Klimafreundlich zu handeln und zu wirtschaften wird auch für viele Startups immer wichtiger. Viele Gründer:innen fragen sich, welche Maßnahmen sie ergreifen können, um das Unternehmen nachhaltiger aufzustellen, wo man am besten beginnt und welche Strategie sich zu verfolgen lohnt. Heba Aguib, Chief Executive des Accelerator-Programms RESPOND, BMW Foundation Herbert Quandt, gibt fünf Tipps, an welchen Stellschrauben Startups drehen können.
Bewusstsein
Den Anfang macht zunächst das Team und das gemeinsame Bewusstsein und der Wille, sich nachhaltiger aufstellen zu wollen. Sich zu Beginn klar zu machen, was der unternehmenseigene “grüne Pledge” ist, hilft, den gemeinsamen Prozess und Ziele zu definieren und bei der Stange zu bleiben.
2) Bestandsaufnahme
Um herauszufinden, wie es um die eigene Nachhaltigkeit und Klimawirkung steht, bietet es sich im ersten Schritt an, zu prüfen, was die emissionsintensivsten Bereiche des Geschäftsmodells sind. Um den CO2-Fußabdruck zu ermitteln, ist es wichtig, sich die einzelnen Scopes (dt. Umfänge) der Emissionen klar zu machen. Diese lassen sich in drei Kategorien unterteilen:
Scope-1-Emissionen – auch bekannt als direkte Emissionen – stammen von unternehmenseigenen Anlagen. Sie sind am einfachsten zu identifizieren und zu messen, da die Startups hier direkten Einfluss nehmen können. In dieser Kategorie geht es beispielsweise um fossile Brennstoffe oder aber Erneuerbare Energien, die bei der Herstellung oder Verarbeitung vor Ort oder in Firmenfahrzeugen verwendet werden.
Alle anderen Emissionen werden als indirekt bezeichnet und nochmals unterteilt: Scope-2-Emissionen stammen aus der vom Startup gekauften und verbrauchten Energie, einschließlich Strom und Wärme. Scope-3-Emissionen entstehen hingegen durch die eingekauften Waren und Dienstleistungen, den Pendelverkehr der Mitarbeiter:innen sowie Geschäftsreisen, Abfall oder Wasser. Ebenso fallen hierunter die gesamten Lebenszyklusemissionen, die aus den verkauften Produkten oder Dienstleistungen resultieren.
Vor allem die Erfassung der letztgenannten Scope-3-Emissionen ist komplexer. Junge Startups, wie z B. Plan A, planetly oder climatepartner bieten innovative Software-Lösungen zur Unterstützung an, mit denen der CO2-Verbrauch analysiert und Einsparpotenziale identifiziert werden können. Auch staatliche, öffentliche und wissenschaftliche Quellen können helfen.
3) Reduktion
Nach der Bestandsaufnahme kommt die eigentliche Aufgabe – nämlich die CO2-Emissionen zu reduzieren und Stück für Stück nachhaltiger zu agieren. Wenn einmal klar ist, welche die größten Emissionstreiber des Unternehmens sind, lassen sich auch entsprechende und geeignete Reduktionsziele definieren. Je nach Startup können diese jeweils unterschiedlich aussehen. Der Wechsel hin zu einem Ökostromanbieter, bei dem 100 % der Energie aus Erneuerbaren Quellen stammt, kann schon ein erster wichtiger Schritt sein.
Im Büro kann schon mit wenigen Maßnahmen nachhaltiger mit Ressourcen umgegangen werden: Weg mit Einwegflaschen für Getränke, hin zu Mehrweg. Weg mit Kaffeekapseln, hin zu einer Kaffeemaschine. Oder auch umsteigen auf vegetarische (Geschäfts)-Essen.
Die Mobilität schlägt bei der CO2-Bilanz häufig zu Buche – daher kann es ratsam sein, die Art der Fortbewegung für Dienstreisen zu überdenken: Wo immer es geht, Flüge vermeiden und auf die Bahn umsteigen. Ein weiterer Schritt, der bei den meisten Startups schnelle und passende Ergebnisse liefert, ist die Wahl von „grünen“ Produkten, Lieferant:innen und Dienstleister:innen. Bei der Auswahl auf nachhaltige Produkte, Dienstleister:innen oder Lieferant:innen zu achten, bringt einen Win-Win mit sich. Das eigene Startup profitiert durch die verantwortungsbewussten grünen Anbieter und zugleich wird ein Signal in Richtung der Lieferant:innen und Dienstleister:innen gesendet, dass nachhaltige Produkte und Dienstleistungen nachgefragt werden. Je nach Ausrichtung des Startups kann es sich auch lohnen, die Produktionsbedingungen auf den Prüfstand zu stellen.
Schließlich ist die Klimatransformation eine gemeinschaftliche Aufgabe, die einen ganzheitlichen Wandel des Wirtschaftssystems erfordert. Jedes Unternehmen spielt eine bestimmte Rolle in der systemischen Kette und kann nur im interaktiven Verbund mit anderen Partner:innen und Akteur:innen einen wirklichen Unterschied machen.
4) Digitale Technologien
Die Digitalisierung birgt viel Potential für den Klimaschutz, das vor allem bei Startups Anklang findet. Mithilfe digitaler Technologien und Lösungen lassen sich bis 2030 für Deutschland etwa 37 Prozent der prognostizierten Treibhausgas-Emissionen vermeiden – das ist das Ergebnis einer Bitkom-Studie. Dennoch sollte man auch hier achtsam sein und prüfen, welche negativen Klimawirkungen digitale Technologien wie Cloud-Computing oder Blockchain mit sich ziehen. Die Bitkom-Studie geht auch davon aus, dass 1,8 bis 3,2 Prozent der globalen Emissionen von Treibhausgasen auf die Herstellung und den Betrieb digitaler Geräte und Infrastrukturen zurückzuführen sind. Die Vor-und Nachteile neuer Technologien genau abzuwägen ist also mit Blick auf den Klimaschutz ebenso wichtig. Bei Rechenzentren – ob selber betrieben oder von einem Anbieter – lässt sich beispielsweise darauf achten, ob hier bereits energieeffizient agiert wird. Denn die entstehende Abwärme lässt sich sinnvoll nutzen, sodass sie nicht an die Umgebung verloren geht.
5) Siegel und Zertifikate
Wer einen Schritt weitergehen möchte, kann sich das nachhaltige unternehmerische Handeln zertifizieren lassen. Zertifikate und Siegel kennzeichnen Unternehmen, die auf freiwilliger Basis bestimmte, verbindliche Regelwerke einhalten. Bei diesen Regelwerken geht es um bestimmte Maßnahmen und Qualitätsmerkmale in den Bereichen Management, Produktgestaltung oder Umgang mit Interessengruppen. Grundsätzlich lässt sich zwischen zwei Arten von Siegeln unterscheiden: Managementsiegel und Produktlabels. Ein Beispiel für ein europäisches Managementsiegel ist EMAS für Umweltmanagement. Produktkennzeichen bzw. Labels signalisieren dagegen die Eigenschaften eines bestimmten Produkts oder Angebots. Dazu zählen z. B. das Fairtrade-Label, das EU-Bio-Logo, der Blaue Engel oder der Grüne Knopf.
Gemeinsam zum Ziel
Der Klimaschutz geht uns alle an – ob Startup, Mittelstand oder Konzern-Gigant. Daher ist es wichtig, das eigene Engagement auch zu kommunizieren und hier eine Signalwirkung an andere Akteure auszusenden und die Botschaft zu transportieren, dass Klimaschutz erstens einfach ist und zweitens sich lohnt. Dabei geht es keinesfalls um Greenwashing, also das nur vordergründige Aufbauen eines “grünen Images”, sondern darum, die gefestigte nachhaltige Unternehmenskultur zusammen mit gleichgesinnten Partner:innen authentisch nach außen zu tragen. Nur gemeinsam können Startups ihre Zielgruppen, Investoren sowie weitere Stakeholder dazu inspirieren, sich partnerschaftlich für ein lebenswerte Zukunft einzusetzen. Ökologie und Ökonomie gehen Hand in Hand, wer heute anfängt, setzt die Weichen für systemischen Wandel, den wir dringend brauchen.
Autor:
Dr.-Ing. Heba Aguib ist Chief Executive RESPOND bei der BMW Foundation Herbert Quandt. Aguib kam im Juli 2019 zur BMW Foundation mit dem Ehrgeiz, die Beziehungen zwischen Tech4Good und Investoren zu stärken, um Positives zu bewirken. RESPOND ist ein Accelerator-Programm der BMW Foundation Herbert Quandt mit Unterstützung des Innovations- und Gründerzentrums UnternehmerTUM. Das Programm fördert Gründer:innen, die durch unternehmerische Ansätze einen Beitrag zu einer friedlichen, gerechten und nachhaltigen Zukunft im Sinne der Agenda 2030 der Vereinten Nationen leisten.
Bild: Copyright BMW Foundation
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