Christina Becker erklärt, warum ein klarer Führungsstil eine gute Selbstführung erfordert.
Der Start in eine Führungsposition ist eine spannende Zeit, die aber auch oft geprägt ist von Stress, Angst und Unsicherheit. Um als Führungskraft bestehen und sein Team souverän leiten zu können, ist es notwendig, sich selbst und seine persönlichen Stresspunkte zu kennen. Diese Meinung vertritt Christina Becker, Führungscoach aus Berlin. Was das genau bedeutet, beleuchtet dieser Artikel.
Ein Fall, der wohl jeder Führungskraft bekannt vorkommen dürfte: Das eigene Team ist super – wäre da nicht dieser eine Kollege oder diese eine Kollegin, die einen verlässlich zur Weißglut bringt … Da werden die Krankmelde-Regeln nicht eingehalten oder es wird das „Nicht-Stören-Schild“ an der Tür geflissentlich übersehen, ein Guten Morgen kommt nicht über die Lippen und pünktlich sein – was war das noch einmal? All diese unterschiedlichen Verhaltensweisen können persönliche Stressauslöser sein. Und zwar für die Führungskraft.
„Das sind die Knöpfe, die gedrückt werden müssen, damit man überreagiert, emotional reagiert, sich persönlich angegriffen fühlt oder beleidigt ist“, sagt Christina Becker. Die 52-Jährige coacht Führungskräfte, vor allem Frauen, und ist davon überzeugt, dass die eigene Biografie-Arbeit eine Grundlage für souveräne Chefs ist.
Im Stress zeigen sich abgespeicherte Kindheitsmuster
„Im Stress zeigen sich diese ganzen Kindheitsmuster, die wir abgespeichert haben“, erklärt Becker, „und wer eine Führungsrolle übernimmt, der wird Stress haben. Die Folge ist: Man reagiert nicht souverän, sondern emotional.“ Ihr Ansatz ist deshalb, diese „biografisch abgespeicherten Muster“ herauszufinden. „Erst wenn wir das wissen, können wir uns gut selbst führen und sagen: Ich als Mensch fühle mich jetzt angegriffen, aber als Führungsperson weiß ich, ich muss jetzt souverän reagieren und nicht beleidigt. Das ist die Kunst“, betont Becker.
Allerdings stehen sich Führungskräfte dabei oft selbst im Weg. Denn: Souverän führen – heißt das etwa, man soll streng sein? Gar autoritär? „Nein, genau das ist es nicht. Da haben wir alle ein falsches Bild im Kopf“, sagt Becker. Besonders Frauen hätten den Anspruch, dass sie die nette Chefin sein möchten, dazugehören wollen. „Nur: Wenn ich gemocht werden will, dann werde ich alles dafür tun, dass mein Team mich mag. Und das funktioniert nicht“, stellt Becker klar. Aus ihrer Erfahrung heraus ist es von Vorteil, sich als Führungskraft vom Team etwas abzugrenzen. „Da, wo alle so eine Bussi-Bussi-Mentalität pflegen, fällt einem das irgendwann auf die Füße“, so Becker.
Eine klare Haltung und Kommunikation einführen
Sprich: Es muss eine Veränderung der Kommunikation und der Haltung erfolgen, um souverän führen zu können. „Weg von lieb und nett hin zu empathisch-klar“, sagt Becker und führt aus: „Klarheit heißt nicht Strenge, sondern, dass du deine Grenzen kennst und diese auch kommunizierst. Und: Wer führt, muss es aushalten, auch mal der oder die Böse zu sein. Man muss unpopuläre Entscheidungen treffen und aushalten, wenn Mitarbeiter dann meckern.“
Ein Beispiel: Ein Mitarbeiter erwartet von der Chefin, dass sie jetzt doch eine Lösung finden muss, weil sie ja immerhin die Chefin ist. „Da sagt man dann eben nicht: Ja natürlich, ich werde dir helfen. Sondern: Meine Aufgabe ist Mitarbeiterentwicklung und ich bin mir sicher und ich vertraue dir auch, dass du eine Lösung finden wirst“, nennt Becker eine Antwortmöglichkeit.
Mitarbeiter verhalten sich so, wie es die Führungskraft zulässt
Beim Thema Grenzen setzen hat die Berlinerin abgesehen von der fehlenden klaren Kommunikation noch ein weiteres Manko vieler Führungskräfte ausgemacht. „Wenn der Spielraum klar ist, in dem sich das Team aufhalten kann, dann zieht alles, was darüber hinausgeht, Konsequenzen nach sich“, sagt sie. Oft höre sie Beschwerden, dass Mitarbeiter beispielsweise Deadlines nicht einhalten. „Das liegt ja nicht daran, dass sie böse oder ignorant sind, sondern es liegt daran, dass sie es können“, so Becker. Ihr Spruch dazu: „Deine Mitarbeiter können sich nur so verhalten, wie du es zulässt.“
Die Chefs regen sich zwar über das Fehlverhalten auf, aber es passiere nichts. „Das ist ungemütlich, aber es ist ein Auftrag an dich als Führungskraft Regeln und Strukturen einzuführen sowie Erwartungen klar zu formulieren. Denn dann erst weiß dein Team, woran es sich orientieren kann, was es darf und was nicht“, stellt Becker klar.
Die eigenen Bedürfnisse wichtig nehmen
Etwas, das übrigens auch unter Selbstführung fällt, aber ganz oft zu kurz kommt, ist Neinsagen. Nein zum zusätzlichen Termin. Nein zum nächsten Projekt. „Wenn ich das nicht tue, schätze ich mich selbst nicht und stelle mich zurück. Denn Neinsagen bedeutet ja auch: Wie wichtig nehme ich mich selbst, meine Ressourcen, meinen Energiehaushalt. Wenn ich alles möglich mache, nur damit andere glücklich sind – dann kann ich mich selbst nicht führen. Sonst wären mir meine Zeit, Gesundheit und Energie wichtig. Dann würde ich sagen: Nein. Stopp. Bis hier und nicht weiter“, merkt Becker an.
Gerade Frauen in Führungspositionen falle es schwer, sich zuerst um sich selbst zu kümmern. Oftmals aus Angst als egoistisch angesehen zu werden. Dabei sei eines doch ganz klar: „Selbstfürsorge hat nichts mit Egoismus zu tun, sondern mit Selbstliebe“, so Becker. Und das gilt auch für Führungspersonal.
Fotocredits/ Fotograf: Katja Hentschel
Autor
Christina Becker (52) ist Trainerin für Führungskräfte. Ihr Fokus liegt auf souveräner Führung durch Selbstführung. Die Berlinerin führt seit 14 Jahren ihr eigenes Unternehmen, die SelfCare-Leadership-Akademie, und war zuvor viele Jahre als Führungskraft für verschiedene Firmen tätig. Mehr Infos: https://www.schlussmitderunsicherheit.de/
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