Inhaltsverzeichnis
- Prevention-as-a-Service: Ein Markt, der Gesundheit neu denkt – und Skalierungspotenzial hat
- Die Wirtschaftlichkeit der Gesundheit
- Drei Entwicklungen, die den Präventionsmarkt skalierbar machen
- USA als Blaupause: Was schon funktioniert
- Warum Europa trotzdem einen Vorteil hat
- Prävention als Verantwortung – und als Markt
Prevention-as-a-Service: Ein Markt, der Gesundheit neu denkt – und Skalierungspotenzial hat
Die Gesundheitsbranche steht vor einer fundamentalen Neuausrichtung. Jahrzehntelang basierte das System auf einem simplen Prinzip: Menschen werden krank – und dann wird behandelt. Therapie, Medikamente, Operationen. Je später die Intervention, desto teurer. Und desto profitabler.
Doch diese Logik gerät ins Wanken.
Statt Krankheit zu behandeln, entsteht ein Markt, der versucht, sie gar nicht erst entstehen zu lassen. Prävention – nicht als idealistisches Ziel, sondern als skalierbares Geschäftsmodell. Möglich wird das durch neue Technologien, ein verändertes Gesundheitsbewusstsein und wachsenden gesellschaftlichen Druck.
Willkommen in der Ära von Prevention-as-a-Service.
Die Wirtschaftlichkeit der Gesundheit
Es klingt paradox: Prävention war jahrzehntelang der blinde Fleck der Medizin – ausgerechnet, weil sie zu günstig war. Es gab wenig Anreize, Menschen gesund zu halten, wenn das System mit Krankheit sein Geld verdient.
Doch inzwischen hat sich das Blatt gewendet:
Chronische Erkrankungen kosten Europa jährlich über 700 Milliarden Euro.
In Deutschland entfallen rund 80 % der Gesundheitsausgaben auf Krankheiten, die in vielen Fällen vermeidbar wären.
Laut WHO ließen sich über 60 % aller vorzeitigen Todesfälle durch bessere Prävention verhindern.
Was lange als moralisches Argument galt, wird jetzt zur wirtschaftlichen Notwendigkeit. Jeder Euro, der in Prävention fließt, kann ein Vielfaches an Folgekosten sparen – für Versicherungen, Unternehmen, ganze Volkswirtschaften.
Drei Entwicklungen, die den Präventionsmarkt skalierbar machen
Tech meets Health:
Wearables, Bluttests, Mikrobiomanalysen, AI-Health-Coaches – noch nie war es so einfach, Gesundheitsdaten in Echtzeit zu erfassen und zu interpretieren. Prävention wird messbar, personalisierbar und dadurch: verkaufbar.
Kultureller Wandel:
Die Menschen – vor allem die Altersgruppe 25–45 – wollen mehr als „nicht krank“ sein. Sie wollen Energie, Vitalität, Klarheit, Resilienz. Gesundheit wird zum neuen Statussymbol – und zum persönlichen Projekt.
Neue Geschäftsmodelle:
Plattformen wie Function Health, Superpower, InsideTracker oder Lucis zeigen, wie Prävention als Service funktioniert: Blutwerte → Analyse → maßgeschneidertes Programm → laufende Begleitung. Keine App mehr, sondern ein System. Dennoch ist auch hier noch luft nach oben.
USA als Blaupause: Was schon funktioniert
Während in Europa noch diskutiert wird, entstehen in den USA längst Unternehmen, die Gesundheit neu denken – und dabei klassische Branchengrenzen sprengen:
Fountain Life: Vollständige Präventionsdiagnostik mit modernster Bildgebung, Blutanalytik und AI-Auswertung – in einem Mitgliedsmodell wie beim Fitnessstudio. (Hier scheint Europa jedoch auch schon nachzuziehen mit Start-ups wie YEARS oder Ayun)
Monarch Athletic Club: Interdisziplinäre Betreuung durch Ärzte, Coaches, Ernährungsberater – mit einem Fokus auf Lebensstil, Prävention und Performance.
Equinox x Function Health: Die Fitnesskette kombiniert Sport mit Laboranalytik – und schafft so ein „Longevity Light“-Angebot für die breite Masse.
Der Markt für „Consumer Preventive Health“ wächst laut CB Insights jährlich im zweistelligen Bereich. In den USA investieren Venture Capital Fonds bereits Milliarden in Präventionsplattformen. Und auch Versicherungen beginnen, ihre Modelle umzustrukturieren – weil Prävention langfristig günstiger ist als Reparatur.
Warum Europa trotzdem einen Vorteil hat
Trotz regulatorischer Hürden, Datenschutzbedenken und träger Systeme bietet Europa eine große Chance: Das Vertrauen der Bevölkerung in medizinische Evidenz und strukturierte Versorgung.
Start-ups, die Prävention in wissenschaftlich fundierte, skalierbare und nutzerfreundliche Modelle gießen, treffen hier auf eine anspruchsvolle, aber bereite Zielgruppe. Das kann funktionieren – wenn drei Bedingungen erfüllt sind:
Systemdesign statt Einzeltool:
Kein weiteres Wearable. Sondern ein ganzheitlicher Prozess, der Diagnostik, Verhaltensänderung und Support verknüpft.
Vertrauen durch medizinische Qualität:
Keine Wellnessversprechen, sondern echte ärztliche Begleitung, hochwertige Labordaten, evidenzbasierte Empfehlungen.
Erreichbarkeit statt Elitenprojekt:
Prävention darf kein Luxusgut bleiben. Der eigentliche Business Case liegt nicht nur in exklusiven High-End-Check-ups für 10.000 € – sondern in skalierbaren Angeboten, die auch mit 30 € im Monat Wirkung zeigen. Ob das ein digitaler Gesundheitskurs ist, ein Basistest oder ein sinnvoller Einstieg ins regelmäßige Screening unter 2.000 €: Entscheidend ist, dass Prävention für viele zugänglich wird – nicht nur für wenige.
Prävention als Verantwortung – und als Markt
Wer heute ein Start-up im Gesundheitsbereich gründet, steht vor einer Entscheidung: Will ich Teil des Systems sein, das Menschen behandelt, wenn es zu spät ist? Oder will ich etwas bauen, das sie davor schützt?
Prevention-as-a-Service ist nicht nur wirtschaftlich sinnvoll – es ist ethisch sinnvoll. Und genau das macht es so stark: Es verbindet gesellschaftliche Wirkung mit unternehmerischer Skalierbarkeit.
Wenn wir Prävention messbar, bezahlbar und begehrenswert machen, entsteht ein neues Gesundheitsverständnis:
Weg von “Hoffentlich werde ich nicht krank” – hin zu “Ich arbeite aktiv an meinem Wohlbefinden”.
Das ist kein Trend.
Das ist die Zukunft.
Bild Niko Hems @Niko Hems
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder