Donnerstag, Mai 29, 2025
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BOIDEL ersetzt Papiertaschen mit Pfand-Taschen-System

Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft sind längst keine Nischenthemen mehr – sie werden zur Notwendigkeit für Handel und Konsum. Mit BOIDEL Taschen haben zwei Gründer ein innovatives Pfandsystem für Mehrwegtaschen entwickelt, das nicht nur ökologische, sondern auch wirtschaftliche Vorteile für Händler und Konsumenten schafft. Im Interview erzählen sie, wie die Idee entstand, welche Herausforderungen sie auf dem Weg meistern mussten und warum ihre Lösung das Potenzial hat, die klassische Einkaufstüte abzulösen.

Wie bist du auf die Idee zu BOIDEL gekommen? Gab es einen konkreten Auslöser oder war das eher ein schleichender Prozess?

Die Idee zu BOIDEL entstand während unserer gemeinsamen Zeit bei der White Octopus GmbH. Julian und ich kennen uns seit etwa zweieinhalb Jahren und haben dort im Bereich Strategieberatung für Verkehr zusammengearbeitet.

Was uns zum Nachdenken brachte, war eine alltägliche Beobachtung in unserem Arbeitsumfeld und auch im privaten Alltag: Wir sahen ständig Lieferungen in Papiertaschen – oft beschädigt und in großen Mengen, obwohl kaum etwas darin war. Da dachten wir uns: Das muss doch besser gehen! Erste Recherchen bestätigten, dass Lieferdienste dringend eine Alternative zu Papiertüten benötigen.

Was macht BOIDEL anders als andere Pfand- oder Mehrwegsysteme? Wo liegt euer USP – also der echte Mehrwert für Nutzer:innen und Händler?

Der zentrale Unterschied liegt in unserem ganzheitlichen „Bag as a Service“-Ansatz. Wir bieten nicht nur Mehrwegtaschen, sondern ein komplettes Ökosystem – inklusive Reinigung.

Wir sind das erste markenübergreifende System im Lebensmittelhandel. BOIDEL-Taschen können bei allen teilnehmenden Partnern abgegeben werden – das schafft maximale Flexibilität.

Für Händler bedeutet das: Wir senken die Kosten um rund 10 % im Vergleich zu Einweglösungen und übernehmen einen Großteil des operativen Aufwands – von der Reinigung bis zur Logistik.

Unsere Taschen verursachen nur 0,01 kg CO₂ pro Waschzyklus. Dank eines Wasserrückgewinnungssystems werden 90 % des verwendeten Wassers wiederverwendet.

Diese Kombination aus ökologischem Nutzen, wirtschaftlicher Effizienz und Benutzerfreundlichkeit macht uns einzigartig. Zudem unterstützen wir Händler bei der Vorbereitung auf kommende EU-Vorgaben (PPWR).

Wie funktioniert euer Pfandsystem genau? Was passiert von der Ausgabe bis zur Rückgabe der Taschen?

Supermarkt-Lieferdienst:
Der Lieferdienst erhält saubere BOIDEL-Taschen und verwendet sie im Fulfillment Center. Die Rückgabe erfolgt bei der nächsten Lieferung. Die Taschen werden etwa dreimal pro Woche abgeholt, gereinigt und wieder ausgeliefert.

Stationärer Handel:
Hier hängt die Logistik vom Bedarf ab. Verbraucher:innen bekommen die Tasche im Geschäft und geben sie an Rücknahmestellen zurück – z. B. an der Kasse, bei Rückgabeautomaten oder Partnerläden. Die Rückführung erfolgt per Post oder interner Logistik.

Dank des markenübergreifenden Systems können die Taschen flexibel zurückgegeben werden – das erleichtert den Umstieg auf Mehrweg und erhöht die Rücklaufquote.

Welche Hürden musstet ihr beim Start überwinden?

Diese Momente gab und gibt es natürlich! Oft hilft ein Anruf bei Julian, der dann mit einer unerwarteten Idee kommt – das bringt wieder neuen Schwung. Wenn man feststeckt, reden wir offen über unsere Ängste und Sorgen, drehen eine Runde im Park mit einem Eis – und weiter geht’s.

Es fühlt sich an wie eine Achterbahnfahrt: Kaum denkt man, es geht nicht weiter, öffnet sich irgendwo eine neue Tür.

Wie war das erste Feedback von Partnern und Kund:innen?

Ende Mai starten wir unseren ersten Piloten mit einem Supermarkt in der Nähe von München – wir sind gespannt auf das Feedback.

In Tempelhof haben wir ein Test-Hub aufgebaut, Materialien gewaschen und wollten mit Rewe starten. Es kam zu einem Besuch mit wertvollen Insights, aber noch nicht zum Piloten. Ein prägender Satz war: „Taschen werden eines der größten Probleme für Lieferdienste.“

Besonders freut es uns, wenn wir mit Spontaneinkäufer:innen ins Gespräch kommen – die haben meist viele Taschen zu Hause und freuen sich über eine sinnvolle Lösung.

Wie stellt ihr die Sauberkeit und Qualität der Taschen sicher?

Für den Piloten übernehmen wir die Logistik über die Post. Nach Rückgabe prüfen wir die Taschen auf Sauberkeit und Tauglichkeit und reinigen sie mit unserem Partner für Waschmaschinentechnik, Watroma.

Wie lebt ihr Nachhaltigkeit im Alltag bei BOIDEL?

Wir achten noch stärker darauf, eigene Taschen dabei zu haben. Unsere Prozesse sind auf Nachhaltigkeit ausgelegt – z. B. kurze, kalte Waschgänge, ein Wasserrücklaufsystem, Cleaning Hubs in Ballungsräumen.

In unserer Life Cycle Analysis (LCA) haben wir unseren CO₂-Verbrauch mit gängigen Lieferdienst-Taschen verglichen – mit sehr positiven Ergebnissen.

Was sind die nächsten Schritte? Wollt ihr deutschlandweit expandieren?

Unser Ziel: fünf Cleaning Hubs in Deutschland. Aktuell arbeiten wir daran, Supermarkt-Lieferdienste zu überzeugen und die Infrastruktur für das erste Hub in Berlin aufzubauen. Die Eröffnung ist für Januar 2026 geplant – mit einer Kapazität von bis zu 1,5 Mio. Taschen im Monat.

Bis dahin müssen wir viele Schritte gehen: z. B. Materialentwicklung, Zertifizierungen, Aufbau der Supply Chain in Europa.

Gibt es bereits digitale Features oder eine App?

Wir haben uns bewusst gegen eine App entschieden – das System funktioniert auch ohne. Intern nutzen wir eine eigens entwickelte Software, vergleichbar mit einem einfachen ERP-System. Noch ist es im MVP-Stadium.

Wie ist BOIDEL bislang finanziert?

Ein Jahr lang waren wir Teil des Avant Now Impact Accelerators – das hat uns sowohl finanziell als auch durch Know-how vorangebracht. Zudem haben wir einen Angel Investor. Weitere Unterstützung ist natürlich willkommen.

Wo siehst du BOIDEL in fünf Jahren?

Unsere Vision: Die klassische Einkaufstüte abschaffen. Wir wollen Supermarkt-Lieferdiensten eine kreislauffähige, lebensmittelechte Tasche bieten, die ihr volles Potenzial von der Herstellung bis zum Recycling ausschöpft.

Wie gehst du mit Wettbewerbern um?

Das ist eher Ansporn als Druck – es zeigt, dass Potenzial vorhanden ist.

Welche Tipps hast du für andere Gründer:innen im Bereich Nachhaltigkeit?

Dranbleiben! Nicht entmutigen lassen. Offen bleiben für Feedback und Pivots. Und: Nicht von jedem Geldschein blenden lassen – manchmal öffnet sich eine andere Tür, wenn eine zugeht.

Was treibt dich ganz persönlich an?

Ich wünsche mir eine Welt, in der Nachhaltigkeit Standard ist – erschwinglich und einfach zugänglich. Oft fehlt im Alltag die Energie für die „Extrameile“. BOIDEL soll eine unkomplizierte Lösung sein – eine, die es allen ermöglicht, beim Einkaufen nachhaltig zu handeln. Das motiviert mich täglich.

Wenn Sie neugierig sind, mehr über dieses Startup zu erfahren, können Sie die Gründer live auf dem Greentech Festival in Berlin vom 20. bis 22. Mai 2025 treffen! Wir bedanken uns herzlich bei den Gründern für dieses inspirierende Interview.

Foto: BOIDEL Tasche Gründerin Karolin Maiwald @ BOIDEL

Wir bedanken uns bei Karolin Maiwald für das Interview

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.

Markus Elsässer
Markus Elsässer
Markus Elsässer ist Gründer und Herausgeber des StartupValley Magazins und unterstützt mit seiner langjährigen Erfahrung Gründer und Start-ups mit praxisnahen Strategien und innovativen Lösungsansätzen. Neben der Organisation von Start-up-Events und Investitionen in zukunftsweisende Projekte begleitet er nun mit seinem Team den Umstieg von Verbrenner auf Elektromobilität im neuen Elektroauto-Magazin eAUTO Einsteiger – sowohl redaktionell als auch auf YouTube.
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