Mittwoch, Februar 5, 2025
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Wie verändert sich die Physiotherapie für zu Hause?

Akina bringt KI-gestützte Physiotherapie nach Hause und verbindet Patientinnen und Patienten mit ihren Therapeutinnen und Therapeuten für eine nahtlose Betreuung

Was hat Sie, Dr. Florian Haufe und Dr. Michele Xiloyannis, dazu inspiriert, Akina zu gründen? Und welche persönlichen Erfahrungen haben Sie in dieses Projekt eingebracht?

Michele und ich haben gemeinsam an der ETH Zürich im Bereich Robotik und Bewegungsanalyse geforscht. Dabei haben wir uns vor allem auf Anwendungen in der Rehabilitations- und Asssistenztechnik spezialisiert. Die “Roboter zum Anziehen”, oder auch Exoskelette, die wir entwickelt haben, kommen vor allem stationär in Kliniken zum Einsatz. Uns hat dabei immer der Kontrast zwischen der hervorragenden Infrastruktur und der persönlichen Unterstützung vor Ort in den Kliniken und der einfachen und lückenhaften Unterstützung der Patienten zuhause irritiert. Als ehemalige Leistungssportler kennen wir den gewaltigen Effekt von Bewegung und Training auf den eigenen Körper und die Gesundheit. Wir wollten deswegen mit Akina Patienten auch zuhause nahtlos weiter in ihrer Therapie unterstützen.

Akina bietet KI-gestützte Physiotherapie für zu Hause an. Wie funktioniert Ihre Software, und welchen Mehrwert bietet sie Patientinnen und Patienten sowie Therapeutinnen und Therapeuten?

Akina besteht aus zwei Bausteinen: Einer Anwendung für Patientinnen und Patienten, Akina Care, und einer Anwendung für Fachpersonen, Akina Portal. Mit Akina Care können Patientinnen und Patienten zuhause interaktiv trainieren. Mit der Kamera in typischen Geräten wie Laptops oder Tablets kann die Akina KI die Bewegungen der Patienten in Echtzeit analysieren und passende Hilfestellung geben. Jede einzelne Übungswiederholung wird gezählt und beurteilt. Das fühlt sich dann ein wenig so an wie ein YouTube-Video, das in Echtzeit auf einen reagiert. 

Im Hintergrund wird automatisch ein Bericht für die behandelnde Fachperson erstellt, inklusive der grössten Verbesserungspotentiale, die erkannt wurden. Zusammen mit den Angaben der Patientinnen und Patienten zu Schmerz und Schwierigkeitsgrad der Übungen kann so entschieden werden, ob persönliche Anpassungen am Therapieplan erforderlich sind. Zusätzlich kann individuelles Feedback per Text, Audio oder Video geteilt werden.     

Wie stellen Sie sicher, dass die von Akina bereitgestellten Therapiepläne evidenzbasiert und individuell auf die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer zugeschnitten sind?

Als Medizinprodukt ist Akina vor der Marktzulassung durch eine umfassende klinische Beurteilung gelaufen. In diesem Prozess wird ünberprüft, ob die Therapie mit Akina den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und den Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften entspricht. Die in Akina integrierte Schnittstelle zu Fachpersonen unterstützt über das Monitoring und, falls notwendig, patientenindividuelle Anpassungen, weiter die sichere Anwendung.

Welche Rolle spielt die Zusammenarbeit mit Partnern wie dem ETH KI-Center und der Schulthess Klinik bei der Weiterentwicklung Ihrer Plattform?

Die Zusammenarbeit mit unseren starken klinischen und Forschungspartnern erlaubt es uns, die enorme Expertise der involvierten Fachpersonen in Akinas Produkte einfliessen zu lassen. Zusätzlich können wir über das starke Netzwerk unserer Partner neue Mitarbeitende und Anwender kennenlernen.

Was unterscheidet Akina von anderen digitalen Gesundheitslösungen im Bereich der Physiotherapie? Und wie reagieren Ihre Nutzerinnen und Nutzer auf Ihre Angebote?

Der wahrscheinlich grösste Unterschied von Akina ist die nahtlose Integration in die bestehende Versorgungslandschaft. Patienten und Patientinnen wollen keine “App”, die losgelöst von anderen Behandlungsmethoden Übungsvideos zeigt. Stattdessen ist der eigentliche Wunsch, dass die vertraute Therapeutin oder der vertraute Therapeut aus der persönlichen Therapie auch auf Knopfdruck zuhause zur Verfügung steht. Mit Akinas KI wird das möglich. Therapie kann nach persönlichen Vorstellungen von Zuhause und in der Praxis durchgeführt werden, in dem Wissen, dass jedes Training zentral durch selbe, vertraute Fachpersonen begleitet wird. Wir merken, dass Nutzerinnen und Nutzer diese durch die KI ermöglichte persönliche Verbindung sehr zu schätzen wissen und deswegen deutlich mehr trainieren.

Welche Herausforderungen haben Sie bei der Integration von KI in die Physiotherapie gemeistert, und wie haben Sie diese überwunden?

Natürlich schwingt bei der Einführung von KI schnell die Sorge mit, dass menschliche Arbeitskräfte ersetzt werden könnten. Angesichts des immer gravierender werdenden Fachkräftemangels im Gesundheitswesens ist das aber kein realistisches Risiko – und ganz sicher nicht unser Ziel mit Akina. Wir wollen im Gegenteil den Einflussbereich und die Behandlungsoptionen von menschlichen Therapeutinnen und Therapeuten mit unserer KI erweitern.

Wie sehen Sie die Zukunft der Physiotherapie, und welche Vision verfolgt Akina in diesem sich wandelnden Gesundheitsbereich?

Ich glaube an eine Zukunft, in der für alle betroffenen Personen eine persönlich betreute, leitliniengerechte Behandlung ohne Wartezeit verfügbar ist. Das ist heute leider nicht der Fall, wodurch gewaltige Folgekosten für unser Gesundheitssystem entstehen. Mit der Kombination aus persönlichen Kontakt und KI-unterstützten Training wollen wir ein individuell gestaltetes Angebot schaffen, das kosteneffizient und niederschwellig Patienten zur Genesung führt. 

Wie sammeln Sie Feedback von Patientinnen, Patienten und Therapeutinnen, Therapeuten, und wie beeinflusst es die Weiterentwicklung Ihrer Plattform?

Wann immer möglich, befragen wir Patientinnen, Patienten, Therapeutinnen, und Therapeuten zu ihrer Erfahrung mit Akina. Das passiert oft noch ganz altmodisch per Telefon oder bei persönlichen Besuchen. Zusätzlich analysieren wir strikt anonymisierte Anwendungsdaten, um typische Muster in der Nutzung zu erkennen und darauf basierende Produktverbesserungen vorzunehmen.

Welche Pläne haben Sie für die zukünftige Entwicklung von Akina, und welche neuen Funktionen oder Therapiebereiche möchten Sie abdecken?

Momentan stehen wir immer noch praktisch mit den Möglichkeiten, die unser Produkt in Zukunft bieten kann. Wir arbeiten bereits an weiterführenden Assessments und Tests, mit denen weitere objektive Verlaufszeichen erfasst werden können. Zusätzlich entwickeln wir weitere Therapiepläne für Indikationen in den Bereichen Schulter- und Sprunggelenk. Ausserdem investieren wir viel im Bereich Content-Personalisierung, so dass Inhalte und Format optimal die Bedürfnisse und Vorlieben der einzelnen Nutzer und Nutzerinnen widerspiegeln.

Wie gewährleisten Sie den Schutz der sensiblen Gesundheitsdaten Ihrer Nutzerinnen und Nutzer, insbesondere im Hinblick auf die KI-gestützte Bewegungsanalyse?

Für uns war das Thema Datenschutz von Anfang an eine Priorität. Deswegen haben wir Akina so gebaut, dass das Video der Webkamera noch auf den Geräten der Patientinnen und Patienten anonymisiert und in Koordinatendaten umgewandelt wird. Niemand – weder Fachpersonen noch irgendjemand bei Akina – sieht jemals das Rohvideo der Patienten, und es kann auch nicht verloren gehen.

Welche drei Ratschläge würden Sie anderen Gründerinnen und Gründern geben, die im digitalen Gesundheitswesen tätig werden möchten?

Für mich wären das die folgenden drei: Baut ein Produkt, dass ihr auch eurer Familie empfehlen würdet – selbst wenn das derzeitige regulatorische Umfeld eine andere Lösung einfacher erscheinen lässt. Sucht euch ein Team, Partner und Investoren, die verstehen, dass ihr mit eurem Unternehmen an einem “Big Win” arbeitet, aber wahrscheinlich nicht an einem “Quick Win”. Und achtet darauf, dass auch wenn das Gesundheitswesen oft langsam ist, ihr schnell bleibt.

Wo sehen Sie Akina in fünf Jahren, und wie könnte Ihre Plattform die Physiotherapie weltweit beeinflussen?

Der aktuelle Stand der Wissenschaft zeigt, dass Bewegung vielleicht die wirksamste medizinische Intervention überhaupt ist. Mit Akina wollen wir dieses Potential für alle nutzbar machen. Durch die strukturierte Dokumentation, die Akinas KI erlaubt, können wir den Wert der aktiven Physiotherapie klar aufzeigen. Und damit auch die Physiotherapie noch mehr in den Fokus der Gesamtbehandlung rücken. Ich bin überzeugt, dass es in fünf Jahren die Norm sein wird, dass Therapeutinnen und Therapeuten einen Teil der Arbeitswoche mit Akina von zuhause arbeiten, und Patientinnen und Patienten dank dem höheren Therapievolumen schneller schmerzfrei zurück in den Alltag finden.

Bild: Florian Haufe und Michele Xiloyannis@ Akina AG

Wir bedanken uns bei Florian Haufe und Michele Xiloyannis für das Interview

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.

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