Dienstag, März 18, 2025
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Setzt die Modebranche jetzt neue Maßstäbe in Transparenz?

Retraced bietet eine digitale Plattform für transparente und nachhaltige Lieferketten in der Modebranche und unterstützt Unternehmen dabei, ihre ESG-Ziele effizient umzusetzen

Heute verbindet eure Plattform Retraced über 150 Marken und 20.000 Lieferanten. Was waren die größten Veränderungen und Herausforderungen?

Unsere Plattform ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Eine der größten Herausforderungen bestand darin, mit der steigenden Komplexität der Lieferketten Schritt zu halten und gleichzeitig die Transparenz- und Nachhaltigkeitsanforderungen der Unternehmen zu erfüllen. Der technologische Ausbau unserer Plattform war entscheidend, um Unternehmen gezielt bei der Umsetzung ihrer Nachhaltigkeitsziele zu unterstützen. 

Die Modebranche steht mit der Omnibus-Verordnung vor einer Weichenstellung. Was bedeutet das konkret für Unternehmen, die auf Transparenz und Nachhaltigkeit setzen?

Die Omnibus-Verordnung vereinfacht zwar einige Berichtsanforderungen, birgt aber auch die Gefahr einer Verwässerung der bisherigen Nachhaltigkeitsstandards. Für Unternehmen, die bereits konsequent auf Transparenz setzen, ändert sich wenig. Sie werden weiterhin in Nachhaltigkeit investieren, um sowohl regulatorischen als auch marktwirtschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden. 

Kritiker sagen, eine Lockerung der Sorgfaltspflichten verringert den Druck und senkt die Motivation für nachhaltige Beschaffung. Seht ihr diese Gefahr?

Die Gefahr besteht, da es Unternehmen gibt, die nur aufgrund der rechtlichen Verpflichtung ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen. Aber die Erfahrung zeigt, dass Unternehmen, die Nachhaltigkeit ernst nehmen, unabhängig von gesetzlichen Vorgaben weiterhin in verantwortungsvolle Lieferketten investieren. Der Markt belohnt transparente Unternehmen, insbesondere durch steigende Verbrauchererwartungen und Investoreninteressen im ESG-Bereich. 

Verbraucherinnen und Verbraucher verlangen Nachweise für verantwortungsvolle Produktion. Investoren setzen auf ESG-konforme Unternehmen. Kommt der Druck heute mehr vom Markt als von der Regulierung?

Der Markt spielt eine immer größere Rolle. Verbraucher und Investoren fordern Transparenz und setzen Unternehmen unter Druck, nachhaltiger zu agieren. Gleichzeitig schaffen regulatorische Rahmenbedingungen Mindeststandards, die sicherstellen, dass der Wandel flächendeckend stattfindet. 

Kleinere Marken könnten sich aus der Transparenzpflicht zurückziehen, während große Player ihre ESG-Strategien ausbauen. Droht eine Spaltung der Branche?

Ja, das Risiko besteht. Große Marken haben die Ressourcen, um ihre Nachhaltigkeitsstrategien weiterzuentwickeln, während kleinere Unternehmen Schwierigkeiten haben könnten. Deshalb sind standardisierte Tools und kollaborative Lösungen entscheidend, um auch kleineren Akteuren den Zugang zu nachhaltigen Praktiken zu erleichtern. Wir sehen dies als eine große Aufgabe für uns, als die führende Lösung im Mode- und Textilmarkt. 

Wird Nachhaltigkeit durch eine gelockerte Regulierung zur freiwilligen Verpflichtung oder bleibt sie ein zentraler Wettbewerbsfaktor?

Nachhaltigkeit bleibt ein zentraler Wettbewerbsfaktor. Marken, die sich aktiv um Transparenz und Nachhaltigkeit bemühen, profitieren von wachsendem Verbrauchervertrauen und besseren Finanzierungsbedingungen. Ebenfalls kann die gewonnene Transparenz genutzt werden, um die Lieferkette effizienter und flexibler zu gestalten. Bei den aktuellen geopolitischen Risiken ein großer Vorteil. 

Ihr arbeitet mit vielen Marken und Lieferanten. Sind Unternehmen eher erleichtert über mögliche Lockerungen oder besorgt über Vertrauensverlust bei Konsumenten?

Es gibt gemischte Reaktionen. Einige Unternehmen begrüßen die Entlastung von Bürokratie, während andere besorgt sind, dass Verbraucher dies als Rückschritt in der Nachhaltigkeitsverpflichtung wahrnehmen könnten. Letztlich bleibt die Marktdynamik treibend. 

Europa setzt auf strenge Nachhaltigkeitsvorgaben, während die US-Regularien laxer sind. Seht ihr einen Wettbewerbsnachteil für europäische Unternehmen?

Kurzfristig könnten strengere europäische Vorgaben als Nachteil erscheinen, aber langfristig könnten sie europäische Unternehmen zu Vorreitern in der globalen Nachhaltigkeitstransformation machen und dadurch Wettbewerbsvorteile schaffen. Die langfristige Perspektive ist hier entscheidend. Entsprechend hoffen wir, dass Unternehmen gemeinsam mit den Gesetzgebern zusammenarbeiten, um Europa in die best-mögliche Wettbewerbssituation zu bringen. 

Mit den ESRS-Anpassungen und anderen EU-Initiativen könnten neue Standards kommen. Droht ein regulatorischer Rückschritt oder eine Schärfung der Regeln?

Die aktuellen Anpassungen sollen Berichtsanforderungen vereinfachen, ohne die Nachhaltigkeitsziele zu gefährden. Noch ist nicht bekannt, wie die Standards von ESRS aussehen. Somit bleibt abzuwarten, wie sich diese Änderungen konkret auswirken, aber wir erwarten eher eine Präzisierung der Anforderungen als eine komplette Aufweichung. 

Welche Rolle spielt Retraced in dieser Debatte? Seht ihr euch als Befähiger für Unternehmen oder eher als Kontrollinstanz?

Wir verstehen uns als Befähiger. Unser Ziel ist es, Unternehmen die Werkzeuge an die Hand zu geben, um Transparenz und Nachhaltigkeit einfach und effizient umzusetzen, anstatt sie lediglich auf Einhaltung von Vorschriften zu überwachen. Somit liegt unser Fokus vor allem auf der effizienten Zusammenarbeit mit den Lieferantenpartnern, um allen in der Lieferkette zu helfen. 

Was müsste aus eurer Sicht politisch passieren, um Transparenz in der Modebranche langfristig zu sichern?

Es braucht klare und einheitliche Regularien, die Transparenz belohnen und Unternehmen konkrete Anreize bieten. Gleichzeitig sollten Regierungen Bildungs- und Unterstützungsprogramme für Unternehmen bereitstellen, um insbesondere kleineren Marken die Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien zu erleichtern. 

Bild: Founderteam @ Retraced

Wir bedanken uns bei Lukas Puender für das Interview

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.

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