Samstag, November 2, 2024
StartGründerTalkWie könnte eine Plattform das Leben von Millionen Menschen mit Behinderung verändern?

Wie könnte eine Plattform das Leben von Millionen Menschen mit Behinderung verändern?

Unique United ist eine Plattform, die barrierefreie Angebote in den Bereichen Sport, Freizeit, Jobs und Reisen für Menschen mit Behinderung bündelt und wurde kürzlich für die Kultur- und Kreativpilot*innen Deutschland 2024/25 nominiert, was die Anerkennung ihrer innovativen Arbeit im Bereich Inklusion unterstreicht

Können Sie uns die Idee hinter Unique United vorstellen und wie Ihre eigenen Erfahrungen in die Entwicklung der Plattform eingeflossen sind?

Die Idee hinter Unique United ist es, eine Anlaufstelle für Menschen mit Behinderungen in den Bereichen Sport/Freizeit, Jobs, Reisen und Fortbildungen zu schaffen. Selbst gegründet von Menschen mit Behinderungen wollen wir DIE Anlaufstelle werden. Aus eigener Erfahrung kenne ich und kennen wir, dass es häufig eine große Herausforderung ist, passende Angebote zu finden, wenn man selbst eine Behinderung hat.

Zum einen, weil Veranstalter selten ausreichend Informationen veröffentlichen und zum anderen, weil es keine klaren Standards gibt. Unter „rollstuhlgerecht“ kann sich jeder etwas vorstellen, aber was es bedeutet, beispielsweise auf Menschen mit Lernbehinderungen einzugehen, wissen schon wesentlich weniger Menschen. Wir möchten die zahlreichen Angebote, die es ja zum Glück da draußen gibt, an einem zentralen Ort darstellen, barrierefrei zugänglich machen und einheitlich auf unserer Seite darstellen, für wen die jeweiligen Angebote geeignet sind und welcher Grad der Barrierefreiheit schon erreicht ist. 

Unique United wurde für die Kultur- und Kreativpilot*innen Deutschland 2024/25 nominiert. Was bedeutet diese Nominierung für Sie und das Team, und wie passt sie zu Ihrer Vision?

Die Nominierung bedeutet uns natürlich sehr viel.

Unsere Arbeit ist häufig nicht im öffentlichen Fokus, als Plattform brauchen wir aber genau diese Aufmerksamkeit, nicht nur um Kundinnen und Kunden zu gewinnen, sondern auch, um sich mit Unternehmen vernetzen zu können, neue Angebote zu finden und von anderen zu lernen. Neben der Aufmerksamkeit und Wertschätzung unserer Arbeit sehen wir also auch die Vernetzung mit anderen Preisträger*innen, den Mentor*innen und einer breiteren Öffentlichkeit als Bereicherung. Wir wollen dies nicht nur nutzen, um uns selbst weiterzuentwickeln, schließlich machen wir vieles zwar aus eigener Motivation heraus, aber eben auch zum ersten Mal, sondern auch, um unser Wissen in den Bereichen der Inklusion und Barrierefreiheit weiterzugeben und dafür zu sorgen, dass zukünftig immer mehr Veranstaltungen und Angebote für alle Menschen nutzbar werden. 

Was ist die übergeordnete Vision von Unique United, und welche Ziele verfolgen Sie in den nächsten Jahren?

Wir möchten DIE Anlaufstelle für Menschen mit Behinderungen werden. Neben den eingestellten Angeboten wollen wir zukünftig auch Unternehmen und Anbietern selbst ermöglichen, Angebote einzustellen. Mit Hilfe beispielsweise von künstlicher Intelligenz wollen wir die Angebote dann in ein barrierefreies Format überführen. Somit soll an Unique United kein Weg mehr vorbeiführen, wenn es um das Erreichen der Zielgruppe geht. Daneben wollen wir aber auch Menschen ermöglichen, sich untereinander zu vernetzen und zum Beispiel Begleitpersonen oder andere Unterstützungen über unsere Plattform zu finden. 

Unternehmen möchten wir dabei unterstützen, sich selbst barrierefrei auszurichten und die umgesetzten Maßnahmen auch einem breiten Publikum zur Verfügung zu stellen. 

Welche Zielgruppen sprechen Sie mit Unique United an, und wie stellen Sie sicher, dass Ihre Angebote die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung optimal erfüllen?

Die Zielgruppe besteht zum einen aus Menschen mit Behinderungen und zum anderen aus Unternehmern und Anbietern von Angeboten der oben genannten Kategorien auf der anderen Seite. Menschen mit Behinderungen sollen unsere Plattform nutzen, um für sie passende Angebote zu finden. Dabei ist unsere Webseite barrierearm gestaltet, bietet alle Texte auch in einfacher Sprache an, ist Screen-Reader-optimiert und bietet mit dem Tool von EyeAble zusätzliche Features der digitalen Barrierefreiheit. Außerdem unterstützen wir Unternehmen dabei, ihre Angebote barrierefrei zu gestalten und stellen zu jeder Kategorie im Vorfeld Mindestanforderungen bereit, die erfüllt sein müssen, damit die entsprechende Zielgruppe erreicht werden kann. Angebot auf unserer Webseite erfüllen also auch ein gewisses Mindestmaß an Barrierefreiheit, welches derartig einmalig ist. 

Mit welchen Herausforderungen waren Sie bei der Entwicklung von Unique United konfrontiert, und wie haben Sie diese gemeistert?

Wir sind gut vernetzt und wissen, auch aus eigener Erfahrung, was die Zielgruppe braucht und sich wünscht. Eine Plattform zu programmieren ist jedoch an sich schon eine große Herausforderung, zu der wir vorher keine Erfahrungen hatten. Zudem haben wir als Plattform natürlich das berühmte Henne-Ei-Problem: Wenn wir nicht ausreichend Angebote darstellen können, ist die Plattform nicht für die Zielgruppe relevant und wenn wir nicht ausreichend Besucher*innen haben, ist die Plattform für die Anbietenden nicht relevant. Wir müssen also gleichzeitig Angebot und Nachfrage idealerweise parallel entwickeln. 

Was macht Unique United im Vergleich zu anderen Plattformen besonders und zu einem einzigartigen Angebot für Menschen mit Behinderung?

Besonders ist der zentrale Ansatz; wir sind kein Linkverzeichnis und auch kein Mittelsmann, wir verdienen nicht an der Vermittlung. Wir stellen Angebote, die häufig sehr dezentral, teilweise nur in den eigenen Einrichtungen bekannt sind, zentral dar, geben Sichtbarkeit und Reichweite. Wir erleichtern den Zugang, letztendlich zu einem normalen gesellschaftlichen Alltag für viele Menschen, für die eine solche Teilnahme vorher nicht möglich war. Außerdem stellen wir die Angebote barrierefrei dar, bei uns finden sich keine bloßen Kopien der selben Stellenausschreibungen, wie sie auf allen anderen Plattformen beispielsweise stehen, sondern bei uns gibt es individuell auf Plattform und Zielgruppe optimierte barrierefreie Angebote. 

Welche zukünftigen Entwicklungen und Funktionen planen Sie für Unique United, um die Plattform weiter auszubauen?

Bisher ist es noch so, dass jedes Angebot von uns überarbeitet und final veröffentlicht werden muss. Dies wird sich zeitnah ändern, sodass auch Anbieter selbst aktiv werden und ihre Inserate verwalten können. Dies ist ein großer Schritt in der Skalierbarkeit. Zum anderen möchten wir eine auch die Interaktion untereinander und ein Aufbrechen aus den oben genannten Kategorien ermöglichen; Menschen haben eine Konzertkarte, aber noch keine Begleitperson, obwohl sie diese gesetzliche mitnehmen dürfen? Auch solche Inserate sollen Platz auf unserer Plattform haben und die Selbstwirksamkeit der Einzelnen sowie die Community im Gesamten stärken. 

Außerdem arbeiten wir gerade an der AZAV-Zertifizierung, um in Zukunft Menschen mit Behinderungen individuell beraten zu können, vor allem in den Bereichen des Arbeitslebens. 

Die Plattform deckt viele Lebensbereiche ab, von Bildung bis Reisen. Wie entscheiden Sie, welche neuen Angebote oder Partnerschaften Sie in die Plattform aufnehmen?

Wie bereits beschrieben, müssen die Angebote gewisse Mindeststandards erfüllen, um in den jeweiligen Kategorien (für blinde Menschen, für gehörlose Menschen, für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen etc….) als barrierefrei gekennzeichnet werden zu können. Können die Anbieter dazu keine Auskunft geben oder sind die Angebote schlichtweg nicht barrierefrei, kann keine Kooperation zu Stande kommen. Ansonsten sind wir sehr frei und freuen uns über jede Kooperation. Gerne erörtern wir auch im persönlichen Gespräch die Konditionen und Machbarkeiten, beispielsweise für gemeinnützige Organisationen oder für Anbieter, die sehr regelmäßig neue Angebote veröffentlichen wollen. 

Wie hat die Teilnahme an „Die Höhle der Löwen“ Ihre Arbeit beeinflusst, und welche Erfahrungen konnten Sie aus dieser Unterstützung mitnehmen?

Die Teilnahme war für uns super bereichernd. Wir haben nicht nur an diesem Abend der Ausstrahlung, sondern eigentlich seither, eine wesentlich höhere Zugriffsrate auf der Plattform. Es war also eine sehr gute Werbung. Daneben haben wir ja erst durch die Unterstützung unserer beiden Löwen Carsten Maschmeyer und Janna Ensthaler unser Team erweitern und somit die Arbeitsfähigkeit unseres Teams sichern und gewährleisten können. 

Janna und Carsten waren uns dabei eine große Hilfe, auch, weil sie für uns persönlich ansprechbar waren, in persönlichen Meetings und durch die Kommunikation auch mit ihren jeweiligen Teams. Wir sind noch immer in einem Austausch und schauen, wie die gemeinsame Zukunft aussehen kann. Wir sind den beiden auf jeden Fall sehr dankbar für diese Form der Unterstützung.

Welchen Rat würden Sie anderen Gründer*innen geben, die ebenfalls eine Plattform für eine spezifische Zielgruppe entwickeln möchten?

Einfach anfangen! Vieles wird sich dabei entwickeln und egal wie es ausgeht, man lernt so viel dabei, lernt viele unterschiedliche Menschen kennen und eben nicht nur viel hartes Wissen. 

Der andere Rat ist auf jeden Fall: Kenne deine Zielgruppe! Immer wieder sehen natürlich auch wir Angebote, die als zugänglich oder für die ein oder andere Zielgruppe geeignet dargestellt werden, es am Ende aber vielleicht nicht so sind, wie beworben. Für uns war daher von Anfang an klar, dass wir nicht ein „wir für Euch“ entwickeln wollen, sondern eine Plattform, die von der Zielgruppe für die Zielgruppe ist. Oder mit anderen Worten: Wir haben von Anfang an das gebaut, was wir selber nutzen wollen und was uns ganz persönlich auf dem Markt gefehlt hat. 

Welche Rolle spielt das Kreativpilot*innen-Netzwerk für Sie, und welche Erwartungen haben Sie an das Mentoring-Programm?

Wie oben schon beschrieben freuen wir uns sehr darauf, ein aktives Mitglied im Netzwerk zu werden, nicht nur zu empfangen, sondern Informationen und Wissen auch zu teilen. Wir freuen uns darauf, unseren eigenen Horizont zu erweitern und von Mentor*innen zu lernen, die ähnliches schon einmal gebaut haben oder spezifisches Wissen in Bereichen haben, in denen wir noch viel lernen wollen; sei es technischer Natur, aus Marketing-Sicht oder einfach zu strategischen Fragestellungen. 

Wie arbeiten Sie mit Partnerinnen und Vereinen zusammen, um sicherzustellen, dass Unique United stets ein breites und aktuelles Angebot für seine Nutzerinnen bereitstellt?

Wir stehen in einem engen Austausch mit allen, die unsere Plattform mit Leben füllen. Gerne können wir auch in persönlichen Dialogen, zum Beispiel gemeinnützigen Vereinen, Möglichkeiten aufzeigen, wie sie trotz ggf. geringem Budget die Plattform gewinnbringend nutzen können. Viele der Kosten auf unserer Seite fallen ohnehin hoffentlich bald weg, wenn Anbieter ihre Inserate selbst verwalten können. Darüber hinaus sind wir stets aktiv, neue Partner*innen zu gewinnen, sei es auf Messen, B2B-Veranstaltungen, Tagungen oder im eigenen Netzwerk. Mit jeder Veranstaltung und jedem öffentlichen Termin wird den Nutzer*innen ein breiteres Angebot präsentiert. Jede*r, die selbst Angebote (für Menschen mit Behinderungen) hat, ermutigen wir, sich mit der Zielgruppe (und der Plattform) auseinanderzusetzen. Unser Ziel, Barrierefreiheit für alle zu erreichen, schaffen wir nur gemeinsam!

Bildcredits: Familie Kleemeyer

Wir bedanken uns bei Louis Kleemeyer , Marco KleemeyerAmrei Feuerstack und Karen Schallert für das Interview

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.

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