Donnerstag, September 4, 2025
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Ist Dämmung der unterschätzte Schlüssel zum Klimaschutz?

VARM bietet Dämmung als skalierbaren Service an und verbindet Klimaschutz mit innovativen Lösungen im Handwerk

Was war Ihre persönliche Motivation, sich nach einer Karriere in der Beratung dem Unternehmertum zu widmen und schließlich im Klimaschutz aktiv zu werden?

Nach ersten Stationen in der Strategieberatung entstand der Wunsch, selbst operative Wirkung zu schaffen. Ich gründete ein Longevity-Startup und konnte hier einen Exit verbuchen. Anschließend wollte ich mich einer sinnvollen Aufgabe widmen. Ich habe viel recherchiert, nicht nur allein, sondern gemeinsam mit anderen Entrepreneuren, wo Marktlücken bestehen, wo Impact schlummert. Relativ schnell kam die Erkenntnis, dass ein riesiger Hebel im Gebäudesektor liegt. Er verursacht mehr als ein Drittel der energiebedingten Emissionen. Die Erkenntnis, dass echter Impact nur entsteht, wenn man auch aktiv etwas in der realen Welt verändert, kombiniert mit dem Fakt nicht nur “eine weitere” Softwarelösung zu bauen, hat zum Thema Gebäudedämmung geführt.

Wie kam es zur Gründung von VARM, und welche zentrale Problemstellung wollten Sie damit lösen?

Die Idee entstand nach meiner Recherche über den Gebäudesektor. Hier filterte sich dann relativ schnell das Thema Dämmung heraus, da dies der effizienteste Weg ist, Gebäude zu dekarbonisieren. Zusätzlich half die Überraschung darüber, dass der Markt noch sehr fragmentiert ist. Es gibt einerseits super viele, kleine Handwerksbetriebe und andererseits nicht genügend, um die Anzahl von Dämmungen zu gewährleisten, die es braucht, um die Dekarbonisierung im Sektor voranzubringen. VARM wurde gegründet, um Dämmung als skalierbaren Service anzubieten.

Sie sagen, echte Klimawirkung braucht physischen Wandel. Warum ist für Sie gerade der Gebäudesektor der Schlüssel zu mehr Klimaschutz?

Das hat vor allem mit dem bereits genannten Ausmaß zu tun: Der Gebäudesektor verursacht rund 40 Prozent aller Emissionen, vor allem durch veraltete Bestandsgebäude und deren Energieverbrauch. Gleichzeitig sind 90 Prozent der Gebäude von 2050 bereits gebaut. Ca. 80 Prozent aller Gebäude müssen noch saniert werden. Wenn wir hier nicht sanieren, verpassen wir das Klimaziel, egal, wie gut wir digitalisieren, wie smart wir neu bauen oder CO₂ kompensieren. In Deutschland ist besonders der Altbaubestand entscheidend: Millionen unsanierter Ein- und Zweifamilienhäuser sind energetisch unzureichend.

Inwiefern ist Hausdämmung Ihrer Meinung nach ein unterschätzter Hebel für die Energiewende?

Dämmung senkt den Energiebedarf direkt, unabhängig von Energieform oder Preis. Sie wirkt sofort, unsichtbar und für Jahrzehnte. Studien zeigen auch: Sie bringt mehr als der Austausch der Heiztechnik. Ein Beispiel: Eigentümer setzen oft Solaranlagen aufs Dach oder bauen Wärmepumpen ein, um Kosten und Energie zu sparen. Das sind Maßnahmen, die medial stark vertreten waren oder noch sind. Wenn aber die Wärme im Haus nicht gehalten werden kann, dann nutzen diese Einsparungen wenig. Nur Dämmung kann die Wärme im Haus halten. Schlechte Dämmung ist wie kontinuierliches Heizen mit offenem Fenster

Handwerk und Fachkräftemangel sind zentrale Herausforderungen im Sanierungsmarkt. Wie begegnen Sie diesen mit Ihrer Infrastrukturstrategie?

VARM begegnet dem Fachkräftemangel mit Pionierarbeit, dem Aufbau eines Franchisesystems, dass es so im Handwerk noch nicht gibt. Wir qualifizieren Fachkräfte selbst, mit praxisnaher Schulung, digitalen Tools und einer echten beruflichen Perspektive. Langfristig ermöglichen wir unseren Angestellten den Schritt in die Selbstständigkeit. Statt sich um Akquise, Steuern oder Administration zu kümmern, übernehmen eigenständige Handwerker die Aufgaben, die sie am Besten können: dämmen. Alles andere kommt von uns, vom Kundenkontakt über die Materiallogistik bis hin zu Angebot, Rechnung und Förder-Hilfen. Und auch die Ausstattung steht: Hilti-Werkzeug, MB Sprinter, Tablet, Smartphone. So entsteht ein System, in dem Handwerk wieder Spaß macht und skaliert. Die ausgegründeten Handwerker benötigen dafür kein Eigenkapital und können alles, was sie benötigen, durch ein Abo-Modell von uns beziehen.

Viele Eigentümer zögern bei energetischen Sanierungen. Wie schafft VARM es, sie von der Notwendigkeit und dem Nutzen einer Dämmung zu überzeugen?

Wenn wir einmal erklärt haben, dass Energieeinsparung schwer zu erreichen ist, wenn das Haus die Wärme nicht halten kann, ist meist nicht mehr viel Überzeugungsarbeit nötig. Es geht dann eher um die Kosten und den Prozess. Wir kombinieren schnelle, transparente Prozesse mit klarer Kommunikation und Festpreismodellen. Eigentümer:innen erleben Dämmung als unkomplizierten, messbaren Schritt statt als Großbaustelle. Vor allem wollen wir hochqualitative Dämmungen breit und einfach zugänglich machen. Alle unsere Handwerker sind von uns ausgebildet und liefern ein Premium-Produkt ab. Zusätzlich ermöglichen wir einfacheren Zugang, zum Beispiel durch eine einfache Ratenzahlung.

Sie haben vorher ein Startup im Longevity-Bereich aufgebaut. Welche Erfahrungen aus dieser Gründungsphase waren für VARM besonders wertvoll?

Genau, das erste Startup im Longevity-Bereich gründete ich während Corona, zusätzlich zu meinem Job in der Management-Beratung. Das war, als der E-Commerce-Markt boomte, das half, einen Käufer für unsere Marke zu finden. Danach wollte ich etwas mit Impact gründen und bastelte mit dem damaligen Ex-getir-Deutschland-Chef und heutigen onu.energy-Gründer Tobias Brühne an einer Idee für Wärmepumpen. Die Idee war richtig, das Timing zu früh. Diese Erfahrung hat die Gründung von VARM dann stark beeinflusst. Vor der Gründung haben wir mit Handwerker:innen, Eigentümer:innen und Energieberater:innen gesprochen und deren Probleme gut verstanden. VARM ist dadurch bodenständiger und robuster aufgebaut.

Welche politischen oder regulatorischen Rahmenbedingungen müssten sich Ihrer Meinung nach verbessern, um flächendeckende Gebäudesanierungen zu beschleunigen?

Wir brauchen verbindliche Standards, vor allem im B2B Segment der Industrie. Natürlich helfen pragmatischere Förderprozesse und weniger Bürokratie bei der Umsetzung. Unsicherheit über Konditionen oder kurzfristige Änderungen in der Regulatorik bremsen Sanierungsvorhaben aus. Außerdem: mehr Fokus auf die Fachkräfte-Frage. Hier entscheidet sich die Realisierbarkeit.

Wie wichtig ist Ihnen die Zusammenarbeit mit Kommunen, Energieberatern oder anderen Partnern auf dem Weg zur Wärmewende?

Sie ist zentral. Die Wärmewende ist ein Gemeinschaftsprojekt. Kommunen, lokale Partner und Energieberater schaffen Vertrauen, sorgen für Reichweite und bringen die nötige Vernetzung vor Ort. Gerade erst wurde beispielsweise die Partnerschaft mit dem Ring Deutscher Makler bekannt gegeben. Solche Kooperationen, auch die mit Vattenfall, sind entscheidend, um das Bewusstsein für die Bedeutung von Dämmung zu stärken und um Eigentümern sowie Hausverwaltungen konkrete, skalierbare Lösungen anzubieten. Wir wollen diesbezüglich definitiv zukünftig skalieren.

Wie gelingt es Ihnen, unternehmerisches Denken mit dem Anspruch auf gesellschaftliche Wirkung zu verbinden?

Wirtschaftliche Skalierung und gesellschaftlicher Impact schließen sich nicht aus. Im Gegenteil: Wenn ein Geschäftsmodell ein strukturelles Problem löst, dann entstehen beides, Wertschöpfung und Wirkung. Bei VARM sind CO₂-Einsparung, neue Jobs im Handwerk und eine beschleunigte Wärmewende keine Nebeneffekte, sondern unser Kernprodukt. Das macht die unternehmerische Entscheidung oft sogar klarer, weil sie entlang echter Relevanz fällt.

Was möchten Sie mit VARM erreichen – jenseits der Zahl „eine Million Häuser“?

Bis 2030 soll die Dämmung selbstverständlicher Bestandteil jeder energetischen Sanierung sein. Wir wollen erreichen, dass Eigentümer:innen die Dämmung nicht mehr als komplizierten Eingriff, sondern als klaren, bezahlbaren und wirksamen Standard erleben, mit messbarer CO₂-Wirkung und spürbarer Heizkostenersparnis.
Gleichzeitig geht es um viel mehr als Gebäude. VARM will zeigen, wie man Handwerk und Klimaschutz zusammendenken kann. Eine duale Lösung für zwei der größten Herausforderungen Europas: den Fachkräftemangel und die Dekarbonisierung im Bestand. Wir möchten eine Struktur schaffen, in der neue Fachkräfte ausgebildet, ausgestattet und unternehmerisch gestärkt werden. Wenn bis 2030 VARM-Dämmteams überall in Europa unterwegs sind, Hausbesitzer, Kommunen und Wohnungswirtschaft mit uns arbeiten und junge Handwerker:innen sich wieder bewusst für den Einstieg in die Branche entscheiden, dann haben wir mehr erreicht als nur Sanierungszahlen.

Titelbild Teambild @VARM

Wir bedanken uns bei Christian Gruene für das Interview

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder

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