wir-liefern.org virtuelle Fußgängerzone für lokale Unternehmen
Stellen Sie sich und das Unternehmen wir-liefern.org doch kurz unseren Lesern vor!
wir-liefern.org ist eine Plattform, die den Einzelhandel und die Gastronomie kostenlos unterstützt. Als virtuelle Fußgängerzone bieten wir lokalen Unternehmen aus ganz Deutschland die Möglichkeit, sich online mit ihren Liefer- und Abholangeboten zu präsentieren und so mit neuen und alten Kunden zusätzlichen Umsatz zu generieren. Keine neun Monate nach unserem Start nutzen dieses Angebot bereits mehr als 1000 lokale Läden, Restaurants und Dienstleistungsbetriebe.
Unser Gründerteam besteht aus drei Personen: Thomas Reichert ist Geschäftsführer der Düsseldorfer digitalbauhaus GmbH mit Erfahrung in hunderten von Softwareprojekten in eCommerce, Versicherungswirtschaft und Handel. Christian Hasselbring arbeitet als Digitalberater und blickt auf mehr als 20 Jahre Managementerfahrung in Führungsfunktionen großer Verlage und digitaler Produktentwicklung zurück. Ich arbeite als freie Journalistin mit einem Schwerpunkt auf Wirtschafts- und Technikthemen.
Warum haben Sie sich entschieden ein Unternehmen zu gründen?
wir-liefern.org ist eine klassische Corona-Idee: Zu Beginn des ersten Lockdowns im Frühjahr dachte ich, dass es einen Ort geben müsste, an dem jeder nachschauen kann, welche Unternehmen und Restaurants ihre Ware jetzt ausliefern. Denn machen wir uns nichts vor: Wer online kauft, kauft meist bei Amazon. Die Idee war, dass der lokale Handel, der seine Kunden im Geschäft Tag für Tag überzeugt, internationalen Konzernen auch online etwas entgegensetzen sollte.
Welche Vision steckt hinter wir-liefern.org?
Letztlich geht es um den Erhalt unserer Städte wie wir sie kennen und schätzen: Mit vielfältigen Einkaufs- und Begegnungsmöglichkeiten, Arbeits- und Ausbildungsplätzen in Läden und Restaurants sowie Steuereinnahmen für unser Gemeinwesen.
Die Corona-Pandemie zeigt eine Entwicklung im Brennglas, die lange davor begonnen hat und mit einem einfachen „weiter so“ nicht aufzuhalten ist: Während kleine stationäre Läden um ihre Existenz kämpfen und diesen Kampf immer häufiger verlieren, gewinnt der Online-Handel und damit allen voran internationale Giganten wie Amazon – und die tun wenig bis nichts für die Vielfalt in unseren Städten, gute Arbeitsplätze, die Ausbildung junger Menschen oder das Füllen der Staatskasse mit Steuergeldern.
Neben der kurzfristigen Hilfe im Lockdown haben wir die Vision, die zahlreichen lokalen Ladenbesitzerinnen und Gastronomen mit einem kostenlosen Digitalisierungshebel bei der Existenzsicherung und dem Ausbau ihres Geschäfts langfristig zu unterstützen.
Von der Idee bis zum Start was waren bis jetzt die größten Herausforderungen und wie haben Sie sich finanziert?
Die beiden Teilfragen kann ich zusammen beantworten: Wir arbeiten alle pro bono und haben jeden Cent, der in wir-liefern.org steckt, aus privater Tasche bezahlt. Unter diesen Bedingungen eine funktionierende Plattform auf die Beine zu stellen, Händler und Kunden ohne Marketingbudget zu akquirieren und die Bekanntheit der Plattform zu steigern ist eine tägliche Herausforderung – zumal wir alle nebenbei auch noch Geld verdienen müssen.
Wer ist die Zielgruppe von wir-liefern.org?
Die ist ziemlich groß! Auf Anbieterseite sind das deutschlandweit alle Händler und Erzeuger, die ihre Produkte direkt vertreiben. Dazu Dienstleister und Gastronomiebetriebe mit Liefer- oder Abholangebot. Auf Nutzerseite richten wir uns an jeden, der bei seinen Onlinebestellungen ein vielfältiges Angebot schätzt und lieber lokale Anbieter als internationale Konzerne unterstützen möchte.
Welche Voraussetzungen müssen Läden und Restaurants erfüllen, um bei wir-liefern.org mitmachen zu können?
Sie müssen eine Email-Adresse haben. Unser Konzept ist so angelegt, dass quasi jeder mitmachen kann – egal wie klein das Geschäft oder wie speziell das Sortiment ist, gleichgültig ob lokal mit dem Fahrrad ausgeliefert oder bundesweit verschickt wird und unabhängig davon, wie weit die Betreiber beim Thema Digitalisierung sind. Für die Registrierung reicht es, eine Telefonnummer oder Email-Adresse anzugeben, über die Kunden Kontakt aufnehmen können. Wer schon einen eigenen Onlineshop hat, kann den natürlich verlinken, aber eine Voraussetzung ist das nicht.
Wo sehen Sie in der Krise die Chance?
Was unser Metier angeht, so sehe ich neben den riesigen und teils existenzvernichtenden Problemen auch große Chancen für Anbieter und Konsumenten. Der Einzelhandel hat die Digitalisierung lange vernachlässigt bis ignoriert. Die extrem schwierigen aktuellen Bedingungen lenken den Blick auf ein Feld, auf dem sich etwas tun muss. Wer seine Chancen hier nutzt, kann sich einen zukunftsfähigen zusätzlichen Absatzkanal erschließen und Kunden fester an sich binden.
Konsumenten haben durch die dramatische Situation die Chance zu erkennen, was ihnen unsere Innenstädte mit dem vielfältigen Gastronomie- und Einkaufsangebot bedeuten. Das kann und wird bei vielen zu einem bewussteren Konsum führen – nicht nur im Hinblick auf die Produktauswahl, sondern auch bei der Auswahl der Verkäufer.
Mirjam Müller, wo geht der Weg hin? Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?
Wenn es läuft, wie wir es uns wünschen, haben wir unsere Plattform mit zahlreichen Features so ausgebaut, dass wir für den lokalen Handel und die Gastronomie ebenso wie für Verbraucher deutschlandweit eine feste Größe beim Online-Shopping sind. Ein paar Sponsoren oder Fördergelder würden für diesen Weg sicher nicht schaden.
Zum Schluss: Welche 3 Tipps würden Sie angehenden Gründern mit auf den Weg geben?
Ratschläge sind auch Schläge, deshalb nenne ich einfach die drei Aspekte, die uns an den Punkt gebracht haben, an dem wir heute stehen: die Überzeugung, etwas Richtiges zu tun, große Beharrlichkeit und ein super Team.
Fotograf: Andreas Hornoff
Wir bedanken uns bei Mirjam Müller für das Interview
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder