fünfeinhalb Funksysteme entwickelt ein Echtzeit-WLAN-System, das drahtlose Industriekommunikation so zuverlässig macht wie eine Kabelverbindung
Stellen Sie sich und fünfeinhalb Funksysteme bitte kurz vor
Hallo, ich bin Dr. Lucas Scheuvens und promovierter Nachrichtentechnikingenieur. Ich führe die Geschäfte der fünfeinhalb Funksysteme GmbH, einer Ausgründung der TU Dresden. Unsere Firma gibt es seit 2023, und sie heißt fünfeinhalb, weil sie ein zentrales Versprechen von 5G – nämlich zuverlässig ultra-niedrige Latenzen bei der Datenübertragung zu liefern – endlich einlöst und für die Industrie anwendbar macht.
Warum haben Sie sich entschieden, ein Unternehmen zu gründen?
Wir sind ein Team aus fünf Gründern – alle mit einem Promotionshintergrund im Bereich ultra-zuverlässiger, niedriglatenter Drahtloskommunikation. Das bedeutet, dass wir ein sehr gutes Verständnis davon haben, warum aktuelle WLAN-Systeme die Echtzeitanforderungen industrieller Anwendungsszenarien nicht erfüllen können. Die Verzögerungen in der Datenübertragung (Latenzen) dieser Funksysteme führen zu oft zu Systemstopps und Ausfällen ganzer Anlagen. Unser Ziel war es, dies zu ändern und mit unserem Fachwissen ein Echtzeit-Funksystem zu bauen, das dieses Problem nicht hat und damit einen erheblichen Mehrwert für industrielle Automatisierungssysteme bietet. Mit BlitzFunk ist uns dies gelungen.
Welche Vision steckt hinter fünfeinhalb Funksysteme?
fünfeinhalb steht für Zuverlässigkeit, Handhabbarkeit und Innovation. Unsere Industriekunden werden mit unseren Produkten in die Lage versetzt, ihre Maschinen eigenständig in Echtzeit zuverlässig miteinander zu vernetzen. Das fängt bei der Planung an und erstreckt sich über die Inbetriebnahme bis zur Fehleranalyse und dem regulären Betrieb. Das ist bei Blitzfunk noch einfacher als bei einem Standard-WLAN zu Hause.
Von der Idee bis zum Start – was waren bis jetzt die größten Herausforderungen, und wie haben Sie sich finanziert?
Wir finanzieren uns aus dem laufenden Projektgeschäft, Eigenmitteln und Fördergeldern. Unsere größte Herausforderung ist das noch geringe Alter unseres Unternehmens: Viele potenzielle Kunden, die sich einerseits innovative Lösungen wünschen, vertrauen andererseits ausschließlich lange existierenden Unternehmen. Das ist leider häufig ein Widerspruch. Unsere bisher erfolgreichsten Projekte waren „Feuerlöscher“-Projekte, in denen drängende Projekt-Deadlines aufgrund der bekannten mangelnden Echtzeitfähigkeit von Standard-WLAN zu scheitern drohten. Unsere Lösung hat bisher immer zu maximaler Zufriedenheit geführt, worauf wir natürlich stolz sind. Es ist mitunter erstaunlich zu hören, dass unsere Kunden verwundert sind, wenn wir unsere Versprechen wirklich halten. Ich schließe daraus, dass sie das in unserem Geschäftsbereich nicht gewohnt sind.
Wer ist die Zielgruppe von fünfeinhalb Funksysteme?
Wir richten uns insbesondere an Hersteller bzw. Systemintegratoren, die eine mobile Vernetzung ihrer Maschinen benötigen, die genauso zuverlässig funktioniert wie eine Kabelverbindung. Obwohl sich mit BlitzFunk auch existierende Kabelinstallationen ersetzen lassen, ist das nicht unser Hauptanspruch. Konzipiert wurde das System hauptsächlich für Einsatzszenarien in der Fertigung, die mobile Roboter oder Fahrzeuge umfassen. Aber auch für Schlittensysteme und rotierende Elemente ist BlitzFunk geeignet – bzw. generell überall dort, wo Kabel stören oder technisch nicht sinnvoll einsetzbar sind. Zu den zahlreichen, bereits erfolgreich durchgeführten Projekten zählen Vernetzungen von Schweißrobotern, Deckenkränen und fahrerlosen Transportfahrzeugen – sowohl im Safety- als auch Non-Safety-Bereich.
Was ist das Geschäftsmodell Ihres Unternehmens?
Wir verkaufen das Echtzeit-WLAN-System „BlitzFunk“ bestehend aus Access Points und Clients. Sowohl die Hardware und als auch die Software wurden vollständig von uns entwickelt. Nur durch die Kontrolle des gesamten Systems können wir unsere Dienstgüteversprechen geben. Sobald das Echtzeit-WLAN erworben wurde, gehört es zu 100 Prozent dem Kunden. Es werden keine Lizenz- oder Betriebsgebühren fällig.
Wie funktioniert die Lösung Blitzfunk?
Basierend auf WLAN haben wir mit BlitzFunk eine Reihe von Design-Entscheidungen getroffen, die aus dem „Best Effort“ von WLAN ein Echtzeit-WLAN mit Latenzgarantien macht. Zunächst verwendet BlitzFunk viele Antennen (= viel Ausbreitungsdiversität) und zwei gleichzeitige WLAN-Kanäle, auf denen die Daten redundant geschickt werden (= Interferenzrobustheit). Dadurch ist die Erfolgswahrscheinlichkeit für die Datenübertragung im ersten Sendeversuch so beeindruckend hoch (>99,9999%). Datenpakete, die nicht ankommen, ignorieren wir bewusst, weil sie ohnehin nicht mehr aktuell sind und nur alle nachfolgenden Pakete behindern. Unsere Access Points koordinieren sich so, dass sie sich nicht gegenseitig stören.
Wo liegen die Vorteile? Was unterscheidet Sie von anderen Anbietern?
BlitzFunk hat sehr viele Vorteile, die je nach Anwendungsbereich und Kunde unterschiedlich gewichtet werden. Einen der größten USPs liegt im Unterschied zum klassischen Roaming-Prozess, der in räumlich größeren Netzwerken immer nötig ist. Denn da ist der Client jeweils immer mit nur einem Access Point verbunden. Bevor er dessen Reichweite verlässt, muss er sich mit dem nächsten Access Point assoziieren. Das heißt, dass dort die Verbindung zum ersten Access Point ab- und zum nächsten Access Point neu wieder aufgebaut wird. Verschiedene Lösungen haben den langsamen Roaming-Prozess von Standard-WLAN zwar verbessert, aber es gibt immer einen zeitlichen Break. Bei Blitzfunk ist das nicht so, da unsere Access Points sich koordinieren und somit latenzfreies Roaming garantieren. Da das Roaming im BlitzFunk-System keinerlei negative Auswirkungen hat, entfällt auch die aufwendige und kostenintensive Funknetzplanung.
Doch das Funksystem hat noch viele, weitere Vorteile: BlitzFunk verhält sich wie ein verteilter Ethernet-Switch und bietet somit Plug&Play-Kompatibilität mit allen Ethernet-basierten Protokollen, inklusive Profinet, Profisafe, EtherNet/IP, CIP Safety und MQTT. Dazu kommen seine einfache Inbetriebnahme und Verwaltung über einen Webbrowser, was beides ohne spezielle technische Kenntnisse möglich ist. Ein weiterer Pluspunkt ist das eingebaute Troubleshooting, dank dem sich das Funksystem als Fehlerquelle eindeutig identifizieren (z.B. bei Überlastung) oder ausschließen lässt. Nicht zuletzt punktet BlitzFunk auch in Bezug auf die Security mit geräteindividueller, quantensicherer Verschlüsselung sowie Authentifizierung.
Wo geht der Weg hin? Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?
Aktuell basiert BlitzFunk auf klassischen, für den breiten Massenmarkt konzipierten Standard-Komponenten. Das macht die Lösung sofort und mit einem großen Mehrwert gegenüber anderen Systemen einsetzbar, demonstriert aber nur einen Bruchteil dessen, was möglich ist. Momentan arbeiten wir an einem komplett integrierten Echtzeit-WLAN-System, das dann selbst BlitzFunk in den Kategorien Größe, Anzahl der gleichzeitig unterstützten Geräte, Zuverlässigkeit, Latenz und Energieverbrauch noch jeweils um den Faktor zwei bis zehn verbessern kann. Wir freuen uns auf die Reise!
Zum Schluss: Welche 3 Tipps würden Sie angehenden Gründern mit auf den Weg geben?
Da Start-Ups so unterschiedlich sind, gibt es – denke ich – nur eine Handvoll Tipps, die allgemeingültig sind. Dazu gehören sicherlich die frühzeitigen Gespräche mit potenziellen Kunden. Man sollte – so schnell es geht – zu einem MVP (Minimum Viable Product) kommen, um dieses vorzeigen und ganz konkret mit Leuten sprechen zu können. Denn die Gespräche laufen immer besser, wenn man Leuten etwas in die Hand drücken kann.
Das Ablegen von falscher Scheu ist ein weiterer Punkt: Bei 20 neu initiierten Gesprächen ist aus meiner Erfahrung maximal eines dabei, das zielführend ist. Man sollte also nicht zu schnell aufgeben, aber gleichzeitig die eigene Vorgehensweise überdenken, wenn einem von 200 neuen Gesprächen kein einziges weiterhilft. Dann ist vielleicht der Product-Market-Fit noch nicht richtig oder die Zielgruppe nicht gut definiert.
Mein dritter Tipp: An potenzielle Kunden zu kommen, funktionierte bei unserem Industrieprodukt am besten auf Industriemessen. Das ist zeitaufwändig und teuer, lohnt sich aber aus meiner Sicht.
Bild: Das Gründerteam (v.l.n.r: Robert Wittig, Nick Schwarzenberg, Lucas Scheuvens, Andreas Traßl)@ fünfeinhalb Funksysteme GmbH
Wir bedanken uns bei Dr. Lucas Scheuvens für das Interview
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.