Frauen und Tech sind zwei Begriffe, die für viele nicht direkt zusammen passen. Und tatsächlich liegt laut einer Studie der Bundesagentur für Arbeit der Anteil von Frauen in MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) immer noch bei nur 14,1 Prozent im Bereich Technik, sowie 16,3 Prozent im Bereich der Informatik. Dass Frauen hier weniger vertreten sind, lässt sich laut Bundesamt für Statistik durch “klassische” Geschlechterrollen erklären. Männer mit mathematischen und naturwissenschaftlichen Talent und Frauen, die eher begabt in Sprachen oder Kreativem sind, so die Vorurteile. Dieses, in der Gesellschaft gefestigte, Schubladendenken führt zu einer Vorwegentscheidung, dass sich Frauen gar nicht erst trauen, sich zu bewerben (Bundesministerium für Familie, Frauen und Jugend).
Self-Full-Filling-Prophecy heißt dieses Phänomen im Englischen. Frauen müssen diese Vorurteile erst überwinden, müssen mutig sein, um überhaupt eine Karriere in Tech entgegen der gesellschaftlichen Vorurteile zu wagen. Als Frau, die im Studium noch nicht einmal etwas mit Tech zu tun hatte, war ich mir im Beruf anfangs entsprechend sehr unsicher. Durch meine eigene Tech-Karriere ist mir bewusst geworden, dass wir Frauen weniger selbstkritisch sein sollten. Es ist enorm wichtig, an unsere eigenen Stärken zu glauben und deren Vielfalt zu erkennen. Und vor allem, sollten Frauen aufhören, sich mit Männern zu vergleichen. Auf diese drei Punkte will ich noch genauer eingehen.
Aufhören, sich mit Männern zu vergleichen
Der Vergleich mit Männern ist überflüssig und tut zur eigenen Leistung nichts zur Sache. Ich habe erkannt, dass Männer in vielen Bereichen besser sind und das ist toll. Ich muss nicht besser sein als Männer, ich bin einfach anders. Und mit meinen Stärken in anderen Bereichen kann ich genauso gut sein wie sie in ihren. Es ist kein Sieg-/Niederlage-Spiel. Die Arbeitswelt ist ein Teamspiel, bei dem ich Dinge von ihnen lernen kann und sie Dinge von mir. In dem Moment, in dem du anfängst, dich mit anderen zu vergleichen und versuchst, so wie sie zu sein und nicht wie du, gerätst du in ein Spiel, das man nicht gewinnen kann. Also sei einfach du selbst.
Stärken finden und sich dessen bewusst sein
Die eigenen Stärken zu finden und sich auf diese zu verlassen, ist unabdingbar. Statt sich auf die eigenen Defizite zu fokussieren, sollte man in die eigenen Stärken vertrauen! Bevor du dich bewirbst, ist es wichtig zu wissen, durch welche Stärken du das Unternehmen unterstützen kannst. Vielleicht hast du eine riesige, zukunftsweisende Geschäftsidee und du hast keine Ahnung, wie du sie umsetzen kannst, aber du hast etwas im Kopf. Vielleicht erkennst du alle Risiken, die eintreten könnten, genau.
Das mag erstmal negativ klingen, aber das Vorhersehen von Risiken kann der Firma helfen, schneller eine Lösung zu finden, um diese von vornherein zu minimieren oder ganz zu vermeiden. Ich konnte keine Erfahrung im Ingenieurbereich vorweisen, aber die Erkenntnis, dass es so viele andere Dinge gibt die ich einbringen und beitragen kann, hat für mich viele Türen geöffnet. Das ist vor allem Agilität, Projektmanagement, Führungserfahrung, Stärken wie Fokus, Kommunikation, Beziehungsaufbau oder die Entwicklung Anderer. Mit den eigenen, diversen Stärken zu arbeiten, bringt das Team viel eher voran als der Versuch, sich die Stärken anderer anzueignen und sich anzupassen.
Diversität führt zu Höchstleistung
Ein Job in der IT- Branche verbinden viele Menschen, anfangs auch ich, mit dem Bild der Einzelgänger*innen mit IT-Studium oder der klassischen Computer-Nerds, die programmieren und täglich mehrere Codes lesen. Was ein totaler Irrtum ist. Auch in der IT sind die Teams divers, abteilungsübergreifend teilen sie Wissen, im Alleingang ist niemand erfolgreich, alle müssen miteinander zusammen arbeiten. Mitarbeitende aus allen Richtungen können einen Beitrag leisten. Fachfremde Erkenntnisse und branchenübergreifendes Wissen in meine Teams einzubringen, initiiert frische Denkweisen und eröffnete so neue Perspektiven. Ich denke, das ist ein gutes Beispiel dafür, dass Unternehmen auf unterschiedlichstem Wege und auf eine vielschichtige Art und Weise durch ihre Mitarbeiter*innen bereichert werden. Mir hat die Erkenntnis geholfen, dass es eine Stärke und keine Schwäche ist, einen anderen Blickwinkel und Ansatz in die Diskussion einzubringen.. Dadurch konnte ich Hürden im Tech-Arbeitsalltag überwinden, ob die Inneren oder die Tatsächlichen.
Dass das leichter gesagt ist als getan, ist klar. Mir ist aber wichtig, dass sich Frauen dessen bewusst sind. Wir müssen nicht irgendjemandem, vor allem nicht Männern, nacheifern, um die eigenen Stärken wahrzunehmen und umsetzen zu können, und folglich Erfolge im Beruf zu erzielen. Mein Ratschlag: Führe als Frau, und führe als du selbst!
Bildquelle Vinted
Autor:
Aliona Virsutiene ist Director of Engineering bei Vinted, Europas größter Online-C2C-Marktplatz für Secondhand-Mode. Das Unternehmen baut das in Berlin ansässige Team in diesem Jahr deutlich aus und fokussiert sich dabei auf Entwickler, Data Scientists und Produktmanager auf Senior Level. Mit einer wachsenden Community von über 45 Millionen Mitgliedern ist Vinted das größte Online-C2C-Unternehmen in Europa, das sich der Secondhand-Mode widmet. Derzeit erstreckt sich die Mitgliederzahl über 15 Märkte. Das 2008 von Milda Mitkuté and Justas Janauskas in Litauen gegründete Unternehmen steht heute unter der Leitung von CEO Thomas Plantenga und wird von fünf führenden Venture-Capital-Firmen unterstützt. Das europäische Start-up hat seinen Hauptsitz in Vilnius mit weiteren Offices in Berlin, Utrecht und Prag und beschäftigt insgesamt über 800 Mitarbeiter.
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder