Samstag, Dezember 21, 2024
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Grüner geht’s nicht: Wie dieses Start-up unsere Böden und das Klima rettet

Finizio, ein innovatives Startup aus Eberswalde, stellt am 29. April in der Sendung „Die Höhle der Löwen“ seine zukunftsweisenden Trockentoiletten und Recyclingdünger vor, die aus menschlichen Ausscheidungen fruchtbare Erde machen

Kannst du uns eine kurze Einführung in dein Startup geben? Wer seid ihr als Gründer?

Finizio ist eine visionäre Crew aus Eberswalde, die nicht nur redet, sondern macht! Wir verkaufen zukunftsweisende Trockentoiletten und die dazugehörigen Recyclingsysteme – wir machen aus menschlichen Ausscheidungen fruchtbare Erde und schließen damit den Kreis von der Toilette aufs Feld.

In welcher Branche ist dein Startup tätig und was ist dein Kernprodukt ?

Finizio ist in vielen Branchen zu Hause – das ist nicht verwunderlich, denn wir haben uns das Wort „Kreislauf“ in Großbuchstaben auf die Fahne geschrieben. Unsere Kernkompetenzen liegen in den Bereichen Sanitärtechnik für Großveranstaltungen sowie öffentliche Toiletten für Stadtparks oder Tourismusgebiete. Wir haben verschiedenste Trockentoiletten für spezifische Anwendungsbereiche entwickelt, die flüssige und feste Ausscheidungen direkt an der Quelle getrennt sammeln und damit unsere Kern-Dienstleistung möglich machen: Das Aufbereiten von menschlichen Ausscheidungen zu qualitätsgesicherten Recyclingdüngern.

Unsere Recyclingdünger heißen H.I.T. (Humusdünger aus Inhalten aus Trockentoiletten) und F.I.T. (Flüssigdünger aus Inhalten aus Trockentoiletten). 

Wie und wann ist die Idee für dein Startup entstanden? Gab es ein spezifisches Problem oder eine Marktlücke, die du adressieren wolltest?

Die Fruchtbarkeit unserer Böden definiert die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft. Unsere landwirtschaftlichen Böden verlieren zunehmend an Fruchtbarkeit und wir belasten unser Klima mit tonnenweise CO2, weil wir unter hohem Energie- und Ressourceneinsatz künstliche Düngemittel für die Landwirtschaft herstellen und daraufhin die Nährstoffe in unseren Ausscheidungen in Klärwerken energieaufwendig vernichten. Dieses Ressourcen-Feuerwerk wurde Finizio Gründer Florian Augustin 2012 während seines Forstwissenschaftsstudiums bewusst. Der Gedanke faszinierte ihn, dass im Umgang mit unseren eigenen Ausscheidungen ein riesiger Hebel für die drängendsten Probleme unserer Zeit liegt:

Ernährungssicherheit, Klimaschutz, Ressourcenaufbau – das alles steckt in unserem täglich Kot. 

Mit einer wasserlosen Toilette sparen wir ein Drittel des häuslichen Wasserverbrauchs. 33 von 100 L Wasser, das wir in Deutschland verbrauchen, spülen wir die Toilette herunter. Trockentoiletten sind unsere Antwort auf zunehmende Wasserknappheit. Hier stehen wir im Produktdesign noch weit am Anfang. Wir haben uns auf den Weg gemacht, wasserlose Toiletten zu entwickeln, die das WC in puncto Komfort, Hygiene und Ästhetik übertreffen.

Aus den Ausscheidungen produzieren wir qualitätsgesicherte Recyclingdünger. Ergebnis sind ein flüssiges Nährstoffkonzentrat und ein feinkrümeliger Humusdünger. Allein in Deutschland könnten 25 % der eingesetzten künstlichen Düngemittel mit unseren Recyclingdüngern ersetzt werden. Das spart enorme Mengen an Energie bei der Herstellung von Düngemitteln! Und nicht nur das: wenn weniger Ausscheidungen in die Kläranlagen gelangen, müssten diese signifikant weniger Energie zur Eliminierung der Nährstoffe aufwenden – zurzeit verbraucht Deutschland für Kläranlagen die Energie eines mittelgroßen Kohlekraftwerkes. Richtig, Deutschland verbraucht Strom um Nährstoffe zu vernichten, die vorher mit noch viel mehr Strom künstlich hergestellt wurden. So viel zum Klimaschutz.

Jetzt zu Ernährungssicherheit und Ressourcenaufbau: Der Humusdünger, den wir aus den festen Ausscheidungen herstellen, ist ein wahres Multitalent auf dem Acker. Er bindet einerseits CO2 und speichert es im Boden, eine sogenannte CO2-negative Technologie. Gleichzeitig erhöht Humus die Nährstoff- und Wasserhaltekapazität des Bodens. In Zeiten von Starkregen und Dürre ein unverzichtbarer Bestandteil für die Landwirtschaft. Darüber hinaus belasten künstlich hergestellte Düngemittel die Umwelt und sind teilweise nur in wenigen Ländern in endlichen Bergwerken zu finden.

Leider sind Inhalte aus Trockentoiletten  zurzeit noch kein zugelassener Ausgangsstoff für Düngemittel : Weder  das Recycling noch die Ausbringung unserer  Recyclingdünger sindstand heute legal.. Das bedeutet, dass wir seit der Gründung von Finizio viel politische und wissenschaftliche Pionierarbeit leisten, um die notwendige Legalisierung voranzutreiben.

Was macht dein Produkt im Vergleich zu bestehenden Lösungen einzigartig? Welche innovativen Technologien oder Ansätze verwendest du?

Mit unseren Humussphären, den mobilen Trockentoiletten für Großveranstaltungen, bieten wir Besucher:innen schon auf den ersten Blick und die erste Nase ein viel angenehmeres Toilettenerlebnis, als Chemietoiletten es jemals könnten. Dazu haben wir mit der Humussphäre ein massentaugliches System für Großveranstaltungen entwickelt. Sie beweist maximale Funktionalität, auch bei extrem hoher Nutzungsfrequenz, unter anderem, weil sie weder Zu- noch Abwasser braucht.

Auch in Sachen Ressourcen- und Transporteffizienz hat sie alle anderen Veranstaltungstoiletten überholt: Auf der Ladefläche, wo sechs Chemietoilettenkabinen transportiert werden, können wir bis zu 60 unserer falt- und stapelbaren Toiletten auf- und abladen. 

Insgesamt ermöglichen alle unserer Toilettenmodelle – für Veranstaltungen, für den öffentlichen Raum und für Privathaushalte – eine Insellösung für Orte ohne Wasser- und Kanalisationsanschluss. 

Und wir sind die einzigen in der Branche, die keinen Sch*** erzählen: Finizio bietet bis jetzt den einzigen echten und legalen* Recyclingservice in ganz Deutschland (*Sondergenehmigung zu Forschungs- und Versuchszwecken). Wir stellen sicher, dass die gesammelten wertvollen Ausscheidungen zu uns auf die Recyclinganlage gelangen, zu qualitätsgesichertem Humusdünger aufbereitet werden, um dann im Rahmen von Feldversuchen wieder in die Landwirtschaft eingebracht werden. 

Was ist die langfristige Vision deines Startups? Welche spezifischen Ziele willst du in den nächsten 1-5 Jahren erreichen?

Die langfristige Vision von Finizio ist es, bis 2050 1.000.000 Tonnen Humusdünger aus Inhalten von Trockentoiletten  (H.I.T.) zu produzieren. Das ist ambitioniert, denn von 2019 bis Anfang 2024 haben wir bisher bescheidene 400 Tonnen H.I.T. auf unserer Pilotanlage hervorgebracht. Um Langeweile müssen wir uns bis 2050 also keine Sorgen machen.  In den nächsten 5 Jahren möchten wir das Ziel der Legalisierung und düngerechtlichen Zulassung unserer Recyclingdünger erreicht haben, damit wir dann in ein exponentielles Wachstum der Humusgewinnung einsteigen können.

Warum habst du dich entschieden, bei „Die Höhle der Löwen“ zu pitchen? Welche Aspekte deines Startups möchtest du besonders hervorheben, um die Investoren zu überzeugen?

Weil es eine Riesenchance ist, eine bahnbrechende Finanzierung an Land zu ziehen und gleichzeitig unserer Pionierarbeit die öffentliche Bühne zu bieten, die sie verdient hat. In unserer Gesellschaft sind Ausscheidungen ein Tabuthema und der Anbau von Lebensmitteln mit qualitätsgesicherten Recyclingdüngern aus Inhalten aus Trockentoiletten erfordert ein Umdenken in den Köpfen. Die Höhle der Löwen ist mit Abstand der größte mediale Auftritt, den wir uns bisher zugetraut haben und wir sind sehr gespannt auf die Resonanz aus der Mitte der Gesellschaft. 

Die häufigsten Buh-Rufe werden sein: „Was ist mit den Drogen, Medikamenten und Krankheitserregern, die Ihr aufs Feld schleudert?!“ Wir hoffen sehr, dass sich diese Menschen wenige Sekunden Zeit nehmen und auf unserer Webseite nachlesen, dass wir hierfür höchst effektive Technologien an den Start bringen. Vom Ende des Nährstoffkreislaufs auf der Toilette bis zum Anfang eines nachhaltigen Lebensmittelanbaus auf dem Feld ist es ein weiter Weg der Schadstoffeliminierung, Nährstoffstabilisierung und Qualitätssicherung.

Für diesen Weg stehen wir mit unserem Namen: Finizio besteht aus den italienischen Worten für Ende und Anfang: Fine und Inizio. Wir schließen den Kreis von der Toilette zum Feld – sicher, hygienisch und komfortabel. 

Florian Augustin präsentiert mit „finizio“ Trockentoiletten und Recyclingsysteme. Er erhofft sich ein Investment von 500.000 Euro für 8 Prozent der Firmenanteile. Foto: RTL / Bernd-Michael Maurer

Welche Art von Unterstützung oder Investition erhoffst du dir durch die Show? Wie planst du die Investition oder die Expertise der Löwen zu nutzen?

Wir brauchen Kapital, um einerseits noch mehr Forschung- und Entwicklung zu betreiben und gleichzeitig mit unseren bereits rentablen Produkten und Dienstleistungen tiefer in die Märkte vorzudringen. Hier sehen wir nicht nur finanzielle Unterstützung in Form von Eigenkapital, sondern die unternehmerischen Erfahrungswerte und Netzwerke der Löwen als enormes Potenzial.   

Wie sieht dein Fahrplan für die Entwicklung des Startups nach „Die Höhle der Löwen“ aus? Gibt es bereits konkrete Pläne für Expansion, Skalierung oder neue Produkte?

Wir haben ein Ziel: So viel Humusdünger zu produzieren und auf den Acker zu bringen, wie nur geht. Deshalb haben wir uns als gesamte Crew bewusst dazu entschieden, zu wachsen. Was uns dabei besonders motiviert, ist, dass unser Wachstum tatsächlich mehr positiven Impact in der Welt ermöglicht. Wir skalieren in den nächsten Jahren einerseits das Front-End unseres Unternehmens: Unsere Toiletten. Auf Großveranstaltungen wollen wir zum Standard werden.

Durch unsere Produktdiversifizierung gehören zahlreiche Klein- und Großstädte in ganz Deutschland zu unseren Kunden, die unsere autarken und barrierearmen öffentlichen Toiletten nutzen. Dieses Jahr beginnen wir außerdem damit, Mehr-Etagen-Wohnhäuser für Trockentoiletten zu erschließen und die Sanitärwende in Privathaushalten voranzubringen. Ermöglicht wird dies durch unsere aller neueste Entwicklung: Floop – die Rohrposttoilette. Diese formschöne Keramikschüssel wird ein Game Changer, wenn es darum geht, der Menschheit einen positiven Handabdruck auf diesem Planeten zu ermöglichen.

Das Back-End von Finizio befindet sich ebenfalls in einer hochspannenden Entwicklungsphase: Gemeinsam mit dem Forschungsprojekt zirkulierBAR und den Kreiswerken Barnim forschen wir in Eberswalde an einer Blaupause für eine skalierbare Recyclinganlage für Inhalte aus Trockentoiletten. Wir wollen nicht nur dem WC das „W“ abgraben, sondern das Klärwerk zum Humuswerk transformieren. Das für uns wichtigste Modul dieser Anlage ist das von uns entwickelte Humusregal. Dabei handelt es sich um ein mehrstöckiges Schwerlastregal, in dem computergesteuerte Maschinen die Humusgewinnung vollautomatisiert durchführen. Das Humusregal wird im Juni 2024 in Betrieb genommen.

Was sind die wichtigsten Lektionen, die du auf dem Weg als Gründer gelernt habst?

Unkonventionelle Ideen brauchen sehr viel Mut, Durchhaltevermögen und Risikobereitschaft. Wir wurden zu Beginn unserer Gründung von manchen Umweltämtern regelrecht kriminalisiert. Heute ist unsere Recyclinganlage in Eberswalde ein Leuchtturm der Kreislaufwirtschaft von überregionaler Bedeutung. Dafür braucht es viel Streben nach Qualität und gründlicher Analytik. Wenn du etwas Neues tust, dann muss es drei Mal besser sein, als der Status Quo, um von der Gesellschaft – und erst recht von Behörden – akzeptiert zu werden. Diese Herausforderung haben wir angenommen und kämpfen weiterhin Tag für Tag. Und irgendwann ist Land in Sicht.

Welche Tipps würdest du anderen Gründern geben, die in der Startup-Welt Fuß fassen möchten?

If you don’t have venture capital, make some lemonade. Warte nicht auf Perfektion deiner Produkte in deiner Bastelstube, sondern entwickle gemeinsam mit deinen Kunden ein perfektes Produkt für die Praxisbedingungen am Markt.

Bild: Florian Augustin präsentiert mit „finizio“ Trockentoiletten und Recyclingsysteme. Er erhofft sich ein Investment von 500.000 Euro für 8 Prozent der Firmenanteile.
Foto: RTL / Bernd-Michael Maurer

Sehen Sie finizio am 29. April 2024 in #DHDL

Wir bedanken uns bei Florian Augustin für das Interview

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.

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