Incari: Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine (HMI)
Stellen Sie sich und das Startup Incari doch kurz unseren Lesern vor!
Mein Name ist Osman Dumbuya, ich bin Gründer und CEO von Incari. Ich bin in Sierra Leone geboren und mit fünf Jahren nach Deutschland gekommen. Anfang der 2000er habe ich in Berlin Informatik studiert und schon kurz danach meine erste Firma gegründet. Das Unternehmen entwickelte Software für Virtual Prototyping. Damit ließ sich beispielsweise die Frage beantworten, ob eine kleine Frau auf dem Fahrersitz eines bestimmten Autos durch den Rückspiegel ein 1,40 Meter großes Kind sehen kann, das hinter dem Fahrzeug entlang geht – und zwar ohne ein Auto real bauen zu müssen.
Herstellern erspart diese Technologie viel Zeit und Geld. Mein Co-Gründer und ich haben das Unternehmen nach ein paar Jahren an die amerikanische Software-Firma Autodesk Inc. verkauft. 2011 habe ich dann CGI Studio gegründet, aus dem 2021 Incari hervorgegangen ist. Wir konzentrieren uns auf die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine (HMI) und bieten eine Entwicklungsumgebung für die Erstellung komplexer Oberflächen, die ohne große Programmierkenntnisse auskommt. Derzeit liegt unser Schwerpunkt in der Automobil-Industrie. Doch auch in anderen Branchen haben wir begonnen, unsere Lösung auszurollen. Bedarf sehen wir unter anderem im Gesundheitssektor, aber ebenso beispielsweise bei Bauvorhaben oder im Bereich Aerospace. Kurz: die Anwendungsfelder sind nahezu unendlich.
Warum haben Sie sich entschieden, ein Unternehmen zu gründen?
Ich wollte schon immer gestalten; außerdem arbeite ich gerne selbstbestimmt. Das Unternehmertum lag daher nahe für mich. Schließlich ging es mir immer darum, einen bestimmten Bedarf zu adressieren und etwas Neues zu schaffen, was uns wirklich vorwärts bringt. Im Zusammenspiel von Mensch und Maschine liegt noch so viel Potential. Und genau diese Lücke werden wir bei Incari in Zukunft schließen. Mit einem System, das von Grund auf für visuelle und intuitive 3D-Interaktion angelegt ist – und ausgerichtet auf Zukunft.
Welche Vision steckt hinter Incari?
Ganz konkret wünschen wir uns, dass Autohersteller oder andere Industriezweige unser Produkt möglichst häufig einsetzen. Unsere mittel- und langfristige Vision ist aber ein eigenes europäisches Betriebssystem zu entwickeln, das mit Windows, iOS, Android oder auch Lösungen aus Asien konkurrieren kann und beispielsweise den Datenschutzstandards auf unserem Kontinent entspricht. Mit diesem Vorhaben sind wir Teil der Initiative „Scale-up Europe“, die Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ausgerufen hat. Ihr Ziel ist es, bis 2030 zehn Firmen in Europa zu etablieren, die mehr als 100 Milliarden Euro wert sind.
Von der Idee bis zum Start was waren bis jetzt die größten Herausforderungen und wie haben Sie sich finanziert?
Die größten Herausforderungen bei Start-ups sind Zeit und Geld. Vor allem aber das richtige Team. So war es auch bei uns. Es dauert lange, ein so hochkomplexes und innovatives Produkt wie unsere Software zu entwickeln. Wie die meisten Gründer ist es auch für mich eine Frage gewesen, wie weit ich mit dem Geld aus dem Verkauf der ersten Firma komme. Die erste Phase von Incari hat mich mehrere Millionen Euro gekostet. Nur einmal konnten wir einen Investor davon überzeugen, in einem kleineren Rahmen in mein Unternehmen zu investieren. Nie zuvor hat jemand in eine meiner Firmen investiert, bis jetzt: Doch nun konnten wir in einer Series A-Finanzierungsrunde über 15 Millionen Euro einsammeln. Der Hauptanteil kommt von Lukasz Gadowski und Team Global. Ihn hat vor allem die Idee eines europäischen Betriebssystems gereizt – und jetzt können wir weiter expandieren und unsere Vision vorantreiben.
Wer ist die Zielgruppe von Incari?
Incari richtet sich einerseits an alle Designer und Entwickler, die Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine gestalten. Deshalb ist unser Pricing auch sehr “kreativenfreundlich” mit wenigen Euro pro Monat. Andererseits richten wir uns aber auch an Unternehmen und Konzerne, die enorm hohe Produktskalierung haben. Wenn solche Unternehmen unsere Technologie in den Regelprozess übernehmen, erfolgt die Lizenzierung pro Einheit – und da reden wir dann über mehrere Millionen Stück. Das europäische Betriebssystem wiederum soll zukünftig für alle Anwender eine Alternative zu den Lösungen von Microsoft, Google oder Apple darstellen.
Wie funktioniert Incari? Wo liegen die Vorteile? Was unterscheidet Sie von anderen Anbietern?
Wir wollen dabei helfen, die Interaktion zwischen Mensch und Maschine neu zu denken. Unsere Software gibt beispielsweise Automobildesignern die Möglichkeit, schon relativ früh bei der Entwicklung eines neuen Modells auszuprobieren, wie der Fahrer mit dem Computer in seinem Auto interagieren könnte. Dazu stellen wir den Designern und Entwicklern eine Art Werkzeugkasten bereit, an den sie alle möglichen sensorischen Geräte anschließen können. Damit sind sie in der Lage herauszufinden, wie Mensch und Maschine miteinander umgehen könnten – abseits von Maus oder Tastatur. Diese Art von Technologie, wie wir sie entwickelt haben, kennt man bislang nur aus Sci-Fi-Filmen.
Incari, wo geht der Weg hin? Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?
In den nächsten fünf Jahren wollen wir ein Betriebssystem in Europa etablieren, das uns unabhängig von China oder den USA macht. Und damit prägen wir die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine gänzlich neu. Dieses Betriebssystem wird auch die Nutzung der eigenen Daten auf eine neue Grundlage stellen und den Anwendern die Kontrolle darüber wieder zurückgeben.
Zum Schluss: Welche drei Tipps würden Sie angehenden Gründern mit auf den Weg geben?
Sich nicht vom schnellen Erfolg anderer einschüchtern zu lassen. Je komplexer und innovativer ein Produkt, desto mehr Zeit braucht es. Anders als eine App, die sich innerhalb weniger Wochen launchen lässt und schnell hohe Downloadzahlen erreicht, braucht eine echte Idee vor allem erstmal Geduld. Das gilt besonders dann, wenn die Umsetzung extreme technologische Fähigkeiten erfordert. Die muss sich ein Start-up nämlich auch erstmal leisten können.
Mein zweiter Tipp für alle Gründer: Diversifiziert euch! Je unterschiedlicher die Menschen in eurem Team sind, desto besser wird euer Produkt. Ich bin der Überzeugung: Jeder bringt einzigartige Fähigkeiten und Ansichten in ein Team mit ein – und es sind diese Unterschiede, die für Fortschritt sorgen.
Und drittens: Verkauft euch nicht zu früh. Hat man erstmal zehn Jahre an einem Produkt gearbeitet und nur von der Hand in den Mund gelebt, ist es sicherlich verführerisch auf ein Angebot einzugehen, das einem Investoren machen. Ich kann es auch niemandem verdenken, wenn er es annimmt. Häufig ist das aber auch ein Zeichen, dass die Idee richtig weit fliegen kann: Holt euch stattdessen neuen Input sowie Partner und behaltet euer Baby bei euch. Auch dadurch können wir in Europa ein eigenes Silicon Valley aufbauen und langfristig mit Übersee konkurrieren.
Wir bedanken uns bei Osman Dumbuya für das Interview
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder