Das Start-up GoLexic ist Teil des Stealth Mode Förderprogrammes der Factory Berlin: In diesem Interview erzählt die Gründerin Samantha Merlivat mehr über sich und ihr Unternehmen
Stell dich und dein Startup doch kurz unseren Leser:innen vor!
Ich bin Samantha Merlivat und ich baue GoLexic auf. Das ist ein Unternehmen, um Kindern mit Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) und Legasthenie die Leseförderung zu erleichtern. Mit unserer App können wir Kindern helfen, ihre Lese- und Rechtschreib-Fähigkeiten zu verbessern. Sie basiert auf einer anerkannten Offline-Legasthenie-Methode, die wir um digitale Features ergänzt haben – damit können wir messen, wie gut die Kinder lesen können und den Lernprozess personalisieren.
Warum hast du dich entschieden, ein Unternehmen zu gründen?
Ich beschäftige mich seit vielen Jahren mit dem Thema Legasthenie und konnte in vielen Gesprächen mit betroffenen Eltern feststellen, dass sie ähnliche Herausforderungen erleben: Viele müssen ein bis drei Jahre warten, bis sie eine Diagnose der Schwierigkeiten ihres Kindes erhalten und müssen ständig um Unterstützung kämpfen.
Bei LRS wird in der Regel eine Eins-zu-eins-Intervention mit ausgebildeten Spezialist:innen oder Therapeut:innen vorgenommen. Es war mir klar, dass eine digitale Lösung helfen könnte, die Unterstützung für die betroffenen Kinder zu verstärken und lange Wartezeiten zu reduzieren. Was mich aber noch mehr dazu bewegt hat das Unternehmen zu gründen, war das Gefühl, dass alle heutigen Entwicklungen nur für Fachleute geeignet sind. Bisher gibt es keine Tools auf dem Markt, die sich an Eltern richten. Genau das wollte ich ändern. Als ich ein Kind war, habe ich selbst miterlebt, wie meine Eltern mit diesem Problem zu kämpfen hatten, weil mein Bruder ein Legastheniker ist. Der Gedanke, eine Lösung zu schaffen, die anderen Eltern wirklich helfen kann, hat mich enorm motiviert.
Ich hatte das Gefühl, dieses Produkt muss es geben. Schließlich handelt es sich um ein echtes Problem und es gibt einen konkreten Markt dafür, der nicht abgedeckt ist, denn die Eltern werden bei den traditionellen Methoden zur Behandlung von LRS nicht berücksichtigt.
Was war bei der Gründung von GoLexic die größte Herausforderung?
Zum ersten Mal ein Start-up zu gründen und dann auch noch als Einzelunternehmerin ein digitales Produkt zu entwickeln. Man muss ein so breites Spektrum an Fähigkeiten abdecken, um ein Unternehmen zu führen, ein Team aufzubauen, ein digitales Produkt zu entwickeln, dieses Produkt zu vermarkten und Finanzierung zu sichern… Im ersten Jahr war es richtig hart, allein für jeden Aspekt des Unternehmens und letztendlich für jede Entscheidung verantwortlich zu sein. Die Lernkurve war extrem steil und ich musste 1.000 Fehler machen und dann herausfinden, wie ich sie vermeiden kann. Hierdurch habe ich viel über die Unternehmensführung und über mich selbst gelernt.
Kann man mit einer Idee starten, wenn noch nicht alles perfekt ist?
Ja. Wer auf eine perfekte Idee wartet, wird nie starten. Im Gegenteil, die perfekte Idee (und somit der Fit zum Produktmarkt) entsteht erst im Laufe eines Prozesses, der viel Forschung, Prototyping, Testen und Iteration erfordert. Die perfekte Idee ist für mich nicht der Startpunkt.
Welche Vision steckt hinter GoLexic?
Mit GoLexic möchten wir eine innovative, skalierbare und bezahlbare Lösung anbieten, die jedem Kind einen unmittelbaren Zugang zu einem wirksamen Behandlungsprogramm für LRS ermöglicht. Dazu setzen wir Technologien ein, um die Behandlung zu erleichtern und zu gewährleisten, dass alle Nutzer:innen ein Kind mit Legasthenie unterstützen und bei der Überwindung der Schwierigkeiten helfen können.
Wer ist die Zielgruppe?
Aktuell liegt der Schwerpunkt unserer App auf der Unterstützung von Eltern, um ihren Kindern zu Hause zu helfen, wenn sie Schwierigkeiten mit dem Lesen und Schreiben haben. Mit der App kann man jedem Kind mit LRS helfen, unabhängig davon, ob es Legasthenie hat oder „nur“ eine Leseschwäche. Zukünftig möchten wir die App so weiterentwickeln, dass auch Lehrer:innen sie bei der Arbeit mit ihren Schüler:innen benutzen können.
Warum hast du dich für das Stealth Mode Förderprogramm beworben?
Das Stealth Mode Programm gilt als ein großartiges Förderprogramm für Gründer:innen und ich war sehr beeindruckt von den Absolvent:innen, die dieses Programm erfolgreich abgeschlossen haben. Entscheidend für mich waren die Themen, die im Rahmen des Programmes abgedeckt werden. Es ging mir darum, mehr zu erfahren, was beim Fundraising jenseits des Pitchings passiert: Verhandlungen, rechtliche Fragen, Terms Sheets, etc.
Durch Stealth Mode habe ich eine absolut neue Vorstellung davon bekommen, worauf Investor:innen achten und was sie berücksichtigen müssen, damit ein Deal für sie sinnvoll ist. Diese Kenntnisse und Erfahrungen sind für Menschen, die zum ersten Mal gründen und nicht aus der Startup-Welt kommen, nicht so einfach zu erhalten.
Wie ist der Ablauf des Stealth Mode Förderprogrammes?
Nachdem ich mich online beworben und mein Pitchdeck eingereicht hatte, wurde ich zur Teilnahme an der Kohorte eingeladen. Anschließend traf ich die anderen Gründer:innen und das Factory Berlin Team persönlich und wir kamen weiterhin jede Woche während der Online-Meisterklassen zusammen. Alle Mentees erhielten zudem eine Factory Berlin Membership und viele von uns trafen sich während des Programmes regelmäßig dort zur Zusammenarbeit. Im Laufe des Programmes bereiteten wir uns auf den Stealth Mode Demo Day vor und arbeiteten an unseren Pitches und Pitching Skills. Der Demo Day ist zwar gleichzeitig der Höhepunkt des Programmes, doch die Verbindungen zwischen den Gründer:innen und dem Stealth Mode Team sind noch lange nicht zu Ende! Dank dieses Programmes konnte ich viele tolle Freundschaften aufbauen.
Wie werdet ihr von den Mentor:innen unterstützt?
Es gibt wöchentliche Workshops zu verschiedenen Themen, die man als Gründer:in unbedingt beherrschen sollte: Von UX-Forschung bis hin zu Finanzplanung, Rechts- und Datenschutztraining sowie natürlich alles, was mit dem Fundraising zu tun hat. Des Weiteren gibt es regelmäßige Check-ins mit den individuellen Mentor:innen, die mehr auf das Erreichen unserer individuellen Ziele im Laufe des Programmes achten.
Wo möchtest du am Ende des Stealth Mode Förderprogrammes stehen?
Zum Ende des Stealth Mode Förderprogrammes möchte ich mich in einer starken Position befinden, um GoLexic zu pitchen und mehr Kontrolle über die Fundraising-Prozesse bzw. -Verhandlungen zu haben.
Wo siehst du dich und dein Start-up in fünf Jahren?
Ich sehe uns als ein globales Unternehmen, das sein Angebot in mehreren Sprachen in Schulen und zu Hause bei immer mehr Eltern anbietet, die ihren Kindern beim Leseverständnis helfen möchten.
Welche 3 Tipps würdest du angehenden Gründer:innen mit auf den Weg geben?
Wissen, wo es Kompetenzlücken gibt und die richtigen Kontakte knüpfen, die diese füllen: Mit Mitgründer:innen, Mitarbeiter:innen, Coaches oder Berater:innen.
Bei der Entwicklung eines Produktes sollte man klein anfangen und genau wissen, welche Features man unbedingt haben muss, haben sollte und haben kann. Bleibe auf die Must-haves konzentriert und erweitere sie anschließend Stück für Stück.
Frühzeitig verstehen, was die Investitionsentscheidungen der diversen Investor:innen und VCs beeinflusst.
Wir bedanken uns bei Samantha Merlivat für das Interview
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder