Montag, August 18, 2025
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Kann diese Idee Europas Energiezukunft verändern?

HyLion ist ein europäisches Partnernetzwerk, das in Schottland CO2-reduzierten Wasserstoff produziert und zu e-Methanol für Anwendungen in Europa verarbeitet.

Was genau ist HyLion und wie kam es zur Gründung dieses europäischen Partnernetzwerks zur E-Methanol-Produktion?

Dr. Sylvia Trage (ST): Das war – wie so oft im Leben – Zufall! Ich bin beim Lesen von historischen Büchern auf Schottland aufmerksam geworden. Dann habe ich angefangen zu recherchieren und bin auf die innovative Unternehmenslandschaft dort gestoßen. Ich bin kurzerhand nach Schottland geflogen und habe Start-ups besucht – dabei bin ich auf das Zukunftsthema Wasserstoff gekommen. Daraus hat sich wiederum die Idee entwickelt, dieses Thema mit meiner Expertise im Bereich ganzheitlicher, strategischer Supply Chain zu einer effizienten Lieferkette für klimaneutralen Treibstoff zwischen Schottland und Deutschland zu verbinden.
Mit dem HyLion-Netzwerk setzen wir diese Idee nun gemeinsam mit Partnern um: Geplant ist es, in Schottland CO2-reduzierten Wasserstoff aus erneuerbaren Energien herzustellen und in e-Methanol für verschiedene Anwendungen in UK und Europa umzuwandeln. Meine Rolle ist es, potenzielle Partner zu koordinieren und das Netzwerk gemeinsam mit meinen Kollegen bei MHP strategisch als auch operativ mit digitalen Lösungen entlang der Lieferkette zu unterstützen.

Welche persönliche Motivation und Erfahrungen bringen Sie, Frau Trage, in das Projekt HyLion genau ein?

ST: Ich habe Wirtschaftsingenieurwesen mit Schwerpunkt Elektrotechnik in Darmstadt studiert und bin promovierte Maschinenbau-Expertin. Außerdem bringe ich jahrelange, zum Teil selbstständige und internationale Beratungstätigkeit im Bereich Einkauf und Supply Chain mit. Der Fokus Wasserstoff ist für mich neu, dafür ziehen sich die Themen Mobilität und Energie wie ein roter Faden durch meinen Werdegang. Meine persönliche Inspiration ziehe ich vor allem aus der Motivation, beruflich nochmal etwas Besonderes zu starten, und dabei meine Stärken zu nutzen: strukturiert und analytisch zu denken, mich tief in neue Themen einzuarbeiten, kritisch zu hinterfragen, Aufgaben pragmatisch anzugehen und Menschen zu vernetzen.

Wie sieht die Vision von HyLion konkret aus und welche Etappen sind geplant, um diese zu verwirklichen?

ST: Unsere Vision ist die Bereitstellung klimaneutralen Treibstoffs von Europa für Europa. Damit will HyLion einen Beitrag zur Dekarbonisierung von Lieferketten und zum Klimawandel leisten. Insbesondere in der Schifffahrt, aber auch im Verkehrswesen insgesamt sowie im industriellen Bereich, verbessert e-Methanol erheblich die CO2-Bilanz.
In einem ersten Piloten ist geplant, 63.000 Tonnen biogenes CO2 pro Jahr für die Produktion von e-Methanol zu verwenden. Dieses CO2 soll einerseits aus Biomasse und anderseits von der Whisky-Industrie kommen. Daraus ergeben sich für das Pilotprojekt 9.000 Tonnen Wasserstoff und 45.000 Tonnen e-Methanol pro Jahr. In den Folgejahren bestehen bereits aus heutiger Sicht enorme Skalierungsmöglichkeiten, auch für andere Derivate.

Was ist das Besondere an der geplanten Lieferkette zwischen Schottland und Deutschland?

ST: Dass sie in dieser Form besonders ist. Mit einer länderübergreifenden Supply Chain für CO2-reduzierten Wasserstoff und e-Methanol kann die Grundlage für treibhausgasreduzierte Lösungen in Schiff- und Luftfahrt und sogar für den Motorsport geschaffen werden. Wenn diese einmal aufgebaut ist, können die Erfahrungen auf vergleichbare Vorhaben transferiert werden. Hierbei sollen auch geeignete Use Cases, wie beispielsweise im Transport und bei logistischen Anwendungen, auf den Weg gebracht werden.

Welche Rolle spielt die Digitalisierung bei HyLion?

ST: Die Digitalisierung der gesamten Lieferkette spielt eine entscheidende Rolle. Wir entwickeln zum einen eine skalierbare Plattform, über die verschiedene nachhaltige Projekte abgewickelt werden können, und zum anderen eine Art Digitalen Zwilling einer kompletten Supply Chain über die einzelnen technologischen Bereiche und Anlagen hinweg. Durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz können gezielt einzelne technologische Anlagen der Supply Chain zukünftig effizienter gestaltet werden. Bedeutet, der Endabnehmer des e-Methanols kann in Echtzeit sein Produkt verfolgen und Prognosen erstellen: wie wirken geopolitische Spannungen auf die Lieferkette ein, wann kommt der nächste Sturm auf und wie sehr verzögert sich die Fracht.

Wie reagieren Partner in der Luftfahrt, Schifffahrt oder im Motorsport auf die Lösungen von HyLion?

ST: Wichtige Energie- und Technologiepartner entlang der Lieferkette sowie erste Abnehmer wie das Schifffahrtsunternehmen Cadeler A/S haben sich bereits dazu bekannt, die Initiative zu unterstützen. Besonders die Schifffahrt ist stark unter Druck, ehrgeizige Klimaziele zu erreichen – der Bedarf an e-Methanol wird laut vorhandener Marktprognosen in dieser und vielen anderen Branchen wie der Luft- und Raumfahrt in den nächsten Jahren entsprechend steigen.

Mit welchen geopolitischen und logistischen Herausforderungen ist das Projekt bisher konfrontiert worden?

ST: Grundsätzlich hat das Projekt die gleichen Herausforderungen wie die Logistik insgesamt. Internationale unternehmerische Tätigkeiten führen zu komplexen globalen Logistik- und Supply-Chain-Netzwerken. Damit verbunden sind längere Transportwege, ein gesteigerter Kommunikations- und Integrationsbedarf sowie ein intensiverer Wettbewerb. Gleichzeitig ergeben sich durch den technologischen Wandel und veränderte Verkehrsstrukturen für Unternehmen immer wieder neue Rahmenbedingungen. Diese erfordern starke, resiliente und risikoreduzierte Lieferketten – genau die bauen wir mit HyLion mithilfe von Digitalisierung, Daten und KI im Bereich erneuerbare Energien wie e-Methanol auf – und das mit Fokus Europa.

Inwiefern profitiert Schottland als Standort von HyLion und wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit der schottischen Regierung?

ST: Die schottische Regierung hat HyLion den „Green Investment Portfolio“-Status vergeben. Diesen Status erhalten nur Projekte, die zur Wasserstoffstrategie Schottlands passen, über genügend Skalierungsmöglichkeiten und belastbare Business Cases verfügen sowie konkrete wirtschaftliche und ökologische Vorteile für das Land bringen. Das schafft auch internationale Sichtbarkeit, erleichtert den Zugang zu Investoren und bietet politische Unterstützung. In diesem Zuge bin ich zudem in der Rolle eines „Global Scots“: Ich vernetze schottische Initiativen und Unternehmen mit innovativen Vorhaben in Deutschland und Europa. Dafür bin ich in regelmäßigem Austausch mit der schottischen Regierung, um Synergien zu nutzen und die Position Schottlands als führenden Standort für erneuerbare Energien zu stärken.

Was unterscheidet HyLion von anderen Initiativen rund um grünen Wasserstoff?

ST: Eine länderübergreifende, europäische End-to-End-Lieferkette von CO2-reduziertem Wasserstoff und e-Methanol zwischen Schottland und Deutschland gibt es in dieser digitalen, datenbasierten Form meines Wissens noch nicht.

Welche Entwicklungen sind für die nächsten Jahre geplant, sowohl technologisch als auch organisatorisch?

ST: Die Pläne, wie CO2 und Wasserstoff zur Verfügung gestellt werden, wie beides in e-Methanol und dann in e-Kraftstoff umgewandelt wird, die benötigte Technologie und potenzielle Partner gibt es schon. Der nächste große Meilenstein wird das genannte Pilotprojekt und der Produktionsstart der Anlage, der für das zweite Halbjahr in 2028 angedacht ist, sein. Danach werden wir uns darauf fokussieren, die Produktion zu skalieren. Die reichhaltigen Windressourcen in Nordeuropa, insbesondere auch in Schottland, bieten eine ideale Grundlage dafür. Das Netzwerk zu erweitern und weitere Investoren zu gewinnen, ist in diesem Zusammenhang enorm wichtig.

Wie wichtig ist Ihnen persönlich das Thema Nachhaltigkeit über das Projekt hinaus?

ST: Nachhaltigkeit ist für mich weit mehr als nur ein Projektthema – es ist ein persönlicher Antrieb. Ich sehe das Thema als Melange aus vielen Faktoren, darunter Effizienz, Skalierung und Fokus auf die großen Hebel. Und damit ist es eine langfristige Verantwortung, die über einzelne Initiativen hinausgeht und in jede strategische Entscheidung einfließt. Mein Ziel ist es, durch vernetzte, innovative und skalierbare Lösungen dauerhaft einen Beitrag zu einer resilienten, zukunftsfähigen Wirtschaft zu leisten.

Welche drei Ratschläge würden Sie Gründerinnen und Gründern mit auf den Weg geben, die ebenfalls an internationalen Zukunftsprojekten arbeiten wollen?

ST: Erstens: An das eigene Projekt zu glauben und dafür zu kämpfen. Dazu gehört, sich auch von Zweiflern und Kritikern nicht unterbekommen zu lassen, auch wenn man manchmal einen Umweg nehmen muss. In dieser Hinsicht wurde ich stark von der positiven schottischen Mentalität geprägt. Zweitens: Sich gut zu vernetzen und Menschen in den Austausch zu bringen. Drittens: Offen für alternative Lösungen zu sein. Wenn mir jemand sagt, dass etwas nicht geht, wirble ich erstmal alles durcheinander, bis ich weiterkomme. Meine Kollegin nennt mich daher liebevoll „Tsunami“.

Titelbild Dr. Sylvia Trage @MHP

Wir bedanken uns bei Dr. Sylvia Trage für das Interview

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder

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