Caster macht Remote-Arbeit zu etwas Selbstverständlichem
Stellen Sie sich und Ihr Startup Caster doch kurz unseren Lesern vor!
Mein Name ist Shota Nakagawa und ich habe Caster im September 2014 gegründet. Ich komme ursprünglich aus Japan. Als ich 20 war, habe ich einen Secondhand-Shop für Kleidung gegründet und später dann bei einer Internet-Werbeagentur gearbeitet. Als ich versetzt werden sollte, habe ich gekündigt und wechselte stattdessen zu einem Anbieter für Outsourcing-Dienstleistungen.
Dort habe ich mich mit Business Process Outsourcing (BPO) beschäftigt und kam in Kontakt mit Crowdsourcing. Dadurch habe ich mitbekommen, wie schlecht die Arbeitsbedingungen von Outsourcing-Mitarbeitern oft sind. So kam ich auf die Idee, selbst eine Firma zu gründen, die bessere und flexiblere Arbeitsbedingungen für diese Arbeitnehmer bietet, gerade was Telearbeit und Homeoffice angeht. So ist Caster entstanden.
Warum haben Sie sich entschlossen, ein Unternehmen zu gründen?
Durch meinen Kontakt mit Crowdsourcing-Plattformen habe ich viele Probleme entdeckt. Es gibt auf diesen Plattformen sehr viele talentierte Leute, die aber nicht durch Arbeitsgesetze geschützt werden und keinen Anspruch auf Mindestlohn haben. Deswegen werden die Preise sehr nach unten gedrückt und sie verdienen teilweise nur 100 Yen (also etwa einen Euro) pro Stunde. Die Leute können nicht davon leben, was nicht nur unzumutbar ist, sondern auch demotivierend. Ich wollte nicht nur zusehen, sondern diesen Menschen eine bessere Alternative bieten.
Außerdem gibt es in Unternehmen eine hohe Nachfrage nach Arbeitskräften. Dort sind die Arbeitstage meistens sehr lang, weil die Leute nicht mehr mit der Arbeit hinterherkommen. Auch steigt die Nachfrage nach Remote-Arbeit stetig. Japan ist sehr zentralisiert aufgebaut, weshalb die meisten Menschen in Ballungsgebieten rund um die Städte leben, um arbeiten zu können. Tatsächlich würden viele Menschen aber auch gerne im ländlichen Raum leben, um sich beispielsweise um Haus und Familie kümmern zu können. Dort gibt es aber kaum Arbeitsmöglichkeiten. Caster bietet auch für diese Menschen eine Lösung an.
Was denken Sie jetzt, rückblickend, über die Gründung von Caster?
Ich bin sehr froh, dass ich Caster gegründet habe. Ich kann so zur dringend notwendigen Reform unserer Arbeitsweise meinen Beitrag leisten. Auch habe ich den Eindruck, dass sich die Situation schneller zuspitzt als gedacht. Das merke ich auch daran, wie rapide die Anfragen an Caster steigen. Es gibt immer mehr Leute, die Telearbeit machen und immer mehr Unternehmen, die nach Telearbeitern suchen! Wir erhalten derzeit monatlich 2000 Bewerbungen für eine Anstellung. Dabei spielt für uns keine Rolle, wie alt die Leute sind, welchen akademischen Hintergrund sie haben, welches Geschlecht sie haben oder wo sie wohnen. Wir geben Menschen, die arbeiten möchten, eine Chance und zahlen die Löhne, die für die jeweilige Stadt üblich sind.
Von der Idee bis zum Start, was waren bis jetzt die größten Herausforderungen und wie haben Sie sich finanziert?
Mir wurde oft gesagt es sei unmöglich ein Unternehmen aufzubauen, das rein über Remote-Arbeit läuft. Auch gab es Skeptiker, die nicht geglaubt haben, dass es möglich ist Arbeit von externen Unternehmen zu bündeln und so zu koordinieren, dass ein guter und produktiver Workflow entsteht. Wir haben mit Caster das Gegenteil bewiesen.
Wir konnten 2017 den ersten Investor, der 300 Millionen Yen mit an Bord brachte, an Land ziehen (WiL). 2020 kamen dann noch einmal drei weitere dazu (DIP Corporation, STRIVE, Yamaguchi Capital). Zuletzt, im Jahr 2022 haben wir viele weitere Investoren überzeugen könnten, die insgesamt 1,3 Milliarden Yen (etwa 10 Millionen Euro nach aktuellem Wechselkurs) eingebracht haben. Wir werden all dies nutzen, um in den Ausbau unserer Kapazitäten zu investieren und die Sicherheit und die Geschäftsverwaltungssysteme auszubauen. Wir würden nämlich gerne noch viel mehr Menschen die Telearbeit ermöglichen.
Wer ist die Zielgruppe von Caster?
Unsere Zielgruppe sind Start-ups, die unter Arbeitskräftemangel leiden, und Unternehmen, die Reformen des Arbeitsstils vorantreiben. Gerade in Deutschland ist die Start-up-Szene zwei- bis dreimal so groß wie in Japan, weshalb wir uns viel versprechen. Generell ist der Arbeitskräftemangel ein ernsthaftes Problem in unserer Gesellschaft. Allein in Japan fehlen aufgrund von alternder Gesellschaft und Akademisierung in zehn Jahren sechs Millionen Arbeitskräfte. Daher müssen wir unbedingt auch Leute abholen, die aus dem bisherigen System fallen und für die flexiblere Modelle attraktiv sind. Ich spreche hier von Hausfrauen, Menschen, die im ländlichen Raum arbeiten, Rentnern …
Wie funktioniert Caster? Wo liegen die Vorteile? Was unterscheidet Sie von anderen Anbietern?
Bei Caster bieten wir 14 verschiedene Dienstleistungen an, darunter unseren Online Assistenz-Service CASTER BIZ. Unsere Mitarbeiter können beispielsweise das Planen von Business-Meetings, die Buchhaltung und Recherchen übernehmen oder auch beim Recruiting helfen. Mit unserer Hilfe können Unternehmen nach Bedarf ihr Team ergänzen und auch entlasten. Wir koordinieren und verteilen die Arbeit entsprechend unter unseren Mitarbeitern und stellen einen passenden „Cast“ zusammen. Daher auch unser Name. Unsere Mitarbeiter haben mit uns den Vorteil eines Festgehalts und einer sicheren Anstellung. Es ist eine Win-Win-Situation. In Japan sind wir tatsächlich der größte Teleworking-Anbieter mit über 1.000 Angestellten, die in ganz Japan verteilt arbeiten. Im Übrigen hat die Fernarbeit auch den großen Vorteil, dass keine Reisezeiten anfallen. Das macht uns unheimlich effizient und spart Zeit und Geld.
Welche Vision steckt hinter Caster? Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?
Caster macht Remote-Arbeit zu etwas Selbstverständlichem. Wir wollen eine neue Form von Arbeitskultur implementieren und ein Ansprechpartner für Unternehmen sein, die es uns gleichtun wollen. So schreiten wir selbst voran, unsere eigene Belegschaft arbeitet zu 90 Prozent remote.
Dennoch wollen wir unseren Mitarbeitern auch die Möglichkeit bieten, vor Ort zusammenzukommen und sich auszutauschen. Wir haben ein Headquarter-Büro in Tokyo und seit neuestem in Berlin. Dazu wollen wir weitere Regionalbüros aufbauen. Dabei setzen wir auf transparentes Holokratie-Management mit flachen Hierarchien.
Derzeit nutzen mehr als 1.500 Unternehmen unsere Dienste und wir haben 1.500 Vertragsarbeiter und Angestellte. Unser Ziel ist es aber, in 10 Jahren 10.000 voll angestellte Mitarbeiter weltweit zu haben. Das wird uns vermutlich zur größten Remote-Arbeits-Firma weltweit machen. Das heißt wir wollen perspektivisch weiterwachsen in Japan und nach Europa und auch in die USA expandieren. Aktuell fokussieren wir uns auf die Unterstützung von Backoffice-Tätigkeiten. Wir wollen in Zukunft aber auch unseren IT-Helpdesk ausbauen und Ingenieurstätigkeiten anbieten, so dass wir perspektivisch auch hochrangige Beratungstätigkeiten im Repertoire haben.
Zum Schluss: Welche 3 Tipps würden Sie angehenden Gründer:innen mit auf den Weg geben?
Wenn euch etwas unglücklich macht, schau nicht zu, sondern seid ein Teil der Lösung. Denkt nicht zu lange nach. Habt keine Angst, Wege zu beschreiten, die bisher noch niemand gegangen ist.
Wir bedanken uns bei Shota Nakagawa für das Interview
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder