Montag, März 3, 2025
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Warum wird über dieses wichtige Thema noch immer nicht genug gesprochen?

Pimp your Doll setzt sich dafür ein, Menschen mit Behinderungen einen diskriminierungsfreien Zugang zu Sexualität und Aufklärung zu ermöglichen.

Wie entstand die Idee zu Pimp your Doll, und welche persönlichen oder beruflichen Erfahrungen haben Sie dazu inspiriert, dieses Unternehmen zu gründen?

Die Idee zu PIMP YOUR DOLL entstand aus unseren umfangreichen beruflichen Erfahrungen als Fachbetreuer im psychosozialen Dienst, in der Gewaltprävention und in der persönlichen Assistenz. In unserer täglichen Arbeit haben wir festgestellt, dass die Themen Sexualität und Aufklärung für Menschen mit Behinderungen häufig tabuisiert und in vielen Einrichtungen sowie von Angehörigen ausgeklammert werden.

Eine prägende Erfahrung für mich, Jürgen Kirchgatterer, war die Begleitung eines Mannes nach einem schweren Motorradunfall. Nach einer diskriminierenden Ablehnung in einem Etablissement, die zu einer langen Psychotherapie führte, wurde mir schmerzlich bewusst, wie dringend ein sicherer Raum für sexuelle Bedürfnisse und Aufklärung benötigt wird.

Silke Mairinger bringt durch ihre Töchter, die als diplomierte Behindertenbetreuerinnen arbeiten, wertvolle Einblicke in die Bedürfnisse und Herausforderungen von Menschen mit Behinderungen mit. Sie ist fest davon überzeugt, dass das Thema Sexualität nicht ignoriert werden sollte, da es einen entscheidenden Einfluss auf die Lebensqualität und die Beziehung zwischen Betreuer:innen und Menschen mit Behinderungen hat.

Diese persönlichen und beruflichen Erlebnisse motivierten uns, PIMP YOUR DOLL ins Leben zu rufen. Unser Ziel ist es, Menschen mit Behinderungen einen diskriminierungsfreien Zugang zu Sexualität zu ermöglichen und in der Folge den Verein Inklusions-Brücke e.V. zu gründen, der sich für die umfassende Unterstützung und Teilhabe dieser Menschen einsetzt.

Sie haben am 27. Februar 2025 Ihr Unternehmen in der Sendung „2 Minuten 2 Millionen“ präsentiert. Wie haben Sie diesen Moment erlebt, und welche Reaktionen gab es nach der Ausstrahlung?

Die Präsentation unseres Unternehmens in der Sendung „2 Minuten 2 Millionen“ am 27. Februar 2025 war für uns ein unglaublich aufregender Moment. Natürlich waren wir nervös und gespannt, wie der Beitrag über uns gestaltet sein würde und wie er vom Publikum aufgenommen werden würde. Nach der Ausstrahlung waren wir überglücklich und erleichtert, denn wir erhielten ausschließlich positive Rückmeldungen und Anfragen. Besonders erfreut waren wir über die großartige Aufbereitung unseres Beitrags durch die Redaktion von „2 Minuten 2 Millionen“, die unsere Mission und unser Anliegen perfekt in den Fokus rückte. Dieser Moment hat uns nicht nur bestärkt, sondern auch motiviert, weiterhin für die Rechte und Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen einzutreten.

Welche Vision verfolgt Pimp your Doll, und welche Schritte planen Sie, um diese in den kommenden Jahren zu realisieren?

Die Vision von PIMP YOUR DOLL ist es, eine flächendeckende Etablierung unserer Angebote sowie des Vereins Inklusions-Brücke zu erreichen, um Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit zu geben, ihre Sexualität selbstbestimmt und ohne Tabus auszuleben. Wir möchten die Themen Sexualität und Behinderung aufbrechen und die gesellschaftliche Wahrnehmung verändern.

Ein zentrales Ziel ist die Einführung von „Sex auf Rezept“, inspiriert durch das erfolgreiche Modell der Niederlande, das die Bedeutung von Sexualität für Menschen mit Behinderungen und Pflegebedarf anerkennt. Wir sind überzeugt, dass der Staat diese Notwendigkeit ebenfalls anerkennen sollte.

Um diese Vision zu realisieren, planen wir, die Umsätze aus PIMP YOUR DOLL zu nutzen, Spenden für die Inklusions-Brücke zu akquirieren und durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit ein Bewusstsein für Inklusion zu schaffen. Unser Ziel ist es, Inklusion im Allgemeinen besser zu verstehen und umzusetzen, damit alle Menschen die Unterstützung und Anerkennung erhalten, die sie verdienen.

Für welche Zielgruppe ist Ihr Angebot besonders relevant, und wie stellen Sie sicher, dass Ihre Produkte den spezifischen Bedürfnissen dieser Kunden gerecht werden?

Unser Angebot richtet sich an Menschen mit Behinderungen, gemäß den Vorgaben der UN-Behindertenkonventionen. Diese Zielgruppe hat oft besondere Bedürfnisse, wenn es um die Themen Sexualität und persönliche Entfaltung geht.

Um sicherzustellen, dass unsere Produkte und Dienstleistungen diesen spezifischen Bedürfnissen gerecht werden, haben wir umfassende Recherchearbeiten durchgeführt und setzen auf den Ansatz „learning by doing“. Wir verstehen, dass jeder Mensch individuell ist und unterschiedliche Anforderungen hat. Deshalb gestalten wir unsere Angebote maßgeschneidert und flexibel, sodass kein Setting gleich verläuft. Durch diesen individuellen Ansatz können wir sicherstellen, dass wir die Wünsche und Bedürfnisse unserer Kunden bestmöglich erfüllen und ihnen einen sicheren Raum für ihre Selbstentfaltung bieten.

Was unterscheidet Ihre Produkte oder Dienstleistungen von bestehenden Alternativen auf dem Markt?

Unsere Dienstleistungen unterscheiden sich grundlegend von bestehenden Alternativen auf dem Markt. Meines Wissens gibt es keine vergleichbare Dienstleistung, die Menschen mit Behinderungen einen diskriminierungsfreien Zugang zu Sexualität und Aufklärung ermöglicht. Bei herkömmlichen Angeboten, wie dem Besuch von Sexdienstleister:innen, erleben viele Menschen mit Behinderungen häufig Diskriminierung und eine Bewertung ihrer Bedürfnisse.

Darüber hinaus ist die Sexualbegleitung, die Menschen mit körperlichen oder seelischen Behinderungen helfen soll, ihre sexuellen Bedürfnisse zu verwirklichen, in Österreich nur schwer zu finden. Politisch wurde sie unter das Sexualdienstleistungsgesetz gestellt, was die Verfügbarkeit einschränkt und die Kosten in die Höhe treibt.

Wir bieten einen sicheren Raum, in dem Menschen mit Behinderungen ihre Sexualität, geschlechtliche Aufklärung und Gewaltprävention selbstbestimmt und ohne Vorurteile ausleben können. Unser Ansatz ist nicht nur inklusiv, sondern auch darauf ausgelegt, die Lebensqualität unserer Klienten nachhaltig zu verbessern.

Welche Herausforderungen haben Sie in der bisherigen Entwicklung Ihres Unternehmens gemeistert, und was waren die wichtigsten Erkenntnisse daraus?

Eine der größten Herausforderungen, die wir in der bisherigen Entwicklung von PIMP YOUR DOLL gemeistert haben, ist das Erreichen unserer Klienten. Obwohl diese Zielgruppe im Fokus unserer Arbeit steht, sind wir in Bezug auf ihre Selbstbestimmung noch weit entfernt. Es ist entscheidend, auch die Betreuer:innen und Angehörigen einzubeziehen, was sich oft als schwierig gestaltet.

Eine weitere Herausforderung besteht darin, das Thema Sexualität und Behinderung in der Gesellschaft zu sensibilisieren und sichtbar zu machen.

Wir haben diese Hürden überwunden, indem wir uns unermüdlich mit den Themen auseinandergesetzt und hartnäckig Unterstützung an verschiedenen Stellen gesucht haben. Durchhaltevermögen war dabei unerlässlich. Oft mussten wir zwei Schritte nach vorne und dann wieder einen Schritt zurück machen, aber diese Erfahrungen haben uns gelehrt, flexibel und geduldig zu sein. Letztlich sind wir überzeugt, dass jeder Schritt, den wir gehen, einen positiven Einfluss auf das Leben der Menschen mit Behinderungen hat.

Wie haben Kunden bisher auf Ihre Produkte reagiert, und gibt es besonderes Feedback, das Sie motiviert oder überrascht hat?

Unsere Kunden reagieren durchweg positiv auf unsere Dienstleistungen. Das Feedback reicht von gesteigerter Entspanntheit und Selbstwahrnehmung bis hin zu einer erhöhten Selbstakzeptanz. Viele berichten von einem Rückgang von Aggressionen, Übergriffen und Gewaltbereitschaft. Diese Erfahrungen werden nicht nur von den Klienten selbst, sondern auch von ihren Betreuer:innen und Angehörigen gemeldet. Es freut uns sehr, dass die Klienten immer wieder zu uns zurückkehren. Überrascht hat uns das nicht, denn wir sind von diesen positiven Ergebnissen ausgegangen

Nach Ihrem Auftritt bei „2 Minuten 2 Millionen“: Gab es einen Anstieg des Interesses von Seiten der Kunden oder Investoren?

Ja, nach unserem Auftritt bei „2 Minuten 2 Millionen“ gab es einen deutlichen Anstieg des Interesses von Seiten der Kunden und potenziellen Unterstützern. Dieser Auftritt war für uns äußerst wertvoll. Besonders erfreut es uns, dass viele Menschen den Verein unterstützen möchten, sei es durch Spenden oder eine Mitgliedschaft. Diese Unterstützung ermöglicht es uns, den Zugang zu unserem Angebot für Menschen mit Behinderungen zu erleichtern und unser Projekt nachhaltig am Laufen zu halten.

Welche zukünftigen Entwicklungen oder Erweiterungen planen Sie für Ihr Produktportfolio?

In Zukunft planen wir, unser Produktportfolio erheblich zu erweitern, um das Erlebnis für unsere Kunden noch realistischer und individueller zu gestalten. Eine spannende Entwicklung wird die Integration von KI-Sprachsteuerungen in unsere Real-Dolls sein, die auf Berührungen reagieren und Bewegungen ausführen können. Dies wird das Erlebnis für unsere Klienten erheblich bereichern.

Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Schaffung einer geschützten und inklusiven Dating-Plattform, da wir hier einen hohen Bedarf festgestellt haben. Diese Plattform soll Menschen mit Behinderungen eine sichere Umgebung bieten, um Kontakte zu knüpfen und Beziehungen zu entwickeln.

Zusätzlich denken wir über die Entwicklung von Sextoys nach, die speziell für Menschen mit spastischen Behinderungen konzipiert sind. Diese Produkte sollen den individuellen Bedürfnissen und Herausforderungen dieser Zielgruppe gerecht werden und deren Sexualität unterstützen.

Welche drei Ratschläge würden Sie anderen Gründern geben, die ein ähnliches Startup aufbauen möchten?

Der erste Ratschlag, den ich anderen Gründern mit auf den Weg geben möchte, ist, dass man bei der Recherche und der Suche nach Unterstützung nicht direkt bei den betroffenen Menschen beginnen sollte, sondern zunächst bei den Entscheidungsträgern in Organisationen und im politischen Bereich. Auch wenn diese oft weniger Bezugspunkte und Erfahrung mit dem Thema haben, ist es entscheidend, sie von Anfang an zu überzeugen, da sie die Macht haben, Veränderungen zu bewirken.

Der zweite Rat lautet: Sammelt vorab sämtliche Informationen und Genehmigungen und lasst euch diese immer schriftlich bestätigen. Dieser Prozess beginnt bereits bei der Wahl der Rechtsform und erstreckt sich bis hin zu Hygieneverordnungen. Klare schriftliche Absprachen sind unerlässlich, um spätere Missverständnisse zu vermeiden.

Mein dritter Ratschlag ist, sich bewusst zu machen, dass man Pionierarbeit leistet. Der Weg wird steinig und herausfordernd sein, aber der Erfolg wird letztlich einem sehr guten Zweck zugutekommen. Diese Überzeugung kann als Antrieb dienen und hilft, auch in schwierigen Zeiten durchzuhalten.

Gibt es rückblickend Entscheidungen, die Sie anders treffen würden, wenn Sie heute noch einmal von vorne beginnen könnten?

Rückblickend gibt es sicherlich Entscheidungen, die ich anders treffen würde, denn aus Fehlern lernt man. Diese Erkenntnis ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Wachstums. Doch alles in allem kann ich sagen: Sei mit Herzblut dabei und bleib immer bei dir selbst. Wir haben viele Ratschläge und Tipps erhalten, die wertvoll und wichtig waren, aber letztendlich sind wir immer wieder zu unserem Ursprung und unserer Intuition zurückgekehrt. Diese innere Stimme hat uns geleitet und bestärkt, den richtigen Weg für unser Projekt zu finden.

PIMP YOUR DOLL Gründerteam Silke Mairinger und Jürgen Kirchgatterer @ PYD

Wir bedanken uns bei Silke Mairinger und Jürgen Kirchgatterer für das Interview

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.

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