Montag, September 22, 2025
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Steht die Zukunft der Computerchips kurz vor einem Wandel?

TECHiFAB entwickelt neuromorphe Hardware auf Basis von Memristoren und arbeitet an energieeffizienten Chips für die Computertechnologien der Zukunft.

Wie ist TECHiFAB entstanden und welche Geschichte steckt hinter dem Gründungsteam?

Zufall. Wie bei vielen großen Erfindungen wie Penicillin, Röntgenstrahlen oder Insulin spielte auch bei TECHiFAB der Zufall anfangs eine entscheidende Rolle. Bei Materialexperimenten in meinem Labor am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf entdeckte ich bei einer „falsch“ prozessierten Probe ein charakteristisches Leitfähigkeitsverhalten und erinnerte mich dadurch an ein Postulat aus der Elektrotechnik aus den 1970er Jahren: Theoretisch muss es möglich sein, dass ein passives Bauelement einen elektrischen Widerstand aufweist, dessen Wert von seiner Vorgeschichte, also den elektrischen Signalen der Vergangenheit, abhängt – ein sogenannter Memristor.

Wenn sich dieser Widerstand analog beeinflussen lässt, also jeden beliebigen Wert zwischen einem Minimal- und einem Maximalwert annehmen kann, dann ist eine grundsätzliche Möglichkeit gegeben, dass ein derartiger Memristor Zahlenwerte speichern und diese direkt für Rechenoperationen nutzen kann.

Anschließend forschten mein Team und ich rund zehn Jahre weiter an dieser Materialkombination, bis der bei Helmholtz für Technologietransfer verantwortliche Innovationsmanager Stephan Krüger die potenzielle wirtschaftliche Tragweite dieser Entdeckung identifizierte. Zusammen gründeten wir im Jahr 2021 die TECHiFAB GmbH, um unsere Memristor-Technologie in Richtung Marktreife und Massenfertigung zu entwickeln.

Die Materialklasse der TECHiFAB – Bismut-Eisen-Oxid (BFO) – bildet heute die Basis der TiF-Plattformtechnologie, aus der rekonfigurierbare, analoge Halbleiterbauelemente für neuromorphe Computer und für Edge-KI-Beschleuniger-Hardware entwickelt werden.

Was war der ausschlaggebende Moment, ein Unternehmen für neuromorphe Hardware zu gründen?

Der erste Impuls war die Erkenntnis, dass herkömmliche digitale Chip-Architekturen technologisch und physikalisch an ihre Grenzen stoßen. Die Rechengeschwindigkeit lässt sich bei diesen Chips schlicht nicht beliebig skalieren, während der Energieverbrauch bei hohen Geschwindigkeiten extrem zunimmt.

Gerade bei dem rapiden Wachstum von KI-Anwendungen steigt jedoch der Bedarf an Rechenleistung exponentiell, und ein Ende ist noch gar nicht abzusehen. Große Techkonzerne siedeln sich mittlerweile gezielt nahe an Kraftwerken an oder errichten eine eigene Energieinfrastruktur, teilweise inklusive der Wiederinbetriebnahme alter Atommeiler, um den enormen Strombedarf zu decken.

Kleine Optimierungen innerhalb bestehender Chip-Technologie können die KI-Revolution nicht bewältigen – es braucht jetzt große Ideen! Die TiF-Memristoren eröffnen völlig neue Möglichkeiten: Sie verarbeiten Informationen direkt dort, wo sie entstehen, und umgehen so energie- und zeitintensive Zwischenschritte. Unsere Chip-Prototypen konnten belegen, dass wir Informationen am selben Ort gleichzeitig verarbeiten und speichern können – ganz so wie im menschlichen Gehirn. Wir sprechen von einer Energieeinsparung von rund 90 Prozent bei hundertfacher Rechenleistung. Jetzt kommt der Sprung von der erfolgreichen Entwicklung in die industrielle Fertigung.

Der zweite Impuls war die Erkenntnis, dass staatliche Forschungsinstitute neue Technologien eine Zeit lang umfassend begleiten und unterstützen können, die weitere wirtschaftliche Entwicklung jedoch außerhalb dieser Institute, die ihre Regeln haben, geschehen muss.

Und der dritte Impuls schließlich war die sich abzeichnende Unterstützung durch die „deutsche“ DARPA, durch die SPRIND, die uns ermutigte, selbst Verantwortung zu übernehmen.

Welche Vision verfolgt TECHiFAB mit der Entwicklung der TiF-Halbleiter-Plattform?

Wir wollen in absehbarer Zeit basierend auf der TiF-Plattform-Technologie neuartige analoge Bauelemente als wesentliche Bausteine für neuromorphe Computer und für Edge-KI-Beschleuniger-Hardware entwickeln. Dafür peilen wir Zwischenschritte an, die uns Stück für Stück in diese Richtung bringen: Bereits heute können wir TiF-Memristoren in sogenannten Crossbar-Strukturen realisieren. Bis 2026 wird ein erster monolithisch eingebetteter Chip mit TiF-Memristor-Crossbar-Strukturen für Industriekunden zum Testen zur Verfügung stehen, 2027 wird er marktreif sein. Parallel dazu arbeiten wir an TiF-Bauelementen für die Edge-KI-Beschleuniger-Hardware in komplexen neuronalen Netzen.

Unsere Vision besteht ganz klar darin, die Zukunft der Computertechnologien mit einem extrem sparsamen Energieeinsatz maßgeblich mitzugestalten und in naher Zukunft komplexe Memristor-Crossbar-Strukturen für Inferenz und Training zur Verfügung zu stellen.

Für welche Anwendungen und Branchen ist eure Technologie besonders relevant?

Für alle Branchen, in denen sehr viel gerechnet werden muss. Die Stärken unserer Plattform sind die sogenannten „Crossbar-Strukturen“, die alle Standards im Chipdesign berücksichtigen und mit unserer hohen Leistungsstärke kombinieren. Damit ist unsere Plattform einfach in bestehende IT-Umgebungen zu integrieren. Memristor-Crossbar-Strukturen sind dann für Chips in verschiedenen Anwendungsszenarien verfügbar.

Bis wir die Bauelemente soweit designt haben, dass sie in großen Rechenzentren zum Einsatz kommen, spielen wir einen weiteren Trumpf aus: Die energiearme Verarbeitung großer Datenmengen direkt an der Edge, also dem Ort ihres Entstehens.

Das ist äußerst relevant für Wearable KI-Geräte, die in den nächsten Jahren massiv auf den Markt kommen werden. Auch Robotics ist ein Einsatzgebiet, in dem die sensornahe Datenverarbeitung sehr, sehr sinnvoll ist.

Wie gelingt es euch, komplexe Deep-Tech-Innovationen für industrielle Kunden greifbar und nutzbar zu machen?

Unser Team ist eine Mischung aus renommierten Wissenschaftlern, sehr erfahrenen Experten aus der Halbleiterindustrie sowie vorausschauenden Markt-Kennern. Wir denken nicht nur in Bauelementen für Chips, sondern aus der Anwendung heraus. Unser Ziel ist es, den Nutzen unserer Technologie praxisnah zu vermitteln. Durch eine enge Zusammenarbeit mit Industriepartnern weltweit und durch die vielfältige Erfahrung im Team können wir die zukünftigen Marktanforderungen gut abschätzen. Besonders deutlich werden die Vorteile unserer neuromorphen Systeme, wenn wir die aktuellen Probleme klassischer IT-Infrastrukturen bei Edge-KI-Anwendungen betrachten. Diesen Mehrwert können wir nicht nur erklären, sondern durch unsere Pilotprojekte praktisch demonstrieren.

Was unterscheidet TECHiFAB grundlegend von klassischen Chip- oder Edge-Computing-Anbietern?

Der größte Unterschied liegt in der Crossbar-Architektur verbunden mit dem Minimal- und Maximalwert des analog rekonfigurierbaren Widerstandes der TiF-Memristoren. Wir verlassen die klassische Von-Neumann-Struktur und setzen auf eine neuromorphe Architektur auf Basis rekonfigurierbarer Memristoren. Das permanente Hin- und Herbewegen von Daten zwischen Speicher und Prozessor entfällt – also der Flaschenhals, der bei herkömmlichen Chips extrem viel Zeit und Energie kostet und den die TiF-Technologie ersetzt. Durch die Materialeigenschaften unserer Plattform können Daten direkt dort verarbeitet werden, wo sie entstehen, nämlich in der Hardware selbst. Der rekonfigurierbare Widerstandsbereich gestattet die Realisierung von Crossbar-Architekturen mit mehr als 1000 TiF-Memristoren. Die TiF-Memristoren können nicht nur analoge Signale verarbeiten, sondern auch digitale (0 und 1) sowie alle Zwischenstufen. Das führt zu enormen Effizienzgewinnen: Im Vergleich zu aktuell am Markt verfügbaren 5-nm-CMOS-Chips bedeutet das eine bis zu 400-mal höhere Rechenleistung und sechsfach höhere Speicherdichte. Dabei sinkt der Energieverbrauch um über 90 %.

Mit welchen Herausforderungen seid ihr in der Entwicklung oder Skalierung eurer Technologie konfrontiert?

Unsere Herausforderungen liegen nicht nur in der Technologie selbst, sondern in der gesamten Wertschöpfungskette. Neuromorphe Hardware muss mit den Standards und Prozessen etablierter Fertigungstechnologien kompatibel sein, damit sie später für den Massenmarkt zur Verfügung steht. Also müssen wir nicht nur unsere eigenen Innovationen optimieren, sondern auch die „alte Chip-Welt“ weiter mitdenken.

Beim Skalieren spielt für uns die Fertigungsumgebung eine zentrale Rolle. Damit wir nicht jeden Chip mit hohem manuellen Aufwand fertigen müssen, haben wir mit Unterstützung der Bundesagentur für Sprunginnovation Deutschland (SPRIND) in eine eigene Reinraumproduktion investiert, die wir schrittweise ausbauen. Das ermöglicht für die nahe Zukunft schnelles Feedback, schlankes Lernen bei der Prozessgestaltung und Unabhängigkeit.

Welche Rolle spielen Partnerschaften und Förderungen wie durch SPRIND für eure Entwicklung?

SPRIND ist für uns essenziell! Wir sind ja kein typisches Start-up, das eine tolle Idee hat, dann gebootstrapped ein paar Monate Code programmiert, und fertig ist das Minimal Viable Product. Für DeepTech-Hardware brauchen wir modernste eingerichtete Labore, Messgeräte auf Weltniveau, eine Fertigungsstraße für die Wafer-Produktion und zahlreiche auf dem Markt extrem gesuchte Halbleiter-Experten. Ohne die Finanzierung, aber auch ohne das Know-how von SPRIND stünden wir noch ganz am Anfang. Wir leben einen sehr intensiven und positiven Austausch.

Außerdem hilft uns die Vernetzung im Silicon Saxony signifikant weiter. Man merkt ganz deutlich, dass ein gigantisches Halbleiter-Cluster um uns herum existiert. Seien es Privatfirmen wie Infineon, Jenoptik, GlobalFoundries, Bosch und TSMC oder die öffentlichen Institute wie Helmholtz, Leibniz, Fraunhofer, Max Planck, die TU Dresden, die HTW und alle anderen im Umkreis – wir erleben sehr oft große Bereicherungen und Unterstützung in unserem Umkreis.

Wohin soll sich TECHiFAB in den kommenden Jahren entwickeln – technologisch wie auch unternehmerisch?

Technologisch arbeiten wir darauf hin, so schnell wie möglich KI-ready zu sein. Also die TiF-Plattform so auszubauen, dass große KI-Rechenzentren um die Technologie der TECHiFAB nicht herumkommen.

Als Unternehmen möchten wir auch noch in vielen Jahren am Standort Dresden präsent sein. Hier haben wir unsere ersten Schritte gemacht, hier finden wir ideale Voraussetzungen. Die Chipfertigung wird in weiten Teilen durch Lizenznehmer erfolgen. Langfristig wird auch eine eigene TECHiFAB-Fabrik möglich sein, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.– Wir wollen hier ein funktionierendes, lukratives Business aufbauen und der global bedeutendste Provider für Edge-KI-Hardware mit Memristor-Crossbar-Strukturen werden.

Gab es einen Moment, der euch besonders stolz gemacht hat?

Rückblickend bin ich auf zwei Momente besonders stolz. Der erste betrifft mich als Wissenschaftlerin, als klar wurde, dass wir tatsächlich eine weltweit einmalige Materialkombination für Memristoren gefunden hatten. Der zweite Moment folgte als Gründerin – als TECHiFAB von der SPRIND-Agentur als besonders förderungswürdiges DeepTech-Start-up eingestuft wurde.

Was würdet ihr rückblickend beim Gründen anders machen?

Gar nicht so viel. Erstaunlicherweise haben mich das ständige Pitchen um Projektfördermittel, die Präsentation von Forschungsergebnissen, die Know-how-Vermittlung an Nachwuchskräfte und das Führen von Forschungs-Teams ziemlich gut auf das Zweitleben als Gründerin vorbereitet. Dennoch würde ich mich früher um ein begleitendes Business Coaching kümmern. Bei Themen wie Finanzen, Öffentlichkeitsarbeit und Networking ticken Start-ups dann doch anders als Forschungseinrichtungen. Auch empfehle ich einen persönlichen Mentor, der selbst gegründet hat und die Fallstricke bei Recht, Patenten, Verwertung und Verhandlungen kennt. Das ist tiefes Wasser. Sucht Euch jemanden!

Welche drei Tipps möchtet ihr anderen Deep-Tech-Gründerinnen und -Gründern mit auf den Weg geben?

Da fallen mir tatsächlich einige ein! In dieser Reihenfolge: Wenn Ihr eine valide Business-Idee habt, dann versucht es einfach! Bei DeepTech sind die Hürden zwar hoch, aber das Umfeld ist extrem spannend und man kann gerade in diesem Bereich wirklich Neues schaffen. Geht raus und bildet Netzwerke! Dann findet ihr immer jemanden, der unterstützen, sparren oder mit Kontakten helfen kann. Delegiert früh und viel! DeepTech-Experten sollten sich auf die Entwicklung des Kernprodukts fokussieren – anderes können andere besser.

Bild Heidi und Stephan Krüger @TECHiFAB

Wir bedanken uns bei Heidi Krüger für das Interview

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.

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