Freitag, April 19, 2024
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Sucht euch ein cooles Team, das auch in Krisenzeiten zusammenhält

feelSpace: Gürtel für blinde und sehbehinderte Menschen

Stellen Sie sich und das Startup feelSpace kurz unseren Lesern vor!
Ich bin Silke, 34 Jahre alt. Vor drei Jahren habe ich mit zwei Kolleginnen die feelSpace GmbH gegründet. Wir sind ganz „klassisch“ als Start Up aus einem Universitätsprojekt hervorgegangen. Das Thema: fühlbare Navigationsgeräte für Blinde. Unsere feelSpace Gürtel werden um den Bauch getragen. Im Gürtelgerüst sind 16 Vibrationselemente integriert, die dem Nutzer durch Vibrationen Richtungen anzeigen. So können blinde und sehbehinderte Menschen sich besser und selbstständiger Orientieren.

Sie können zum Beispiel sicherer eine breite Straße überqueren, weil sie durch das Richtungssignal besser gerade aus gehen können.

Warum haben Sie sich entschieden ein Unternehmen zu gründen?
Ich habe als Masterstudentin eine Studie mit blinden Menschen durchgeführt, die für einige Wochen täglich einen vibrierenden Kompassgürtel trugen. So konnten sie im Alltag fühlen, wo sich der magnetische Norden befindet. Für die Blinden war dieses Richtungssignal eine große Bereicherung, da sie Drehungen und Kurven wieder wahrnehmen konnten, weil sich das Gürtelsignal änderte, sobald sie die Richtung änderten.

Ein derartiges Produkt gab es noch nicht auf dem Markt- und da der Bedarf da war, entschloss ich mich zur Gründung.

Welche Vision steckt hinter feelSpace?
Wir wollen blinden und sehbehinderten Menschen ein Stück Lebensqualität zurückgeben. Blinde und sehbehinderte Menschen sind heutzutage längst nicht mehr hilflos- sie haben viele technische Alltagsgeräte, die ihnen helfen, ihre Behinderung teilweise zu kompensieren. Farberkennungsgeräte, vorlesende Kameras und Smartphones tragen dazu bei, dass Blinde und Sehbehinderte immer besser am Alltagsleben teilhaben können.

Unser feelSpace Gürtel ist ein weiteres Teil im Puzzle einer inklusiven, fairen Gesellschaft mit gleichberechtigten Chancen.

feelSpace ist außerdem ein Unternehmen, das von Frauen gegründet wurde und geführt wird. Insbesondere im Technologie-Bereich ist das auch heute noch eine echte Seltenheit. Besonders schön finde ich, dass von den vier Frauen im Team zwei schon Kinder haben. Das zeigt mir, dass Unternehmertum und Familie sich nicht gegenseitig ausschließen.

Von der Idee bis zum Start was waren bis jetzt die größten Herausforderungen und wie haben Sie sich finanziert?
Ohne jemanden abschrecken zu wollen- die Gründung eines Unternehmens, das Hardware und Software entwickelt, ist eine einzige Herausforderung. Meine beiden Kolleginnen und ich haben einige Zeit gebraucht, um uns in Entwicklung, Marketing, Vertrieb, Finanzen, Strategie, Personalführung und alle anderen Unternehmensbereiche hineinzudenken. Die Hardwareentwicklung war und ist eine große Herausforderung, zumal man als kleines Unternehmen ständig damit rechnen muss, dass Teile abgekündigt werden.

Vor kurzem haben wir zum Beispiel die Nachricht bekommen, dass unsere Batterien nicht mehr produziert werden. Das sind für uns gut und gerne einige Wochen Entwicklungszeit, um einen passenden Ersatz zu finden.

Die Finanzierung ist natürlich immer eine harte Nuss, besonders wenn es, wie bei uns, hohe initiale Entwicklungskosten zu decken gilt. Wir haben uns zunächst durch ein eXIST-Gründerstipendium finanziert. Dann wurden wir durch die ESA gefördert. Anschließend haben wir im Rahmen einer Finanzierungsrunde einen Investor gefunden. Förderprogramme von Bund und Ländern haben uns zusätzlich unterstützt. Momentan schließen wir die zweite Finanzierungsrunde ab. Inzwischen können wir uns teilweise auch über Umsätze finanzieren.

Wer ist die Zielgruppe vom naviGürtel?
Blinde und Sehbehinderte. Der Gürtel ist intuitiv zu bedienen, so dass es keine großen technischen Vorkenntnisse braucht.

Wie jedes technische Gerät brauchen die Menschen aber eine gewisse Neugier und Offenheit gegenüber neuen Technologien.

Wie funktioniert der NaviGürtel? Wo liegen die Vorteile?
Der naviGürtel wird um den Bauch getragen. Bedient wird er durch ein kleines Bedienelement am Gürtel oder per Bluetooth mit dem Smartphone. Er kann momentan eine Himmelsrichtung oder eine GPS Koordinate anzeigen. Wir hoffen, dass wir bald auch eine volle Navigationsfunktion zur Verfügung stellen können, dann müssen die Nutzer nur noch ihrem Bauchgefühl folgen: Vibriert es vorne, soll gerade aus gegangen werden; vibriert es z.B. links, soll nach links abgeboben werden. Auf diese Weise können wir blinden Menschen helfen, sich in bekannter und unbekannter Umgebung besser zurecht zu finden.

Die Vorteile sind:

Während der Navigation bleiben Hände, Ohren und Augen frei, so dass der Hörsinn und etwaiges Restsehvermögen zur Umgebungsbeobachtung (z.B. Verkehr oder andere Passanten) eingesetzt werden können
Der Gürtel ist unsichtbar unter der Kleidung tragbar
Die Signale sind sehr intuitiv verständlich und der Gürtel leicht bedienbar
Man hat eine 360° Rund-um-Sicht.

Wie ist das Feedback?
Positiv! Der Gürtel erleichtert unseren Kunden den Alltag. Einer fühlt sich glücklich, weil er seinen Rasen wieder selbst mähen kann (durch den Gürtel kann er gerade Bahnen gehen), ein anderer sticht regelmäßig mit seinem Schlauchboot in den Badesee (durch den Gürtel weiß er, in welche Richtung das Ufer liegt). Immer wieder hören wir von Leuten, die endlich ihren Arbeitsweg alleine bewältigen können, weil sie Straßen gerade überqueren können und durch den Gürtel unterwegs das Selbstbewusstsein haben, dass sie auf jeden Fall ihr Ziel erreichen.

feelSpace, wo geht der Weg hin? Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?
Neben dem Blindenmarkt kann taktile Signalgebung auch in ganz vielen anderen Märkten gut eingesetzt werden. Die Nutzung von fühlbarer Signalgebung wird im Alltag erst allmählich relevant- aber das Potential ist groß! Wanderer und Fahrradfahrer, die ein intuitives Navigationsgerät brauchen, weil sie ihre Aufmerksamkeit auf die Umgebung richten; Senioren, die durch den Gürtel länger eigenständig sein können, taktile Signalgebung im Auto, in Kleidung… es gibt definitiv viel zu tun.

Zum Schluss: Welche 3 Tipps würden Sie angehenden Gründern mit auf den Weg geben?
Gründet ganz oder gründet gar nicht, „ein bisschen Unternehmer“ gibt es nicht, wenn ihr ein komplett neues Produkt auf den Markt bringen wollt.
Sucht euch ein cooles Team, das auch in Krisenzeiten zusammenhält. Manchmal braucht es mehr Optimismus, als eine/r alleine aufbringen kann.

Ein Zitat von Disney bringt es auf den Punkt: Keep moving forward. Manchmal geht alles schief. Aber meistens geht vieles gut. Und am Ende lohnt es sich.

Weitere Informationen finden Sie hier

Wir bedanken uns bei Silke für das Interview

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder

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