TracksuitsGermany verbindet Vintage-Mode mit Fußballkultur und macht seltene Trikots sowie Trainingsanzüge weltweit für Sammler und Streetwear-Fans zugänglich
Wie kam es dazu, dass du als Jura-Student ein eigenes Unternehmen im Bereich Vintage-Mode aufgebaut hast?
Herve Hermann/ TracksuitsGermany: Eigentlich war das nie ein klassischer Business-Plan. Ich habe schon als Teenager angefangen, alte Trikots und Trainingsanzüge zu sammeln, weil sie für mich immer eine Verbindung zwischen Mode und Fußball waren. Für mich haben diese Teile eine Seele – sie stehen für eine bestimmte Ära, für Kindheitserinnerungen, für Kindheitshelden von Millionen von Menschen. Während des Studiums habe ich dann gemerkt, dass die Nachfrage viel größer ist, als ich dachte. Immer mehr Leute haben mich gefragt, woher ich meine Sachen habe, ob ich auch etwas für sie besorgen kann. Irgendwann wurde aus einem reinen Hobby ein Geschäft. Für mich ergänzen sich Studium und Business sogar: Jura gibt mir Struktur, das Business gibt mir Freiheit, Kreativität, direkten Praxisbezug und finanzielle Sicherheit während des Studiums.
Was war der Moment, in dem aus einer kleinen Idee im Kinderzimmer ein echtes Geschäft wurde?
Herve Hermann/ TracksuitsGermany: Ich erinnere mich noch ziemlich genau: Das war, als ich meine erste größere Bestellung nach Übersee verschickt habe – zwei Brasilien-Trainingsanzüge und ein Brasilien Trikot aus den 2000ern, die nach Kanada gingen. Ich stand mit dem Paket in der Post und dachte mir: Wahnsinn, jemand auf einem anderen Kontinent vertraut mir, dass ich ihm ein Stück Nostalgie schicke. Das war für mich der erste echte „Business-Moment“. Danach folgten schnell weitere Meilensteine: die ersten 100 Bestellungen, die ersten prominenten Kunden.
Spätestens als mich immer mehr große Youtuber, Rapper, Streamer und Fußball-Profis nach bestimmten Artikeln gefragt haben und ich meine Artikel dann getragen auf Konzerten, in Live-Streams, in Musikvideos etc. gesehen habe, habe ich realisiert, wie groß das ganze inzwischen geworden ist. Da habe ich gemerkt: Okay, das ist nicht mehr nur ein Nebenbei-Projekt, das kann richtig groß werden. Rückblickend ist man auf jeden dieser Momente sehr stolz und erkennt, dass sich die ganze Arbeit und Mühe ausgezahlt hat.
Welche besonderen Herausforderungen hattest du am Anfang als junger Gründer ohne viel Startkapital?
Herve Hermann/ TracksuitsGermany: Die größte Herausforderung war sicher, mit minimalen Mitteln in jeglicher Hinsicht zu starten. Ich hatte weder Investoren, noch große Rücklagen, noch viel Zeit neben dem sehr zeitintensiven Jura-Studium. Das hieß: An allem muss gespart werden. Fotos von den Artikeln im Kinderzimmer geschossen, Pakete nachts nach den Vorlesungen und dem Lernen verschickt, jeden Euro direkt wieder reinvestiert. Gleichzeitig musste ich das Business neben dem Studium organisieren und mich um alles gleichzeitig kümmern. Aber diese Einschränkungen haben auch Vorteile: Man wird unglaublich kreativ, lernt Prioritäten zu setzen und entdeckt, dass man mit sehr wenig sehr viel erreichen kann, wenn man konsequent und diszipliniert bleibt.
Was macht den Reiz von Vintage-Trikots und Trainingsanzügen aus und warum sind sie so gefragt?
Herve Hermann/ TracksuitsGermany: Ich glaube, es ist die Mischung aus Nostalgie, Style und Seltenheit. Für viele Kunden weckt ein bestimmtes Trikot Erinnerungen an ein Turnier, ein bestimmtes Spiel oder einen Spieler, den sie als Kind bewundert haben. Für andere sind es einfach ikonische Designs aus den 80er- und 90er-Jahren, die heute wieder absolut im Trend liegen. Dazu kommt: Diese Stücke sind limitiert. Man kann sie nicht einfach im Laden nachkaufen. Das macht sie zu etwas Besonderem. Es ist eben nicht nur ein Kleidungsstück, sondern ein Stück Kulturgeschichte, ein Stück Fußballgeschichte, das man dann in den Händen hält.
Oft haben wir beispielsweise Trikots von Spielern, die schon lange ihre aktive Karriere beendet haben und nun zum Beispiel selbst Trainer sind, oder sogar von schon verstorbenen Spielern. Wir haben jedes Kleidungsstück in der Regel nur ein einziges Mal, daher sind viele begehrte Sachen direkt weg. Hinzu kommt: Die Kleidungsstücke von damals waren qualitativ meist deutlich besser als die heutigen und sind oft anders geschnitten. Die meisten Trikots und Trainingsanzüge von damals sind sehr oversize und breit geschnitten, was aktuell wieder total im Trend ist. Die heutigen Artikel, die meist eng geschnitten sind, sind deutlich unbeliebter.
Wie findest du die seltenen Stücke und wie baust du dein internationales Netzwerk von Sammlern und Händlern auf?
Herve Hermann/ TracksuitsGermany: Am Anfang war das wie eine Schatzsuche: Flohmärkte, eBay, private Sammler aus dem Umkreis. Mit der Zeit habe ich mich immer stärker in Online-Foren und Social-Media-Gruppen eingebracht, wo Sammler weltweit aktiv sind. Der entscheidende Punkt ist Vertrauen und langfristige Beziehungen: Sammler und Händler geben ihre besten Stücke nicht an jeden weiter. Man muss zeigen, dass man authentisch ist und die Teile wirklich wertschätzt. Über die Jahre ist daraus ein internationales Netzwerk entstanden – in nahezu jedem Land der EU habe ich Sammler und Händler, die mich beliefern. Heute bekomme ich viele Anfragen auch direkt von Privatpersonen, weil Leute wissen, dass ihre Stücke bei mir gut aufgehoben sind.
Welche Rolle spielt Social Media bei deinem Erfolg und wie bist du an prominente Kunden wie Rapper, Youtuber oder Fußball-Profis gekommen?
Herve Hermann/ TracksuitsGermany: Social Media ist für uns das Schaufenster zur Welt. Dort können wir nicht nur Produkte zeigen, sondern einen ganzen Lifestyle. Es geht um Ästhetik, um Geschichten hinter den Artikeln und die Verbindung zu den Spielern. Viele prominente Kunden sind über Instagram auf uns aufmerksam geworden. Manche haben mich direkt angeschrieben, andere kamen über Empfehlungen von anderen Promis. Wenn ein Rapper oder Streamer einen Artikel von uns trägt, erreicht das automatisch tausende Menschen – und die Reichweite wächst fast von selbst. Oft präsentieren wir aber auch die Artikel in Tik-Tok-Livestreams, und können sowohl uns als Unternehmen als auch die Artikel einer Vielzahl von Menschen präsentieren.
Gab es einen besonderen Moment, in dem dir klar wurde, dass dein Unternehmen nun eine ganz neue Reichweite erreicht hat?
Antwort: Ja, der kam, als ein bekannter Streamer und Youtuber ein Outfit von uns getragen und uns auf Instagram markiert hat. Die Resonanz war riesig – innerhalb von Stunden explodierten die Followerzahlen, ich kam gar nicht mehr hinterher mit dem Beantworten von Nachrichten, Bestellungen verpacken etc. Da wurde mir klar: Wir spielen jetzt in einer anderen Liga. Es war ein Moment, in dem ich verstanden habe, dass aus einem kleinen Projekt neben dem Studium plötzlich etwas Größeres geworden ist.
Welche Unterschiede siehst du zwischen deinen Kunden in Deutschland, Frankreich, den USA oder Kanada?
Herve Hermann/ TracksuitsGermany: In Deutschland sind viele Kunden echte Sammler – sie suchen nach bestimmten Trikots, weil sie eine persönliche Verbindung zu dem Spieler oder dem Verein haben. Je nach Alter und Seltenheit hängen sich viele Kunden die Trikots auch eingerahmt auf, und tragen diese gar nicht. In Frankreich, den USA oder Kanada geht es stärker um den Aspekt der Mode, dort ist Vintage-Sportswear noch stärker Teil der Streetwear-Kultur, geprägt durch einen extrem starken Einfluss der Rap-Szene. Die Artikel werden dort mehr als Fashion-Statement gesehen, als in Deutschland. Das Spannende ist, dass alle die gleiche Liebe für die Stücke teilen, aber jeder sie ein bisschen anders interpretiert.
Wie sehr prägt deine persönliche Leidenschaft für Mode und Fußball deinen unternehmerischen Weg?
Herve Hermann/ TracksuitsGermany: Ohne Leidenschaft würde das gar nicht funktionieren. Ich habe unzählige Stunden investiert – in Recherche, Reisen, in den Austausch mit Sammlern und Händlern, um die besten und seltensten Artikel zu finden. Das macht man nur, wenn man es wirklich liebt. Für mich ist das Geschäft einfach eine Verlängerung meiner persönlichen Interessen. Es fühlt sich nicht wie Arbeit an, sondern eher wie eine Mission: Ich möchte diese Kultur bewahren und gleichzeitig einer neuen Generation zugänglich machen. Dass ich mit meiner Leidenschaft neben dem Studium Geld verdienen kann, ist für mich wie ein Geschenk. Manchmal fällt es durch die eigene Leidenschaft zu den Artikeln jedoch auch schwer sich von besonders seltenen Trikots zu trennen, wenn man selbst seit seiner Kindheit ein Fan von dem Spieler ist.
Welche Fähigkeiten aus deinem Jurastudium helfen dir vielleicht auch bei deinem Business?
Herve Hermann/ TracksuitsGermany: Sehr viele tatsächlich. Jura zwingt dich, strukturiert zu denken, Probleme präzise zu analysieren und langfristig zu planen. Das hilft mir beim Aufbau des Unternehmens enorm. Ich kann rechtliche Risiken besser einschätzen und muss nicht für jede Kleinigkeit selbst einen Anwalt befragen. Gerade im internationalen Handel ist das ein echter Vorteil. Außerdem lehrt Jura stark Geduld, Ausdauer und Disziplin – Eigenschaften, die man als Unternehmer unbedingt braucht, insbesondere am Anfang.
Wie reagiert dein Umfeld in Erftstadt auf deinen Erfolg und die internationale Reichweite deines Geschäfts?
Herve Hermann/ TracksuitsGermany: Ehrlich gesagt waren viele anfangs skeptisch. Ich habe oft Sätze gehört wie: „Vintage-Trainingsanzüge oder Trikots? Warum sollte jemand gebrauchte Sachen kaufen, wenn es jedes Jahr neue Trikots und Kollektionen der Ausrüster gibt.“ Um ehrlich zu sein, habe ich mich das am Anfang auch ab und zu mal gefragt, als mir das Wissen über die Seltenheit und Nachfrage nach den älteren Artikeln gefehlt hat. Heute erfüllt es mich mit großem Stolz, dass sich meine harte Arbeit auszahlt und ich zum Beispiel Videos sehe, in denen Promis meine Artikel auf Konzerten, in Streams, in Youtube Videos oder einfach in ihrer Freizeit tragen.
Am meisten bedeutet mir aber, dass meine Familie stolz auf mich ist. Sie haben gesehen, wie viele Stunden, Nächte und Energie ich in das Unternehmen gesteckt habe – und wenn ich heute ihre Reaktionen sehe, weiß ich: Das war es wert. Meine Familie und insbesondere meine Eltern freuen sich jedes Mal, wenn sie sehen, wohin ich mittlerweile verschicke oder wenn ein prominenter Kunde etwas von mir trägt. Für mich ist das der schönste Erfolg: nicht nur das Geschäft selbst, sondern zu zeigen, dass ihre Unterstützung und ihr Glaube an mich nicht umsonst waren.
Was möchtest du anderen jungen Menschen mitgeben, die ebenfalls davon träumen, ein eigenes Unternehmen aufzubauen?
Herve Hermann/ TracksuitsGermany: Mein wichtigster Rat ist: Wartet nicht auf den perfekten Moment – den gibt es nicht. Fangt einfach an, auch wenn ihr noch wenig Kapital, Wissen oder Kontakte habt. Am Anfang wirkt vieles klein oder unbedeutend, aber genau daraus entstehen die größten Dinge. Gleichzeitig müsst ihr bereit sein, sehr viel Arbeit, Geduld und Zeit zu investieren. Erfolg ist kein Sprint, sondern ein Marathon voller Rückschläge und Zweifel von außen. Es sieht von außen oft leicht aus, aber dahinter stecken unzählige Stunden Arbeit, Geduld und auch Rückschläge. Der Unterschied zwischen denen, die scheitern, und denen, die erfolgreich werden, ist oft einfach nur: weitermachen. Man darf sich nicht von Skepsis oder Rückschlägen entmutigen lassen.
Entscheidend ist, dass man etwas macht, das man wirklich liebt. Denn nur wenn ihr Leidenschaft habt, bleibt ihr auch in schwierigen Zeiten dran. Bleibt authentisch, geht euren eigenen Weg und hört nicht zu sehr auf Skeptiker. Wenn man etwas wirklich liebt und bereit ist, alles dafür zu geben, dann kommt der Erfolg – vielleicht nicht über Nacht, aber Stück für Stück. Und noch etwas: Umgib dich mit Menschen, die an dich glauben oder dich inspirieren, nicht mit denen, die dich kleinreden. Mit der richtigen Haltung, Geduld und einer klaren Leidenschaft ist fast alles möglich – auch Dinge, die am Anfang niemand für realistisch hält.
Welche langfristigen Ziele hast du für dein Unternehmen und denkst du auch über neue Geschäftsfelder nach?
Herve Hermann/ TracksuitsGermany: Eines meiner langfristigen Ziele ist es, das internationale Geschäft noch stärker auszubauen. Die Nachfrage wächst weltweit, weil Vintage-Trikots und Trainingsanzüge nicht nur seltene Sammlerstücke sind, sondern auch immer mehr Teil der globalen Streetwear-Kultur werden. Diese Kombination aus Seltenheit und modischem Zeitgeist macht die Stücke so begehrt. Ich könnte mir daher auch vorstellen, eigene Kollektionen zu entwickeln, vielleicht in Zusammenarbeit mit Künstlern oder Fußballvereinen. Langfristig reizt mich außerdem die Idee eines eigenen Stores oder Pop-Up Events, um der Community einen festen Treffpunkt zu geben. Grundsätzlich bin ich auch offen für neue Geschäftsfelder, solange sie zu meiner Leidenschaft und zu meiner Marke passen. Aber ich möchte das Schritt für Schritt machen. Mein Jurastudium hat für mich oberste Priorität, und alles Weitere soll sich daran orientieren.
Bild Schubi Akpella und Herve Hermann
Wir bedanken uns bei Hervé Hermann für das Interview
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.