HandicApp: Mit der App können Menschen mit Behinderungen mobile Endgeräte bedienen
Stellen Sie sich und das Startup HandicApp doch kurz unseren Lesern vor!
Wir sind Janik und Tobi und zusammen haben wir die App HandicApp entwickelt. Janik ist Wirtschaftsmathematiker, also für den Management-Teil verantwortlich und Tobias als Wirtschaftsinformatiker für die Appentwicklung.
Kurz zu HandicApp. HandicApp wirkt Barrieren in der digitalen Welt entgegen, denen insbesondere Menschen mit physischen Einschränkungen oder körperlichen Behinderungen gegenüberstehen. Mit der App ermöglichen wir Usern mobile Endgeräte wie Tablets oder Smartphones eigenständig zu steuern. Beispielsweise kann in unserer App durch Kopfbewegungen wie Kopfdrehen, Nicken oder Augenschließen gesteuert werden sowie mit gewohnter Sprachsteuerung und Touch. Damit überwinden wir die implizite Einstiegshürde „Koordinations- und Bewegungsfähigkeit der Hände“ für mobile Endgeräte.
Zudem bietet HandicApp eine einfache und intuitive Benutzeroberfläche. Als eine Art Schaltzentrale können in der App die wichtigsten und am häufigsten verwendeten Funktionen (z.B. YouTube, Nachrichten, Audio-Ausgaben, etc.) verwendet werden, wodurch die Anwendung auch für nicht technikaffine Menschen verständlich und bedienbar gemacht wird.
Warum haben Sie sich entschieden, ein Unternehmen zu gründen?
Wir denken, es ist ein Mix aus verschiedenen Motiven.
Die Kombination aus einer guten, nützlichen und vielversprechenden Idee gepaart mit dem Zutrauen in uns, diese umzusetzen, sowie den Chancen und Risiken, die eine Selbstständigkeit mit sich bringen. Selbstverständlich geht man bei einer Gründung hohe Risiken, vor allem auch finanzieller Art ein, verbunden mit ggf. mehr Verantwortung und Aufwand im Vergleich zum Arbeitnehmerdasein. Gleichzeitig gehen damit natürlich auch Komponenten wie Eigenständigkeit, Unabhängigkeit, Verantwortung und Selbstbestimmung einher. Eigenschaften für die auch HandicApp als Anwendung steht und Eigenschaften, die für uns ausschlaggebend sind bei der Entscheidung.
Welche Vision steckt hinter HandicApp?
Final soll die Anwendung Menschen unabhängig ihrer motorischen Fähigkeiten eigenständigen Zugang zu digitalen Anwendungen ermöglichen. Damit fördern wir digitale Teilhabe und Werte wie Gleichberechtigung der Informationsbeschaffung, Gerechtigkeit im Zugang zu digitalen Dienstleistungen und Barrierefreiheit. Werte, die uns wichtig sind.
Von der Idee bis zum Start was waren bis jetzt die größten Herausforderungen und wie haben Sie sich finanziert?
Bisher haben wir noch keine Investoren oder Kreditgeber, dementsprechend haben wir uns privat finanziert. Parallel dazu haben wir erfolgreich an verschiedenen Gründerwettbewerben teilgenommen und dadurch finanzielle und immaterielle Siegprämien erhalten, unter anderem bei der Social Innovators Challenge der Universität Würzburg, einem Accelerator Programm und Red Bull Basement. Vor allem Red Bull Basement stellt nach wie vor ein äußerst hilfreiches Netzwerk für uns dar, von dem wir enorm profitieren. Aktuell befinden wir uns zudem in einem Gründerstipendium, dass uns sowohl finanziell als auch materiell unterstützt.
Die größte Herausforderung war und ist in erster Linie die Adaptivität der Steuerung dauerhaft zu gewährleisten. Unserer Nutzer haben unterschiedlichste Ansprüche an die Sensitivität der Steuerung und individuellste körperliche Fähigkeiten. Unser Versprechen beinhaltet eine zuverlässige Steuerung unabhängig von diesen Voraussetzungen. Dafür sind wir auf Feedback unserer Nutzer angewiesen um die App und Steuerung stetig daran anzupassen. Vor allem zum Jahreswechsel war der Kontakt zu unseren Nutzern coronabedingt entsprechend nicht ganz einfach, was uns in der Entwicklung ein wenig aufgehalten hat.
Die zweite große Frage ist wie wir das Geschäftsmodell genauso einfach und zugänglich machen wie unsere App. Jeder kann sich vorstellen, dass unsere Kernzielgruppe in der Regel keine digital natives sind und das gilt es im Kaufprozess zu berücksichtigen.
Wer ist die Zielgruppe von HandicApp?
Primär natürlich alle jene Personen, welchen durch motorische oder physische Einschränkungen die zuverlässige Steuerung eines Tablets verwehrt bleibt. Trotzdem bleibt die Anwendung auch spannend für Nutzer, die aufgrund der Komplexität moderner Anwendungen und der Individualität der Benutzeroberflächen überfordert sind und eine intuitive und übersichtliche Lösung benötigen. In einer Art Terminal manipulieren wir Subanwendungen in unsere leicht verständliche Benutzeroberfläche und reduzieren so die benötigte Präzision zum Steuern (weniger Klickmöglichkeiten) und reduzieren die Einlerndauer.
Wie funktioniert HandicApp? Wo liegen die Vorteile? Was unterscheidet Sie von anderen Anbietern?
Zuerst die technische, etwas komplizierte Erklärung: Die Software bietet die Möglichkeit von einem nonverbalen Kommunikationskanal in der Mensch-Maschine-Interaktion zu profitieren. Dazu werden vorab festgelegte Merkmale wie der Zuwendungswinkel des Gesichtes zum Display, der Öffnungsgrad der Augen oder die Position der Ober-/Unterlippe mithilfe der Frontkamera des Endgeräts gemessen.
Nun beispielhaft erklärt für eine Person mit Rückenmarksverletzung:
Durch Drehen des Kopfes nach rechts/links oder bewegen nach oben/unten kann ein Feld ausgewählt und damit ein Menü oder eine Funktion aufgerufen werden. Analog erfolgt die Steuerung innerhalb einer Funktion. Durch andere „Bewegungen“ können die Untermenüs/Funktionen verlassen werden. Welche Bewegungen dabei welche Navigation initiieren, kann abhängig von der betroffenen Person und deren Einschränkungen individuell konfiguriert werden.
HandicApp, wo geht der Weg hin? Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?
Zunächst wollen wir natürlich versuchen zeitnah unsere Anwendung möglichst vielen Nutzern bereitzustellen. Wir streben weiterhin an eine Listung als DiGa/DiPa zu erreichen, um den Erwerb der App und ggfls. eines Tablets für die Nutzer noch einfacher zu machen. Aktuell stellt sich das sehr vielversprechend dar, weshalb wir als Team mit entsprechend zunehmender Zahl an Kunden auch wachsen wollen.
Mittelfristig haben wir noch weitere Ideen im Bereich Face Detection in verschiedenen Anwendungsbereichen.
Zum Schluss: Welche 3 Tipps würden Sie angehenden Gründern mit auf den Weg geben?
Finde ich grundsätzlich schwierig, weil wir ja selbst noch nicht so erfolgreich sind, um in der Position zu sein, Anderen Tipps geben zu können.
Was wir trotzdem mit guten Gewissen schon sagen können: Erkundigt euch unbedingt nach Gründungswettbewerben. V.a. bei Red Bull Basement lohnt es sich, mitzumachen. Wir profitieren noch heute von dem internationalen Netzwerk und den wertvollen Tipps, Mentoring und Publicity, die wir hierdurch erhalten haben.
Fotocredit (c) Frederic Novotny / Red Bull Content Pool
Wir bedanken uns bei Tobias Moritz und Janik Ehrhardt für das Interview
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder