkohle oder Filtration, die PFAS lediglich adsorbieren und das Problem nur verlagern, zerstört unsere Methode die schädlichen Moleküle vollständig. Dies hat den Vorteil, dass keine sekundären Abfallprodukte entstehen und die Wasserqualität nachhaltig verbessert wird. Außerdem hilft dieser Ansatz Unternehmen, die immer strengeren Vorschriften einzuhalten. Unsere Technologie verwendet auch 15-mal weniger Energie als destruktive Methoden und ist damit der kosteneffizienteste Prozess auf dem Markt.
Als Co-Gründerin von Oxyle haben Sie sicherlich eine beeindruckende Reise hinter sich. Könnten Sie uns erzählen, welche Herausforderungen Sie zu Beginn Ihrer Unternehmerkarriere überwinden mussten?
Fajer: Eine der größten Herausforderungen als junges Start-up war es, das notwendige Startkapital zu sichern und Investoren von unserer Vision zu überzeugen. In den ersten Jahren mussten wir viel Zeit und Mühe in den Aufbau unseres Netzwerks und die Validierung unserer Technologie investieren. Zudem war es nicht immer einfach, ein multikulturelles Team zu führen und eine Unternehmenskultur zu schaffen, die Innovation und Zusammenarbeit fördert. Doch durch harte Arbeit und Durchhaltevermögen haben wir diese Herausforderungen gemeistert und Oxyle in den letzten vier Jahren erfolgreich aufgebaut.
Sie sind in Nordindien aufgewachsen und haben später in Zürich Ihre Doktorarbeit abgeschlossen. Wie war es für Sie, in einer neuen Kultur ein Unternehmen zu gründen und ein multikulturelles Team zu führen?
Fajer: Ich lebe seit meinem 17. Lebensjahr in Europa, und doch war es definitiv eine besondere und neue Erfahrung, hier ein Unternehmen zu gründen und mit Menschen aus verschiedenen kulturellen Hintergründen zusammenzuarbeiten. Die Vielfalt in unserem Team ist jedoch eine unserer größten Stärken. Unterschiedliche kulturelle Hintergründe bringen verschiedene Perspektiven und Ideen ein, was unsere Innovationskraft stärkt.
Wie bereits erwähnt, gab es natürlich Herausforderungen, insbesondere in Bezug auf Kommunikation und Verständnis kultureller Unterschiede. Aber durch Offenheit, Empathie und den gemeinsamen Wunsch, etwas zu bewirken, haben wir diese Hürden überwunden und eine starke, kooperative Teamkultur entwickelt.
Welche Rolle spielt Innovation für Oxyle, und wie bleiben Sie mit Ihrem Unternehmen an der Spitze der technologischen Entwicklungen in der Wasserreinigung?
Fajer: Das ist eine gute Frage. Kurz gesagt: Innovation steht im Mittelpunkt von Oxyle. Es ist einer unserer Kernwerte. Wir investieren kontinuierlich in Forschung und Entwicklung, um unsere Technologien zu verbessern und neue Lösungen zu finden. Unser Team besteht aus hoch qualifizierten Wissenschaftlern und Ingenieuren, die ständig daran arbeiten, die Effizienz und Effektivität unserer Systeme zu steigern. Wir arbeiten auch mit führenden Forschungseinrichtungen und Industriepartnern zusammen, um sicherzustellen, dass wir stets am Puls der aktuellsten Entwicklungen sind. Wir verstehen uns selbst als Problemlöser, die verantwortungsvoll mit Risiken umgehen. Oder wie wir es in unseren Kernwerten ausdrücken: Bahnbrechende Ideen gewinnen Menschen für sich.
Was macht Oxyle einzigartig auf dem Markt, und wie positionieren Sie Ihr Unternehmen gegenüber Ihren Wettbewerbern?
Fajer: Es gibt viele spannende Unternehmen, die neue Technologien im Bereich der PFAS-Behandlung vorstellen. Die aktuellen Methoden zur Entfernung und Entsorgung von PFAS beschränken sich jedoch darauf, diese Chemikalien zu trennen oder zu konzentrieren. Sie kämpfen nicht nur damit, kurzkettige Verbindungen zu entfernen, sondern scheitern auch daran, sie zu zerstören, sodass gefährliche Abfälle zurückbleiben, die verbrannt oder auf Deponien entsorgt werden müssen. Es gibt zwar einige neue Zerstörungstechnologien, die PFAS abbauen können, aber der hohe Energiebedarf macht sie finanziell nicht tragfähig.
Im Vergleich zur bestehenden Technologie sind wir in der Lage, alle PFAS zu entfernen, auch die wirklich schwer zu behandelnden kurzkettigen PFAS. Im Vergleich zu aufkommenden Zerstörungstechnologien benötigen wir 15-mal weniger Energie, was es zur einzigen skalierbaren, erschwinglichen und wirklich effektiven Option macht. Dazu gehört auch die Echtzeitüberwachung von PFAS im Wasser – mit unserer einzigartigen Methode ist es möglich, genau und in Echtzeit auf die tatsächliche Menge der im Wasser vorhandenen Schadstoffe zu reagieren
Wie sieht die Vision von Oxyle für die Zukunft aus, und welche Schritte unternehmen Sie, um diese Vision zu erreichen?
Fajer: Unsere Vision ist es, eine Welt mit sauberem Wasser für alle zu schaffen. Wir streben danach, unsere Technologie weltweit zu verbreiten und einen bedeutenden Beitrag zur Lösung der globalen PFAS-Kontaminationskrise zu leisten. Um diese Vision zu erreichen, arbeiten wir daran, unsere Marktpräsenz in Europa auszubauen und strategische Partnerschaften aufzubauen. Wir investieren auch in die Weiterentwicklung unserer Technologien und die Skalierung unserer Produktion, um größere Märkte bedienen und eine nachhaltige Wirkung erzielen zu können.
Auf der IFAT in München hat Oxyle seine Technologie vorgestellt. Welche Bedeutung hat diese Messe für Ihr Unternehmen und welche Ziele haben Sie während der Veranstaltung verfolgt?
Fajer: Die IFAT in München ist eine der weltweit größten Fachmessen für Wasser-, Abwasser-, Abfall- und Rohstoffwirtschaft und bietet uns eine hervorragende Plattform, um unsere Technologie einem internationalen Publikum vorzustellen. Unsere Ziele während der Messe waren es, neue Geschäftsmöglichkeiten zu identifizieren, wertvolle Partnerschaften aufzubauen und unser Netzwerk in der Branche zu erweitern. Dabei sind wir nun eine Partnerschaft mit Waterleau eingegangen, dem weltweit führenden Wassertechnologieunternehmen, worüber wir uns sehr freuen. Wir konnten auch die neuesten Entwicklungen in unserem Bereich kennenlernen und unsere Innovationskraft weiter stärken.
Können Sie uns mehr über die Zielgruppe von Oxyle und deren Bedürfnisse erzählen, und wie Ihr Unternehmen darauf eingeht?
Fajer: Unsere Zielgruppe umfasst Industrien, die vor großen Herausforderungen bei der Wasserreinigung stehen. Dazu gehören Chemieunternehmen, Wasserversorgungsunternehmen sowie Wasseraufbereitungs- und Umweltsanierungsunternehmen. Diese Kunden benötigen effiziente, kostengünstige und nachhaltige Lösungen zur Entfernung von Schadstoffen aus ihren Wasserressourcen. Durch maßgeschneiderte Systeme und Lösungen können wir auf die spezifischen Bedürfnisse unserer Kunden individuell eingehen und unterstützen sie dabei, ihre Umweltziele zu erreichen und gesetzliche Anforderungen, wie die deutsche Abwasserverordnung (AbwV), zu erfüllen.
Welche Rolle spielen Nachhaltigkeit und Umweltschutz in der Mission von Oxyle, und wie integrieren Sie diese Prinzipien in Ihre Geschäftspraktiken?
Fajer: Nachhaltigkeit und Umweltschutz sind zentrale Bestandteile unserer Mission. Unsere Technologien sind darauf ausgelegt, die Umweltbelastung zu minimieren und die Wasserqualität nachhaltig zu verbessern. Wir verwenden energieeffiziente Prozesse und legen großen Wert auf die Reduzierung von Abfällen und Emissionen. Unsere Technologie zielt darauf ab, PFAS dauerhaft aus der Umwelt zu entfernen, im Gegensatz zu anderen Technologien, die uns dazu zwingen, PFAS immer und immer wieder in einem endlosen Kreislauf zu behandeln.
Unsere Lösung sorgt dafür, dass keine giftigen Sekundärabfälle anfallen, sodass Unternehmen die CO2-lastige Verbrennung umgehen und den Blauwasserverbrauch (Oberflächen- und Grundwasser) reduzieren können. Außerdem verwenden wir saubere, energiearme Quellen für den Betrieb unserer Technologie. Auch innerhalb unseres Unternehmens fördern wir umweltbewusstes Handeln und nachhaltige Praktiken. Durch kontinuierliche Verbesserung unserer Prozesse und Produkte tragen wir aktiv zum Schutz unserer Umwelt bei.
Abschließend, welchen Rat würden Sie anderen Gründern geben, insbesondere denen, die in der Clean-Tech-Branche tätig sind?
Fajer: Mein wichtigster Rat an andere Gründer:innen ist, frühzeitig mit Investor:innen in Kontakt zu treten und sich die notwendige Finanzierung zu sichern. Je früher ihr Investor:innen überzeugt, desto schneller könnt ihr eure Unternehmen aufbauen und wachsen lassen. Seid bereit, Risiken einzugehen und euch voll und ganz eurer Vision zu verschreiben. Obendrein ist es wichtig, ein starkes Netzwerk aufzubauen und von den Erfahrungen anderer zu lernen. Bleibt innovativ und haltet an eurem Ziel fest, positive Veränderungen für eine grüne Zukunft zu bewirken.
Wir bedanken uns bei Dr. Fajer Mustaq für das Interview
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.