Mittwoch, April 17, 2024
StartRechtVertrauensurlaub: Nimm Dir frei, so viel Du willst!

Vertrauensurlaub: Nimm Dir frei, so viel Du willst!

Start-up-Unternehmen sind als Arbeitgeber interessant. Gerade für Menschen, denen Freiheit, Autonomie, Vertrauen und Wertschätzung bei der Arbeit wichtig sind. Die sich einbringen und trotzdem Zeit für sich und ihr Privatleben haben wollen. Denn Start-up-Unternehmen stehen für flache Hierarchien, selbständiges, ortsungebundenes Arbeiten und flexible Arbeitszeiten. Zunehmend stehen sie aber auch für „so viel Urlaub, wie Du willst“. Vertrauensurlaub erfreut sich immer mehr Beliebtheit. Immer öfter auch bei erfahrenen Unternehmen. Er steigert die Attraktivität als Arbeitgeber. Bei der Einführung und Umsetzung sind aber einige Rahmenbedingungen zu berücksichtigen.

Was ist Vertrauensurlaub?

Eine Definition des Vertrauensurlaubs gibt es nicht. Gemeint ist damit, dass jede Person für sich selbst entscheidet, wie viele bezahlte Urlaubstage sie in einem Jahr braucht und wann sie diese nehmen möchte. Vorgaben sind dabei nicht zu beachten. Es muss lediglich sichergestellt sein, dass die Arbeit erledigt wird und festgesetzte Ziele erreicht werden. Vorreiter hierbei ist der Streaming-Dienst Netflix. Weitere Unternehmen haben nachgezogen, mit in der Regel positiven Erfahrungen.

Vor- und Nachteile

Die Vorteile liegen klar auf der Hand: Der Arbeitgeber lässt seine Beschäftigten frei entscheiden, wie lange sie gegen Geld frei haben möchten. Das heißt, er vertraut ihnen und überträgt ihnen Verantwortung. Vertrauen und Verantwortung bedeuten Wertschätzung, Wertschätzung führt zu Motivation. Gleichzeitig sind die Beschäftigten durch das Mehr an Freizeit besser erholt. Und motivierte und erholte Beschäftigte arbeiten einfach besser. Zugleich entfällt für Arbeitgeber ein Großteil des administrativen Aufwands, der mit dem klassischen Urlaub und dessen Verwaltung einhergeht. Die dadurch freiwerdende Arbeitskraft kann anderweitig und sinnvoll genutzt werden.

Es gibt aber auch Nachteile. Nicht jeder Mensch bringt das erforderliche Maß an Organisation mit, um seine Urlaubstage frei einzuteilen, zugleich sicherzustellen, dass die Arbeit gemacht wird und seine Ziele erreicht werden. Das kann dazu führen, dass gar kein Urlaub genommen wird, mit möglichen Konsequenzen wie Überarbeitung, Überlastung und Krankheit. Auch der für die Beschäftigten anfallende administrative Aufwand ist nicht jedermanns Sache. So müssen sich die Beschäftigten untereinander abstimmen und ihre Termine koordinieren, wobei es auch zu Unstimmigkeiten kommen kann.

Vereinbarung erforderlich

Das Bundesurlaubsgesetz kennt den Vertrauensurlaub nicht. Es legt aber fest, wie viel Urlaub jedem Beschäftigten in Deutschland mindestens zusteht (bei einer 5-Tage-Woche 20 Arbeitstage). Weniger Urlaub dürfen Arbeitgeber ihren Beschäftigten nicht geben. Dies muss auch im Zusammenhang mit Vertrauensurlaub zwingend sichergestellt werden. Schon aus diesem Grund empfiehlt sich eine ausdrückliche Vereinbarung. Darin sollte deutlich zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und dem Vertrauensurlaub unterschieden werden. Auch muss geregelt werden, dass genommener Urlaub zunächst auf den gesetzlichen Urlaub angerechnet wird. 

Ein solches Vorgehen hat zugleich den Vorteil, dass die zwingenden Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes nicht für den Vertrauensurlaub gelten. Es können mithin hierfür abweichende Regelungen getroffen werden, insbesondere zu den Themen

Übertragung in das Folgejahr/Verfall,

Hinweispflicht und

Abgeltung.

Dokumentation jedenfalls über Mindesturlaub sinnvoll

Viele Arbeitgeber möchten Vertrauensurlaub einführen, um jeglichen administrativen Aufwand zu vermeiden. Gleichwohl bietet sich jedenfalls für den Mindesturlaub eine gewisse Art der Dokumentation an. Denn nur so kann sichergestellt werden, dass er tatsächlich genommen und Überlastung möglichst vermieden wird. Auch die erforderliche Hinweispflicht kann nur so erfüllt werden. Verlangt diese für den Verfall doch, dass der Arbeitgeber den Beschäftigten darauf hingewiesen hat, dass er noch Urlaubstage hat und diese nehmen soll, weil sie andernfalls verfallen. Sonst besteht das Risiko, dass sich der gesetzliche Mindesturlaub ansammelt und im Falle einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgegolten werden muss.

Grenzen setzen

Zudem sollten Arbeitgeber der Urlaubsfreiheit in ihrem eigenen Interesse insbesondere in folgenden Bereichen Grenzen setzen:

Kein unbeschränkter Urlaub nach einer Kündigung. Nur so ist eine ordnungsgemäße Übergabe möglich. Zudem könnten Beschäftigte sich sonst für die Dauer der Kündigungsfrist einseitig freistellen. 

Entsprechende Regelung für Krankheit und Elternzeit. Andernfalls kommen Beschäftigte schnell zu einem dauerhaften Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Nämlich dann, wenn sie sich nicht mehr krankschreiben lassen bzw. keine Elternzeit beantragen, sondern einfach Urlaub nehmen. 

Sinnvoll können auch Regeln zur maximalen Anzahl von am Stück genommenen Urlaubstagen oder zur Mindestanzahl von Beschäftigten, die anwesend sein müssen, sein. 

Vermeidung von Missbrauch durch Befristung der Regelung oder einen Widerrufsvorbehalt. 

Nicht zu vergessen ist auch die variable Vergütung. Hier muss in jedem Fall geregelt werden, wie Zeiten des Urlaubs berücksichtigt werden. 

Der Betriebsrat muss mit ins Boot

Auch wenn Arbeitgeber über die Einführung von Vertrauensurlaub frei entscheiden können, ist bei der Festlegung von Regelungen zur Inanspruchnahme die ordnungsgemäße Einbindung eines bestehenden Betriebsrats zu beachten. Denn hierbei handelt es sich um die Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze, für die das Gesetz ein Mitbestimmungsrecht regelt. 

Wie geht es weiter?

Vertrauensurlaub wird gerade im Kampf um qualifizierte und motivierte Fachkräfte weiter an Bedeutung gewinnen. Insbesondere für die jüngere Generation, der Freiheit und Autonomie wichtiger sind als das Gehalt. Wenn Arbeitgeber gewisse Rahmenbedingungen festgelegen und die Einführung durch eine klare Vereinbarung erfolgt, können sowohl Arbeitgeber als auch Beschäftigte von den Vorteilen profitieren.  

Autor:

Rechtsanwältin Lisa-Marie Niklas ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Partnerin der Fokusgruppe HR.Law bei ARQIS. Sie verfügt über große Erfahrung bei der Beratung von Unternehmen zur Einführung neuer Arbeitsmethoden und bei Ausgliederungs- und Restrukturierungsvorhaben.

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder

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