Veecle ist ein Berliner Deep-Tech-Startup mit Fokus auf Fahrzeugsoftware. Das Unternehmen vereinfacht die Entwicklung vernetzter Maschinen durch ein offenes Betriebssystem und eine cloudbasierte Plattform.
Können Sie uns Veecle kurz vorstellen und erzählen, wer die Gründer sind und welche Hintergründe Sie mitbringen?
Veecle ist ein Deep-Tech-Startup aus Berlin, das die Software-Entwicklung für Fahrzeuge und andere vernetzte Maschinen radikal vereinfacht. Wir haben ein offenes Betriebssystem und eine cloudbasierte Entwicklungsplattform (SaaS) geschaffen, mit der Hersteller eigene Funktionen entwickeln, testen und direkt auf ihre Produkte bringen können – schnell, sicher und unabhängig von Zulieferern. Gegründet wurde Veecle von einem internationalen Team aus Deutschland, Italien und Südkorea. Die Gründer:innen vereinen Erfahrung aus der Automobilindustrie, Open-Source-Entwicklung und Software-Sicherheit – vom Autohersteller über den Zulieferer bis zur akademischen Forschung.
Welche Vision verfolgt Veecle mit seinem Betriebssystem für softwaredefinierte Fahrzeuge und wie möchten Sie diese umsetzen?
Unsere Vision ist es, die Softwareentwicklung in Fahrzeugen so einfach zu machen wie App-Entwicklung auf dem Smartphone. Heute sind viele Hersteller noch in komplexe Lieferketten und starre Prozesse verstrickt. Mit Veecle geben wir ihnen die Freiheit, eigene Innovationen schnell umzusetzen – unabhängig von Zulieferern und großen Tech-Konzernen.
Um das zu erreichen, bieten wir eine durchgängige Plattform, auf der Ideen direkt zu funktionierendem Code werden – nicht zu PowerPoint-Folien. KI-gestützte Werkzeuge helfen, neue Funktionen automatisch zu generieren, zu testen und nahtlos in die bestehende Software zu integrieren. Entwickler können ihre Anwendungen sogar in einem virtuellen Fahrzeug auf virtueller Hardware ausprobieren, lange bevor reale Komponenten existieren. Das reduziert Entwicklungszyklen dramatisch und macht Softwareentwicklung endlich so agil, wie sie sein sollte.
Für welche Zielgruppen haben Sie Veecle entwickelt und welche konkreten Probleme lösen Sie dort?
Veecle richtet sich an alle, die komplexe, vernetzte Maschinen entwickeln – von Automobilherstellern und Zulieferern bis hin zu Herstellern von Landmaschinen, Robotern oder IoT-Geräten. Das Grundproblem ist überall dasselbe: Softwareentwicklung dauert zu lange, ist zu teuer und zu stark von geschlossenen Systemen abhängig.
Automobilhersteller (OEMs) nutzen Veecle, um ihre gesamte Softwarearchitektur zentral zu gestalten. Ihre Entwickler können über einfache, einheitliche Schnittstellen – sogenannte High-Level APIs – komplexe Systeme steuern. So genügt etwa ein Befehl wie hazards.blink(), um den Warnblinker zu aktivieren. Verschiedene Teams können denselben Befehl wiederverwenden – beim Öffnen des Fahrzeugs, beim Bremsen oder bei Gefahrensituationen. Das spart Zeit und sorgt für sauberen, wartbaren Code.
Zulieferer wiederum können ihr wertvolles Fachwissen endlich als reine Softwareprodukte anbieten. Unsere Open-Source-Plattform ermöglicht ihnen, ihre Algorithmen – etwa für ABS-Bremsen oder Fahrstabilität – sicher und verschlüsselt bereitzustellen, ohne den Quellcode offenzulegen. Der Hersteller kann diese Komponenten dann an seine Hardware und Systeme anpassen. So entsteht erstmals ein Markt für „Software as a Product“ in der Mobilität.
Wie gelingt es Ihnen, mit Ihrem Ansatz sowohl traditionelle Automobilhersteller als auch andere Branchen wie Landwirtschaft oder IoT zu erreichen?
Am Ende sprechen all diese Branchen dieselbe Sprache – nur in unterschiedlichen Dialekten. Ob Auto, Traktor oder Drohne: Überall stecken heute kleine Computer (Mikrocontroller), die miteinander kommunizieren und höchste Sicherheits- und Qualitätsstandards erfüllen müssen. Genau für dieses Ökosystem haben wir Veecle OS entwickelt.
Unsere Plattform ist modular aufgebaut und lässt sich flexibel an jede Anwendung anpassen – von Fahrassistenzsystemen über autonome Landmaschinen bis hin zu smarten IoT-Geräten. In Kombination mit unserem Entwicklungsstudio und KI-Unterstützung können Teams schnell eigene Funktionen erstellen, testen und auf reale Hardware bringen, ohne sich tief in die Elektronik einzuarbeiten.
So profitieren klassische Autohersteller ebenso wie Firmen aus Landwirtschaft, Bau oder Industrie von derselben Basis – und können sofort durchstarten, statt jedes Mal das Rad neu zu erfinden.
Was unterscheidet Veecle OS von bestehenden Lösungen und wo liegt Ihr wichtigster Wettbewerbsvorteil?
Viele heutige Systeme in Fahrzeugen oder Maschinen sind historisch gewachsen: Sie bestehen aus Softwarebausteinen verschiedener Zulieferer, die mühsam zusammengesetzt werden müssen. Das macht Änderungen langsam, teuer und fehleranfällig.
Veecle OS geht einen völlig neuen Weg. Es ist offen, interoperabel und Open Source – kein weiterer Software-Standard, sondern eine gemeinsame Basis, auf der alle Geräte zusammenarbeiten können. Und es ist in Rust geschrieben – einer neuen Programmiersprache, die für maximale Robustheit und Sicherheit entwickelt wurde.
Mit Rust lassen sich erstmals selbst sehr unterschiedliche Systeme – vom winzigen Mikrocontroller bis zum Hochleistungsrechner – unter einer einheitlichen Code-Basis zusammenfassen. Fehler, die bei älteren Sprachen wie C oder C++ oft nur durch manuelle Prüfungen oder Meetings vermieden werden konnten, erkennt der Compiler automatisch. Das reduziert Risiken, spart Zeit und ermöglicht ein bislang unerreichtes Qualitätsniveau.
Unser größter Vorteil: Veecle vereint Offenheit, Sicherheit und Geschwindigkeit – und bringt so moderne Software-Prinzipien in eine Branche, die sie dringend braucht.
Welche Herausforderungen begegnen Ihnen bei der Entwicklung einer offenen Plattform für sicherheitskritische Anwendungen?
Eine der größten Herausforderungen ist, viele Unternehmen überhaupt für den Gedanken von offener, sicherer Software zu gewinnen. In der alten Welt galt: Open Source sei gefährlich, weil „jeder am Code herumbasteln“ könne oder vertrauliches Wissen verloren ginge. Doch moderne Softwareentwicklung funktioniert längst anders.
Heute sorgen Plattformen wie GitHub, Code-Reviews und automatisierte Testpipelines dafür, dass jede Codeänderung überprüft, getestet und dokumentiert wird. Qualität wird nicht dem Zufall überlassen, sondern durch Prozesse wie CI/CD, Coverage-Tests und automatische Sicherheitsscans gewährleistet.
In diesem System sind wir der Maintainer des Kernsystems – also die Instanz, die über Änderungen entscheidet und für Stabilität sorgt. Dritte können Beiträge einreichen, aber nichts direkt verändern. Gleichzeitig fördern wir ein wachsendes Ökosystem aus Plug-ins, die von Partnern entwickelt werden. Diese Erweiterungen bleiben vollständig kompatibel, ohne den sicheren Kern zu beeinflussen.
Viele Unternehmen entdecken gerade erst, dass Offenheit nicht Unsicherheit bedeutet – sondern der einzige Weg ist, Tempo, Innovation und Vertrauen in sicherheitskritischen Systemen zu vereinen.
Wie wichtig ist die Open-Source-Ausrichtung von Veecle für Ihre Kunden und Partner?
Open Source ist zentral! Es ist einer der Hauptgründe, warum sich Kunden und Partner für uns entscheiden. Open Source beschleunigt Innovation: Ingenieure können Veecle sofort ausprobieren, ohne langwierige Freigaben oder Beschaffungsabteilungen. Wenn es funktioniert, verbreitet sich die Lösung intern von selbst – ganz ohne Vertrieb.
Offenheit schafft außerdem Vertrauen. Jeder kann den Code prüfen und verstehen, anstatt einer Black Box zu vertrauen. Das vermeidet Abhängigkeiten und gibt Unternehmen echte Kontrolle über ihre Systeme.
Open Source wirkt bei uns auch als Magnet für Talente – gute Entwickler wollen an sichtbaren, zukunftsweisenden Projekten arbeiten. Und Sicherheit entsteht hier nicht trotz, sondern durch Transparenz: Je mehr Experten auf den Code schauen, desto robuster wird er.
Können Sie uns einen Einblick geben, welche zukünftigen Entwicklungen und Features bei Veecle geplant sind?
Aktuell starten wir den Software-as-a-Service-Launch von Veecle DevStudio – damit können Entwickler erstmals komplette Systeme direkt im Browser entwerfen, testen und bereitstellen, wahlweise in der Cloud oder auf eigener Infrastruktur.
Der nächste Schritt ist unser Plug-in-Ökosystem: Wir arbeiten mit Partnern wie Chipherstellern und Tool-Anbietern daran, ihre Standards und Entwicklungsboards nativ mit Veecle kompatibel zu machen. So entsteht ein Netzwerk, in dem jede Integration Mehrwert für alle bringt.
Langfristig denken wir in Richtung Software-as-a-Product. Zulieferer sollen ihr jahrzehntelang aufgebautes Fachwissen als sichere, verschlüsselte Software-Komponenten anbieten können – kompatibel mit jeder Hardware, jedem Betriebssystem und jedem Kommunikationsstandard. So entsteht ein echter Marktplatz für Know-how – und ein völlig neuer Weg, Wertschöpfung in der Industrie zu denken.
Wie wollen Sie mit Veecle dazu beitragen, dass europäische Hersteller unabhängiger von großen Tech-Konzernen werden?
Europa braucht wieder Kontrolle über seine technologische Basis – genau hier setzt Veecle an. Statt auf geschlossene Systeme aus den USA oder China angewiesen zu sein, bieten wir mit Veecle OS eine offene Grundlage, auf der alle Hersteller aufbauen können.
Darauf aufbauend entsteht das Veecle DevStudio – unsere browserbasierte Entwicklungsplattform, die Entwicklung so einfach macht wie nie zuvor. Sie ist kommerziell, aber fair: kein Abo-Lock-In, keine künstlichen Barrieren wie bei manchen Industrie-Tools. Wer möchte, kann auch selbst kompilieren, konfigurieren und Pipelines einrichten – aber DevStudio nimmt diese Komplexität ab, sodass Teams schneller von der Idee zur lauffähigen Software kommen.
Unser Ziel ist, dass Veecle als Technologie-Player wahrgenommen wird, für den man gern bezahlt, weil er echten Nutzen schafft – und gleichzeitig Europas Hersteller wieder unabhängig macht.
Welchen Stellenwert hat das Thema Sicherheit und Zuverlässigkeit in Ihrer Arbeit und wie stellen Sie diese dauerhaft sicher?
Sicherheit ist bei uns kein Zusatz, sondern der Kern unserer Arbeit. Alle drei Gründer kommen aus der Cybersecurity – von IT-Infrastruktur bis zu Fahrzeugnetzwerken – und dieses Denken prägt Veecle von Anfang an. Wir folgen dem Prinzip „Security by Design“, nicht „Security as an Afterthought“.
Ein entscheidender Faktor ist dabei die Wahl unserer Technologie: Rust. Diese Programmiersprache eliminiert ganze Klassen von typischen Programmierfehlern, die in C oder C++ oft zu Sicherheitslücken führen. Rust überprüft beim Kompilieren, ob Speicher und Datenzugriffe sicher sind – lange bevor der Code überhaupt läuft.
Darüber hinaus setzen wir auf Code Reviews, automatisierte Tests, Coverage-Analysen und kontinuierliche Integration (CI/CD), um Zuverlässigkeit messbar zu machen. So entsteht Software, die nicht nur funktioniert, sondern nachweislich sicher ist – von der ersten Codezeile bis zum laufenden System.
Welche drei Ratschläge würden Sie anderen Gründerinnen und Gründern aus Ihrer bisherigen Erfahrung mitgeben?
- Such dir ein Problem, das weh tut – und das andere lieber meiden.
Die besten Ideen liegen dort, wo alle sagen: „Das ist zu kompliziert.“ Wenn du ein echtes Grundproblem löst, brauchst du später keine großen Marketingworte – das Produkt spricht für sich. - Nutze deine Freiheit, Dinge einfach zu tun.
Als Startup hast du den Luxus, etwas zu bauen, bevor jemand sagt, warum es nicht geht. Zeig, was technisch möglich ist – selbst wenn später abgespeckt wird. Der Vorsprung, den du dadurch erreichst, ist riesig im Vergleich zu Projekten, die von Anfang an auf Sicherheit getrimmt sind. - Investiere früh in erfahrene Talente.
Senior-Leute sind teuer, aber sie machen aus Monaten Tage. Erfahrung spart nicht nur Zeit, sondern verhindert Fehler, bevor sie entstehen – das ist der schnellste Weg zu echtem Fortschritt.
Wo sehen Sie Veecle in den kommenden fünf Jahren und welche Rolle möchten Sie in der Mobilitäts- und Maschinenwelt spielen?
In fünf Jahren soll Veecle das führende offene Betriebssystem für komplexe Produkte sein – überall dort, wo Software und Hardware zusammenkommen. Ob Auto, Landmaschine oder Industrieanlage: Wir wollen die gemeinsame Basis liefern, auf der Innovation entsteht.
Darauf aufbauend sehen wir Veecle als Marktplatz für Kreativität – ein Ökosystem, in dem Drittanbieter ihre eigenen Ideen und Funktionen entwickeln können. So wie das iPhone einst den App Store hervorgebracht hat, soll Veecle es ermöglichen, dass Entwickler völlig neue Anwendungen schaffen, an die heute noch niemand denkt.
2007 hätte niemand geglaubt, dass man mit einem Smartphone Fitness tracken, Aktien handeln oder die schönste Motorradroute planen kann. In fünf Jahren wird man sich fragen: Warum war das bei Maschinen und Fahrzeugen nicht schon immer so einfach?
Teambild Bildcredits @ Veecle
Wir bedanken uns bei Dr.-Ing. Stefan Nürnberger, Sohyeon Park und Daniel Frassinelli für das Interview
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder