Mittwoch, April 24, 2024
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Warum B-Corp mehr als ein Zertifikat ist

Wer sich privat oder beruflich mit Nachhaltigkeitsinitiativen beschäftigt hat, ist mit dem Namen “B-Corp” vertraut. Mit 6500 Mitgliedern aus 89 Ländern ist das Unternehmensnetzwerk eines der einflussreichsten seiner Art. Unternehmen, die mit dem weltweit anerkannten Gütesiegel ausgezeichnet werden wollen, müssen sich dem sogenannten “B Impact Assessment” unterziehen.

Hier werden die internen Prozesse und die angebotenen Produkte der Kandidaten entlang der gesamten Lieferkette auf ihre ökologischen und sozialen Auswirkungen hin überprüft und nach höchsten Standards ausgewertet. Gemachte Angaben werden verifiziert, eine verpflichtende Satzung aufgesetzt, ein Vertrag unterschrieben und eine Zertifizierungs- und Jahresgebühr bezahlt. Wer dabei bleiben möchte, muss das Impact Assessment außerdem alle drei Jahre erneut durchlaufen. 

Alles nur gekauft?

Sowohl für Bewerber, als auch für Mitglieder des B-Corp bedeutet dies also einen hohen  Zeit- und Kostenaufwand, der nahelegt, dass ein ernsthaftes Interesse hinter dem Beitritt liegt. Dennoch ist einerseits die Rede davon, dass der Prozess der Zertifizierung nicht transparent genug und die Überprüfung der zu erfüllenden Kriterien nicht streng genug sei. Andererseits wird argumentiert, dass die Zertifizierung nur für Unternehmen zugänglich ist, die bereits eine gewisse soziale und ökologische Verantwortung übernehmen – dies würde wiederum kleineren Unternehmen die Aufnahme erschweren. Bestehende B-Corp-Unternehmen unterstellen Kritiker:innen zudem, dass das Zertifikat lediglich aus Image-Gründen “gekauft” wurde. 

Die folgenden Erfahrungsberichte vom Weg zur Zertifizierung und den anhaltenden Auswirkungen auf das Tagesgeschäft eines Mitglieds zeigen, warum B-Corp für Unternehmen deutlich mehr, als Marketing ist: 

Impact-Assessment: Ein objektiver Blick in den Spiegel

Auch wenn Zertifizierung und Mitgliedschaft mit Kosten verbunden sind, können alle Unternehmen die Richtlinien für einen B-Corp-Beitritt kostenlos als Diagnosetool zur eigenen Ausrichtung nutzen. Das enthaltene Punktesystem bewertet objektiv und prüft anhand von verschiedenen Punkten das unternehmerische Engagement zum Klimaschutz.  Kurz vor der Bewerbung stehen, sollten Unternehmen auf folgendes achten: 

Der Score: Reichen Sie Ihren Fragebogen nicht ein, wenn Sie nicht mindestens 90 Punkte erreicht haben (Sie verlieren während des Assessments Punkte).

Sicher ist sicher: Vergewissern Sie sich, dass Sie –  für den Prüfer nachvollziehbare – Belege für jede Ihrer Angaben haben, bevor Sie sie mit “Ja” beantworten. Außerdem sollten für alle KPIs, die Sie in den Fragebogen eintragen, die entsprechenden Rohdaten zur Verfügung stehen.

Formalisierung: Prüfen Sie, wie Sie Ihr Ergebnis verbessern können, indem Sie das, was Sie bereits tun, formell festhalten. In unserem Fall haben wir festgestellt, dass wir bereits viele gute Praktiken leben, einige jedoch nicht in einer Richtlinie oder einem Leitfaden festgehalten waren. 

Kapazitäten schaffen: Die Auditphase erstreckt sich über einige Wochen und durchleuchtet Ihr Unternehmen gründlich. Daher sollte sichergestellt sein, dass betroffene Mitarbeiter genügend Kapazitäten haben, um den Prozess bestmöglich zu unterstützen. 

Endlich Mitglied: Doch was hat sich geändert?

Grundsätzlich gilt der Beitritt zu B-Corp für die Mehrheit der Unternehmen als Anlass zur internen Neuausrichtung in Richtung einer nachhaltigen Unternehmensführung. Doch selbst für Unternehmen wie Back Market, deren Kernwerte und Praktiken seit der Gründung auf Nachhaltigkeit ausgerichtet waren, hat das Impact Assessment einen Mehrwert: So wurde vor allem darauf aufmerksam gemacht, welche Praktiken zwar schon gelebt, aber im Tagesgeschäft noch nicht expliziert wurden. Ausnahmen bilden hierbei Back Market’s, in der Unternehmenssatzung verankerte,  Zielsetzung „Empower people to make machines last through circularity and repair“ (zu Deutsch: Menschen befähigen, Maschinen durch Kreislaufwirtschaft und Reparaturen haltbar zu machen) und den Einsatz eines Lenkungsausschusses, der sich aus zwei Mitarbeitern und fünf externen Mitgliedern zusammensetzt und die Erfüllung des gesetzten Zieles überprüft.

Beide Umstände waren im Unternehmen schon geraume Zeit vor dem Beitritt zu B-Corp gegeben. Sie sind zwar keine Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft, bringen im Assessment jedoch einen Punktevorteil. Überdies hilft ein Leitsatz Mitarbeitenden als Orientierung im täglichen Geschäft. Allgemein gibt die Formalisierung der Ansprüche und Glaubenssätze sowohl für Führungskräfte als auch Mitarbeiter eine hilfreiche Orientierung bei allen Geschäftsentscheidungen – operational oder strategisch. Ebenso stellt der Audit den aktuellen Stand des Unternehmens hinsichtlich seiner ESG-Konformität dar, was eine wunderbare Grundlage für weitere Optimierung in diesem Bereich bietet. 

B-Corp beeinflusst nicht nur sein Unternehmensnetzwerk, sondern auch die Verbraucher:innen

Im Rahmen des Aufnahmeprozesses wird das Augenmerk zwar vorrangig auf interne Bedingungen gelegt, wir haben jedoch die Erfahrung gemacht, dass eine Mitgliedschaft ebenfalls Anreize für ein verstärktes Engagement auf gesellschaftlich-politischer Ebene bieten kann. Im Falle Back Markets wird sich bereits Jahre vor der Aufnahme in den B-Corp  auf Europäischer Ebene für die Ratifizierung des “Right to Repair”, sowie der Initiativen “Ecodesign for Sustainable Regulation” (ESPR) und zeitgemäßen Regulierungen von Batterien, Tablets und “schnurlosen” Telefonen – ja, Sie haben richtig gelesen – eingesetzt. Die Aufnahme solcher Mitglieder setzt neue Vorbilder für aktuelle und künftige Mitglieder.

Zuletzt lässt sich noch hinzufügen, dass das wachsende B-Corp Netzwerk Verbraucher:innen ermöglicht, bewusstere Kaufentscheidungen zu treffen, was wiederum einen Einfluss auf potenzielle Mitglieder haben kann. Ein fehlendes verbindliches Commitment zu nachhaltigen Standards könnte sich für Unternehmen zum Nachteil auswirken in einer Gesellschaft, wo Verbraucher:innen sich immer mehr um einen umweltbewussten Lifestyle bemühen. – Laut dem HDE Konsummonitor beeinflusst Nachhaltigkeit entlang der Lieferkette bei 58 Prozent der Menschen die Konsumentscheidungen.

Autor:

Camille Richard engagiert sich als Head of Sustainability bei Back Market, einem der führenden Unternehmen für erneuerte Technikgeräte, für die Reduzierung der negativen Auswirkungen von Elektronik auf die Umwelt. Für ihre Arbeit erhielt sie 2021 den Hub35 Sustainable Award.

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Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.

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