Mittwoch, Juni 25, 2025
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Wie aus Frust eine globale Plattform entstand

airfocus hilft Produktteams, strategisch zu arbeiten – entstanden ist die Plattform aus der Not eines Produktmanagers. Heute nutzen sie Unternehmen weltweit.

Was hat dich persönlich zur Gründung von airfocus motiviert und wie hat sich deine Rolle seitdem verändert?

airfocus ist als Lösung auf ein Problem entstanden, das ich als Produktmanager selbst erlebt habe: Roadmaps und Prioritäten mithilfe von Excel-Tabellen und PowerPoint-Präsentationen sinnvoll zu strukturieren – was weder effizient noch skalierbar war. Ich habe viele Tools getestet, aber keines hat das eigentliche Problem gelöst. Also haben wir angefangen, ein eigenes Tool zu bauen. Das Ziel war, bessere Entscheidungen treffen zu können. So entstand airfocus, zunächst als simples Priorisierungstool.

Daraus haben wir über die Jahre Schritt für Schritt eine modulare Plattform für strategisches Produktmanagement aufgebaut. Mit dieser Entwicklung hat sich auch meine Rolle verändert: Heute verantworte ich als CEO und CPO nicht nur das Produkt, sondern auch die strategische Weiterentwicklung und Skalierung des Unternehmens.

Wie würdest du die Vision von airfocus heute beschreiben und was sind die nächsten Schritte, um sie Wirklichkeit werden zu lassen?

Unsere Vision ist es, das erste „Product Operating System“ zu schaffen – eine Plattform, die Produktteams durch alle Phasen begleitet: von der Idee bis zur Umsetzung mit KI-gestützten Erkenntnissen, integrierten Arbeitsabläufen und speziell entwickelten Produktmanagement-Tools. Diese Vision habe ich aktiv vorangetrieben, mit einem klaren Fokus auf Wachstum.

Durch die Übernahme von Lucid Software, einem führenden Anbieter von Lösungen für visuelle Zusammenarbeit und Prozessoptimierung, eröffnen sich nun jedoch neue Möglichkeiten, diese Ziele schneller und wirkungsvoller zu erreichen. Lucids Stärke in der visuellen Aufbereitung komplexer Themen und der Optimierung von Arbeitsabläufen ergänzt den Schwerpunkt von airfocus in der Planung, Priorisierung und Umsetzung. Der nächste Schritt ist, beide Plattformen noch enger zu verzahnen und so einen durchgängigen Workflow zu ermöglichen – alles an einem Ort, flexibel und skalierbar.

airfocus hat sich von einem Priorisierungstool zu einer umfassenden Plattform entwickelt – was war der entscheidende Wendepunkt?

Der Wendepunkt war die Erkenntnis, dass Produktteams sehr unterschiedlich arbeiten – je nach Größe, Struktur oder Branche. Wir haben deshalb früh auf eine extrem flexible Architektur unserer Lösung gesetzt. Statt ein fixes Framework vorzugeben, ermöglichen wir Teams, ihre eigene Arbeitsweise abzubilden und gleichzeitig strategisch verbunden zu bleiben.

Diese Flexibilität war für uns ein echter Gamechanger und hat airfocus von einem fokussierten Tool zu einer breit aufgestellten Plattform gemacht: Sie unterstützt Produktteams in ihrer ganzen Vielfalt und hilft ihnen, mit sich ändernden Anforderungen und Prozessen umzugehen.

Welche Zielgruppe sprecht ihr mit airfocus an und wie stellt ihr sicher, dass eure Plattform ihren Bedürfnissen gerecht wird?

Unsere Zielgruppe sind Produktteams, die in dynamischen und oft komplexen Strukturen arbeiten – etwa über mehrere Teams, Standorte oder Produktlinien hinweg. Viele Tools stoßen hier an ihre Grenzen, weil sie zu starr oder nicht anpassbar genug sind. Unsere Plattform haben wir deshalb so konzipiert, dass sie zu den unterschiedlichsten realen Herausforderungen im Berufsalltag passt. Dabei hat uns auch unsere eigene praktische Erfahrung im Produktmanagement sehr weitergeholfen.

Was war für euch die größte Herausforderung beim Skalieren eurer Lösung für einen globalen Markt?

Eine der größten Herausforderungen war es, ein Produkt zu entwickeln, das sich an sehr unterschiedliche Teams und Märkte anpassen lässt und trotzdem klar strukturiert bleibt. Gerade im Enterprise-Umfeld variieren Prozesse stark. Manche arbeiten klassisch, andere agil – und airfocus muss für beides funktionieren.

Gleichzeitig war es entscheidend, eine nahtlose Integration in bestehende Tech-Stacks zu ermöglichen – ob Jira, Azure DevOps oder andere Tools. Teams sollten airfocus dort nutzen können, wo sie ohnehin schon arbeiten. Wir haben deshalb früh und gezielt in unsere Produktarchitektur investiert, um genau diese Flexibilität zu schaffen. Diese Grundlage war entscheidend dafür, dass wir überhaupt global skalieren konnten.

Wie wichtig war die Internationalisierung für euer Wachstum und welche Learnings nimmst du aus diesem Prozess mit?

Internationalisierung war für uns von Anfang an ein zentraler Bestandteil der Strategie. Wir haben airfocus nie als rein deutsches Produkt verstanden, sondern immer für den globalen Markt gedacht – und auch entsprechend positioniert. Das hat sich ausgezahlt, insbesondere in Nordamerika, wo wir heute einen großen Teil unseres Wachstums sehen.

Was ich aus dem Prozess definitiv mitnehme: Es lohnt sich, früh in Beziehungen zu potenziellen Partnern zu investieren – auch wenn nicht sofort ein konkreter Nutzen erkennbar ist. Die Übernahme durch Lucid war letztlich das Ergebnis einer Beziehung, die wir über zwei Jahre hinweg aufgebaut und gepflegt haben. Ohne dieses Vertrauen im Vorfeld wäre der Schritt in dieser Form kaum möglich gewesen.

Der Einstieg von Lucid markiert einen großen Schritt – wie kam es zu dieser Übernahme und was bedeutet sie strategisch wie kulturell?

Die Verbindung zu Lucid ist über einen längeren Zeitraum gewachsen. Wir hatten immer wieder regelmäßige Check-ins. Irgendwann wurde daraus ein strategisches Gespräch: Lucid stand vor der Entscheidung, ein eigenes Produkt aufzubauen oder ein bestehendes zu übernehmen. Weil es auf persönlicher und produktseitiger Ebene bereits eine gute Basis gab, wurde schnell klar, dass es passt.

Strategisch bringt der Schritt enorme Chancen. airfocus bleibt eigenständig, profitiert aber von Lucids Kundenbasis, Infrastruktur und internationaler Reichweite. Gleichzeitig teilen wir ein ähnliches Verständnis davon, wie modernes Produktmanagement funktioniert – kollaborativ, visuell und strukturiert. Es fühlt sich nicht wie ein klassischer Exit an, sondern wie der nächste logische Schritt, um unsere Vision weiter voranzubringen.

Was unterscheidet airfocus heute ganz konkret von anderen Lösungen im Bereich Produktmanagement?

Viele Tools sind entweder zu starr und prozesslastig oder zu locker und unstrukturiert. airfocus geht einen anderen Weg: Unsere Plattform ist modular aufgebaut und lässt sich flexibel an die Arbeitsweise unterschiedlicher Teams und Organisationen anpassen, ohne dabei den strategischen Blick zu verlieren.

Was uns besonders wichtig ist: Wir verbinden kreative Ideen mit klarer Priorisierung und strukturierter Planung.

Wie bleibt ihr innovativ in einem Umfeld, in dem sich Anforderungen und Tools rasant verändern?

Indem wir unsere Ansätze regelmäßig hinterfragen und sehr genau zuhören. Unsere Nutzer:innen arbeiten in hochdynamischen Umfeldern, deren Anforderungen sich ständig ändern. Deshalb investieren wir gezielt in Bereiche, die unserer Meinung nach zukünftig den größten Mehrwert schaffen werden, wie etwa KI-gestützte Empfehlungen und Insights.

Gleichzeitig verstehen wir Innovation nicht nur als neue Features, sondern als grundsätzliche Haltung. Ein gutes Produktmanagement-Tool soll nicht nur beim Organisieren helfen, sondern auch beim Denken – indem es Komplexität reduziert, Orientierung gibt und bessere Entscheidungen ermöglicht.

Welche Rolle spielt Teamkultur bei eurem Erfolg – gerade in Zeiten schnellen Wachstums?

Teamkultur zeigt sich für mich vor allem dann, wenn es herausfordernd wird. Während der Gespräche mit Lucid haben wir sehr viel parallel gestemmt – mit engem Zeitrahmen, komplexen Entscheidungen und ohne externe M&A-Beratung. Dass das als Team funktioniert hat, war kein Zufall, sondern das Ergebnis von Vertrauen, Klarheit und einer guten Abstimmung über viele Monate hinweg.

Wir haben gelernt, Verantwortung zu teilen, Entscheidungen gemeinsam zu treffen und uns auch unter Druck aufeinander verlassen zu können. Diese Art der Zusammenarbeit hat uns nicht nur durch intensive Phasen getragen, sondern war auch ein wichtiger Erfolgsfaktor. Wir haben immer wieder festgestellt, wie gut die Unternehmenskultur und Werte von Lucid und airfocus zusammenpassen. Die Übernahme und Integration war dann der nächste logische Schritt.

Was würdest du anderen Gründer:innen raten, die gerade an einer B2B-Lösung für den internationalen Markt arbeiten?

Denkt international – und zwar von Anfang an, nicht erst, wenn sich ein klarer Product-Market-Fit abzeichnet, also wenn das Produkt echten Bedarf im Markt sichtbar erfüllt. Viele starten mit dem Heimatmarkt und kommen später nur schwer aus dieser Perspektive heraus. Für uns war früh klar: Wenn das Produkt global relevant ist, muss man es auch so denken.

Etwas, das auch nie schaden kann: sehr früh Beziehungen zu potenziellen Partnern aufbauen. Sei es für Austausch, Zusammenarbeit oder, wie in unserem Fall, den letztendlichen Exit. Vor der Übernahme haben wir über zwei Jahre hinweg regelmäßige Gespräche mit Lucid geführt, die später die Grundlage für unsere Überzeugung in Sachen Product- und Cultural-Fit gelegt haben. Gerade im B2B-Bereich zahlt sich das aus. Vertrauen entsteht nicht über Nacht – aber es kann später entscheidend sein in der Entscheidung für oder gegen einen Exit.

Wenn du heute nochmal gründen würdest – was würdest du ganz anders machen und was würdest du genauso wieder tun?

Ich würde wieder damit starten, ein reales Problem zu lösen. Die Idee für airfocus entstand damals aus meiner eigenen Frustration mit ineffizienten Priorisierungsprozessen – und genau dieser Fokus auf ein reales Problem aus der Praxis hat uns über die Jahre geholfen, das Produkt weiterzuentwickeln.

Was ich heute anders machen würde: Unseren Go-to-Market-Ansatz früher überdenken. Wie viele in der Branche haben auch wir stark auf einen Product-Led-Growth-Ansatz (PLG) gesetzt. Rückblickend mussten wir jedoch feststellen, leider etwa ein Jahr zu spät, dass der Vertrieb an mittelständische und große Unternehmen mehr erfordert als nur ein starkes Produkterlebnis. Diese Kunden erwarten echte Gespräche und eine persönliche Begleitung durch den Kaufprozess.

Hätten wir früher begonnen, PLG mit einem strukturierten Vertriebsmodell zu kombinieren, also eine produktgestützte Vertriebsstrategie aufzubauen, hätten wir unser Wachstum beschleunigen und deutlich früher tiefere Kundenbeziehungen aufbauen können.

Bild: Teambild © It’s Complicated

Wir bedanken uns bei Malte Scholz für das Interview

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.

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