retraced: All-in-one-Plattform für effektives Nachhaltigkeitsmanagement
Stellen Sie sich und das Start-up retraced doch kurz unseren Lesern vor!
Ich bin Lukas Pünder und ich habe 2019 zusammen mit meinen alten Schulfreunden Philipp Mayer und Peter Merkert die Nachhaltigkeitsmanagement-Plattform retraced gegründet. Entstanden ist die Idee dafür aus der nachhaltigen Schuhmarke CANO, die ich zusammen mit Philipp Ende 2016 gegründet habe. Die Fertigung der Schuhe – echte Handwerkskunst aus Mexiko – ergab für uns eine interessante Geschichte, die wir gerne mit den Endkonsumenten teilen wollten.
Dabei stellten wir allerdings fest, dass die Lieferketten der Modeindustrie deutlich komplexer sind, als wir es erwartet hatten. Deshalb entwickelten wir ein Konzept für mehr Lieferkettentransparenz. Als uns dabei klar wurde, dass andere Mode- und Textilunternehmen vor der gleichen Herausforderung stehen, beschlossen wir unsere Lösung weiterzuentwickeln, um Transparenz nicht nur für unsere Marke, sondern alle Teilnehmer in den Lieferketten der Modeindustrie zu ermöglichen. So wurde retraced geboren.
Welche Vision steckt hinter retraced?
Unternehmen darin zu unterstützen, die Nachhaltigkeit und soziale Fairness ihrer Lieferketten an ihre Verbraucher zu kommunizieren – darin liegt der Ursprung und ein wichtiger Fokuspunkt von retraced. Allerdings haben wir dabei erkannt, dass Unternehmen erst für sich selbst Transparenz schaffen müssen, bevor sie diese an ihre Konsumenten tragen können. Denn häufig ist es der Fall, dass Unternehmen in ihrem Liefernetzwerk lediglich den direkten Zulieferer, selten auch noch den Lieferanten davor kennen. Der Rest ist ein großes Fragezeichen. Daher hat sich retraced zu einer Lieferkettenmanagement-Plattform weiterentwickelt, auf der sich die Marken mit ihren Lieferanten vernetzen und austauschen können. Durch die steigende Zahl an Marken und Lieferanten, die unsere Plattform nutzen, entstehen natürliche Synergien: Viele Unternehmen arbeiten mit den gleichen Zulieferern zusammen, wodurch ein spannender Netzwerkeffekt entsteht, von dem alle Beteiligten profitieren.
Aufbauend darauf ist die Vision von retraced ein globales Ökosystem zu werden, das den nachhaltigen Wandel in der Modeindustrie vorantreibt, indem es transparente unternehmensübergreifende Zusammenarbeit ermöglicht.
Warum haben Sie sich entschieden, ein Unternehmen zu gründen?
Der Gedanke, mein eigener Chef zu sein und Verantwortung für mich und mein eigenes Team zu übernehmen, hat mich schon immer gereizt. Als die Idee für CANO entstand, habe ich also nicht groß gezögert und sofort den Sprung gewagt. Natürlich ist der Workload nicht zu unterschätzen, besonders weil man am Anfang wirklich alles selbst macht. Wenn man für sein Thema jedoch brennt, und eine gewisse Portion Abenteuerlust mitbringt, macht das Ganze einfach großen Spaß.
Da retraced bereits unser zweites Start-up ist, können wir unsere gesammelten Erfahrungen nutzen und Abläufe einfacher und effizienter gestalten. Allerdings lernt man definitiv nie aus und die ganze Reise ist auf eine Art und Weise „learning by doing“.
Von der Idee bis zum Start was waren bis jetzt die größten Herausforderungen und wie haben Sie sich finanziert?
Eine große Herausforderung war natürlich die COVID-Pandemie. retraced arbeitet mit Mode- und Textilunternehmen zusammen und diese wurden durch COVID-19 stark getroffen, da sowohl ihr Umsatz (durch die wiederholte Schließung des Einzelhandels) als auch ihre Produktion (durch Quarantäneregeln in den Produktionsländern) stark eingebrochen sind. Dies hat zu großer Verunsicherung geführt und die Investitionsmöglichkeiten der Unternehmen stark eingeschränkt.
Während der ersten Infektionswelle haben wir unseren Fokus in erster Linie daraufgelegt, unsere Kosten unter Kontrolle zu haben und eine gedeckte Finanzierung sicherstellen zu können. Glücklicherweise kam die Erholung der Modeindustrie recht schnell, sodass wir Ende 2020 unsere Seed-Finanzierung abschließen und damit die Corona-Krise hinter uns lassen konnten.
Wer ist die Zielgruppe von retraced?
Die Zielgruppe von retraced sind einerseits Mode- und Textilunternehmen, die ihre Lieferketten kennenlernen, verwalten und analysieren wollen. Andererseits sind es Lieferanten und Hersteller aus der Industrie, welche ihre Compliance-Prozesse effektiver gestalten wollen. Wir arbeiten mit Unternehmen auf der ganzen Welt zusammen: von deutschen traditionellen Modeunternehmen, welche ihr CSR Management digitalisieren wollen und sich für das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz vorbereiten, bis hin zu einem der größten Denimhersteller der Welt, mit dem wir verschiedene Traceability Projekte über unsere Plattform umsetzen. Eines dieser Projekte ermöglicht es beispielsweise Baumwolle von der Farm bis hin zum Kleidungsstück zu verfolgen und gleichzeitig den Farmern faire Bezahlung für ihre Arbeit zuzusichern. Letztes Jahr wurden hier bereits über 500 Farmer auf die Plattform eingeladen.
Wie funktioniert retraced? Wo liegen die Vorteile? Was unterscheidet Sie von anderen Anbietern?
retraced ist die einzige All-in-one-Plattform für effektives Nachhaltigkeitsmanagement. Auf unserer Plattform verbinden wir alle Beteiligten in der Kleidungsherstellung miteinander und schaffen durch die Digitalisierung der Vorgänge Effizienz und eine schnellere, vereinfachte Kommunikation. Das spannendste auf unserer Plattform ist, dass wir verschiedene Ebenen geschickt miteinander verbinden. Wir können Daten auf Unternehmens-, Lieferketten- oder Produktebene anfragen, sammeln und auswerten. Damit bekommen Unternehmen einen klaren Überblick über ihre Lieferketten, können Rohmaterialien bis zum Ursprung zurückverfolgen, Risiken vorhersehen und dadurch ihre Lieferketten auf soziale und ökologische Aspekte hin optimieren.
retraced, wo geht der Weg hin? Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?
Wir befinden uns momentan in einer starken Wachstumsphase. Das bedeutet, dass wir allein diesen Monat rund 800 neue Lieferanten auf unsere Plattform onboarden. Zusätzlich haben wir ein anspruchsvolles Projekt mit einem Textilgiganten in China gestartet und werden in den kommenden Monaten unser Team im Vergleich zum Jahresbeginn verdoppelt haben.
Folglich haben wir auch für die kommenden Jahre große Ambitionen. In fünf Jahren wollen wir retraced zum Standard für nachhaltige und faire Modelieferketten machen. Wir wollen nicht nur Teilnehmer, sondern Mitgestalter für Transparenz in der Modewelt werden. Gleichzeitig ist uns dabei wichtig, dass wir trotz starkem Wachstum unserer Start-up-Mentalität treu bleiben, partnerschaftlich mit unseren Kunden zusammenarbeiten und unsere offene und familiäre Firmenkultur beibehalten.
Zum Schluss: Welche 3 Tipps würden Sie angehenden Gründern mit auf den Weg geben?
Verliere nie dein Ziel aus den Augen, aber behalte eine gewisse Flexibilität, wie dieses Ziel erreicht werden kann.
Hol dir Leute mit ins Boot, die schlauer sind als du und gib Verantwortung ab.
Habe keine Angst vor Fehlern, denn diese können dich weiterbringen. Stelle nur sicher, dass du auch aus ihnen lernst.
Wir bedanken uns bei Lukas Pünder für das Interview
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder