Mittwoch, April 16, 2025
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Wie viel einfacher könnte der erste Schritt sein?

It’s Complicated ist eine digitale Plattform, die Menschen mit passenden Therapeut:innen verbindet – einfühlsam, sicher und leicht zugänglich.

Wie ist die Idee zu It’s Complicated entstanden – gab es einen persönlichen Auslöser oder eine Marktlücke?

Es war eher eine Mischung aus beidem. Als Therapeut:innen haben wir immer wieder gesehen, wie schwierig es für viele Menschen ist, Unterstützung zu finden – sei es wegen unklarer Informationen, langer Wartelisten oder einfach, weil sie nicht wissen, wo sie anfangen sollen. Gleichzeitig haben wir erlebt, wie schwierig es für Therapeut:innen ist, genau die Menschen zu erreichen, die ihre Hilfe am dringendsten brauchen. Die Versorgung im Bereich der psychischen Gesundheit schien in gewisser Weise fragmentiert zu sein – und wir wollten einen Raum schaffen, in dem beide Seiten leichter zueinander finden können.

Im Moment ist es so schwierig, über das reguläre Gesundheitssystem passende Therapeut:innen zu finden, dass viele einfach bei der ersten Person bleiben, bei der sie einen Platz bekommen – unabhängig davon, ob es wirklich passt. Das birgt die Gefahr, jahrelang in einer Therapie zu bleiben, die nicht wirklich hilft. Unser Ziel ist es nicht, die Therapie neu zu erfinden, sondern diese Hürden abzubauen – damit Menschen von Anfang an die passende Unterstützung finden. 

Was unterscheidet It’s Complicated von anderen Plattformen oder Verzeichnissen im Mental Health Bereich?

Wir konzentrieren uns nicht nur auf Listen von Therapeut:innen – wir setzen auf sinnvolle Matches, indem wir sicherstellen, dass Therapeut:innen die richtigen Mittel haben, um ihr volles Potenzial zu zeigen. Viele Verzeichnisse funktionieren wie ein Telefonbuch – wir dagegen haben It’s Complicated entwickelt, um Therapiesuchenden zu helfen, eine Person zu finden, die wirklich zu ihren Bedürfnissen, Werten und ihrer Persönlichkeit passt.

Unser Ansatz ist in der therapeutischen Beziehung selbst verankert. Wir wissen, dass es bei der Suche nach therapeutischer Begleitung nicht nur um Verfügbarkeit, sondern auch um Verbindung geht. Deshalb geben wir Therapeut:innen die Möglichkeit, ausführliche Informationen, Fotos und – wenn gewünscht – sogar ein Vorstellungsvideo bereitzustellen. Gleichzeitig unterstützen wir Therapiesuchende mit einem umfassenden Matching-Service.

Wie funktioniert der Matching-Prozess zwischen Therapiesuchenden und Therapeut:innen auf eurer Plattform?

Er basiert auf einer Balance zwischen gezielter Unterstützung und persönlicher Entscheidungsfreiheit. Therapiesuchende können entweder die praktischen Filter auf unserer Homepage nutzen oder ein Formular ausfüllen, das ihnen hilft, ihre Bedürfnisse zu reflektieren – sowohl in Bezug auf praktische Aspekte der Therapie als auch auf den therapeutischen Stil und persönliche Präferenzen. Wir schlagen dann Therapeut:innen vor, die zu diesen Anforderungen passen, doch letztlich entscheiden die Nutzer:innen, mit wem sie in Kontakt treten möchten. Wir sind überzeugt, dass das Gefühl, bei der Auswahl der Therapeut:innen selbstbestimmt zu handeln, entscheidend für eine erfolgreiche Therapie ist.

Welche Rolle spielt Technologie dabei, psychische Gesundheitsversorgung zugänglicher zu machen?

Technologie kann eine Brücke oder ein Hindernis sein, je nachdem, wie sie eingesetzt wird. Unser Ziel war es immer, die Technologie zu nutzen, um den Zugang zur Therapie zu erleichtern und nicht zu erschweren. Indem wir es einfacher machen, Therapeut:innen zu suchen, zu filtern und mit ihnen in Kontakt zu treten, bauen wir Hürden ab, die Menschen davon abhalten können, Hilfe zu suchen. Gleichzeitig stellen wir sicher, dass dabei der menschliche Kontakt immer im Mittelpunkt steht. 

Wie begegnet ihr dem Vertrauensbedürfnis von Nutzer:innen – insbesondere bei einem so sensiblen Thema?

Vertrauen ist das A und O in der Therapie und es beginnt schon vor der ersten Sitzung. Wir sorgen für Transparenz, indem wir es Therapeut:innen ermöglichen, sich authentisch vorzustellen – mit detaillierten Profilen, die über Qualifikationen hinausgehen und zeigen, wer sie als Menschen sind. Wir ermutigen Therapiesuchenden auch, sich Zeit bei der Auswahl zu nehmen und stellen Ressourcen zur Verfügung, die ihnen helfen zu verstehen, worauf sie bei einem oder einer Therapeut:in achten sollten. Und natürlich stehen Datensicherheit und Datenschutz an erster Stelle. Unsere Plattform ist vollständig DSGVO-konform, und dank Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bleibt die Kommunikation zwischen Therapeut:in und Klient:in privat und geschützt. Wir behandeln die Suche nach Unterstützung mit der Sorgfalt, die sie verdient.

Welche Herausforderungen begegnen euch bei der Zusammenarbeit mit Therapeut:innen und im regulatorischen Umfeld?

Eine der größten Herausforderungen besteht darin, dass die Vorschriften für die Therapie von Land zu Land sehr unterschiedlich sind. Wir müssen uns durch unterschiedliche Zulassungsbestimmungen und ethische Überlegungen navigieren und dabei zugleich einen hohen Standard auf der gesamten Plattform sicherstellen. Gleichzeitig sind die Therapeut:innen darauf trainiert, sich auf ihre klinische Arbeit zu konzentrieren und nicht auf Marketing oder Technologie. Deshalb arbeiten wir auch daran, unsere Plattform so intuitiv und unterstützend wie möglich zu gestalten.

Was bedeutet euer Slogan „Life is complicated – finding a Therapist shouldn’t be“ konkret im Alltag?

Das bedeutet, dass die Suche nach Hilfe nicht als eine weitere komplizierte Aufgabe erscheinen darf. Wenn jemand in Not ist, ist das Letzte, was er braucht, endlose Suchergebnisse, unklare Qualifikationen oder Sackgassen. Wir vereinfachen den Prozess, so dass sich die Suche nach einer oder einem Therapeuten:in wie ein ermutigender Schritt nach vorne anfühlt und nicht wie eine zusätzliche Belastung.

Wie wird die Plattform aktuell genutzt – und wer gehört zu eurer wichtigsten Zielgruppe?

Unsere Plattform wird von Menschen in allen Lebensphasen genutzt – manche sind in akuter Not, andere suchen einfach Unterstützung bei der Bewältigung der Herausforderungen des Lebens. Obwohl wir ein breites Publikum ansprechen, sehen wir besonders viele Interaktionen bei Menschen zwischen 20 und 40, die aktiv nach persönlichem Wachstum streben, sowie bei Expats, die eine Therapie in einer Sprache suchen, mit der sie sich wohl fühlen.

Auch viele gesetzlich Versicherte entscheiden sich für unser privat finanziertes Angebot. Für sie hat die Suche nach dem oder der richtigen Therapeuten:in hohe Priorität – sei es, weil sie einen besonderen Ansatz suchen, der von der Krankenkasse nicht übernommen wird, wie z.B. Somatic Experiencing, oder weil sie die Wartezeit überbrücken wollen, bis sie über ihre Krankenkasse Zugang zu einer Therapie erhalten.

Inwiefern wollt ihr die klassische Psychotherapie ergänzen oder sogar verändern?

Wir wollen die traditionelle Psychotherapie nicht ersetzen – wir glauben fest an ihre Wirksamkeit. Was wir tun, ist, sie zugänglicher, transparenter und benutzerfreundlicher zu machen. Therapie war schon immer eine Frage der menschlichen Beziehung, aber diese Beziehung zu finden, ist oft schwieriger, als es sein müsste. Das wollen wir ändern.

Gerade in akuten Krisen ist ein frühzeitiger Zugang zur Therapie entscheidend, um das Risiko einer Chronifizierung zu minimieren. Das Gesundheitssystem bietet jedoch oft keine ausreichenden Lösungen für eine zeitnahe Unterstützung, so dass viele Menschen ohne die Hilfe bleiben, die sie in diesem Moment am dringendsten benötigen. Diese Lücke wollen wir schließen.

Welche Vision verfolgt It’s Complicated für die kommenden Jahre?

Wir wollen den Zugang zu Therapie weiter ausbauen, sowohl geografisch als auch in Bezug auf Inklusivität. Das bedeutet, es Menschen leichter zu machen, Therapeut:innen in verschiedenen Ländern, Sprachen und mit unterschiedlichen finanziellen Möglichkeiten zu finden. Außerdem möchten wir weiterhin eine Gemeinschaft aufbauen, in der Therapeut:innen in ihrer Arbeit unterstützt werden, sodass die Betreuung auf beiden Seiten gewährleistet ist.

Um dies zu erreichen, planen wir, mehr Community-Events für Therapeut:innen zu organisieren, Konferenzen zum Wissensaustausch zu veranstalten und noch mehr Bildungsressourcen zur Psychotherapie bereitzustellen. Durch die Verbesserung der psychischen Gesundheitskompetenz wollen wir die Menschen in die Lage versetzen, ihre Optionen besser zu verstehen und schneller die richtige Unterstützung zu finden – ein entscheidender Faktor für effektive Hilfe.

Wie geht ihr mit dem wachsenden Wettbewerb im digitalen Mental-Health-Markt um?

Das begrüßen wir. Mehr Bewusstsein für psychische Gesundheit ist gut, und Wettbewerb spornt alle an, besser zu werden. Was uns auszeichnet, ist unser Fokus auf Tiefe statt auf Masse. Wir setzen nicht auf schnelle Lösungen – wir setzen auf echte, nachhaltige Verbindungen zwischen Therapeut:innen und Klient:innen.

Im Gegensatz zu vielen Plattformen, die auf Geschwindigkeit und Automatisierung setzen, legen wir großen Wert auf persönliche Auswahl und informierte Entscheidungsfindung. Unser Ansatz gibt Therapeut:innen den Raum, sich authentisch zu präsentieren, während Menschen auf der Suche nach Therapie die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, um passende Therapeut:innen zu finden. Wir glauben, dass nachhaltige Unterstützung im Bereich der psychischen Gesundheit mit einer starken therapeutischen Beziehung beginnt.

Welche drei Dinge würdet ihr Gründer:innen mitgeben, die in einem gesellschaftlich sensiblen Bereich starten wollen?

Höre genau zu. Die besten Lösungen entstehen nicht nur durch das Verstehen des Problems aus geschäftlicher Sicht, sondern vor allem aus menschlicher Sicht. Baue auf Vertrauen. Wenn du in einem sensiblen Bereich arbeitest, sind Transparenz und Integrität keine Optionen, sondern die Grundlage. Sei geduldig. Die Art und Weise, wie Menschen mit einem so persönlichen Thema wie psychischer Gesundheit umgehen, zu verändern, braucht Zeit. Der Fortschritt mag langsam erscheinen, aber wenn du wirklich einen Unterschied machst, ist es das wert.

Bild: Teambild © It’s Complicated

Wir bedanken uns bei Johanne Schwensen und Jakob Lusensky für das Interview

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.

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