Dienstag, Januar 28, 2025
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Startups und Mittelstand brauchen ein gemeinsames Ökosystem

Sowohl Startups als auch der etablierte Mittelstand, beide haben eines gemeinsam: Sie klagen über die Rahmenbedingungen in Deutschland. Die einen, weil zunehmend Venture Capital und zielgenaue Förderprogramme fehlen, die anderen, weil Innovationen in Deutschland zu teuer geworden sind und sich aus mehreren Gründen kaum mehr lohnen. Hohe Steuern, viele Abgaben, immense Bürokratie sowie hohe Energie-, Entwicklungs- und Produktionskosten sind nur ein Teil der Probleme. Mittelstand und Startups gemein ist, dass die derzeitigen gesellschaftlichen Weichen nicht pro Unternehmertum, pro Selbständigkeit und pro technologische Veränderung gestellt sind. Das Stimmungsbarometer zeigt eher auf abwarten, zögern, sichern und an allem festhalten, was geht. Dabei braucht kein anderes Land so sehr und so schnell einen Mentalitätswandel wie Deutschland. Es fehlt an Innovationskraft und Mut.

Wenig Hoffnung für die Bundestagswahl

Ob sich dies nach der Bundestagswahl ändert, bleibt abzuwarten. Viel Neues lässt sich den Programmen der Parteien in dieser Hinsicht nicht entnehmen. Und wenn, dann erscheint der Erhalt bestehender industrieller Strukturen derzeit wichtiger als die Förderung des Neuen. Wenig ist zu hören über Startups und deren Innovationskraft sowie deren Bedeutung für den Standort Deutschland. Und wenn, dann vor allem in Bezug auf Subventionen. Die aber sind nur ein Teil des Themas. Weitaus wichtiger wäre, ein breitgefächertes Ökosystem für Startups zu schaffen, in dem sie und ihre Innovationen wachsen können – gemeinsam mit öffentlichen Stellen, Hochschulen, Mentoren und Investoren – und vor allem mit dem traditionellen Mittelstand.

Auch eigene Regeln können belasten

Viele etablierte Mittelständler schauen teils neidisch, teils mit Sorge auf vermeintlich hippe Startups. Deren disruptive Art, Neues anzugehen und auszuprobieren, ohne Hierarchien und Bedenkenträgerei, stattdessen mit der Experimentierfreude digitaler Eingeborener, stellt so manch altes Unternehmen vor die Frage, ob da nicht Konkurrenten heranwachsen, die alsbald zu einer Gefahr werden. Die vielen Regeln, die sich der deutsche Mittelstand über Jahrzehnte selbst aufgebaut hat, gelten für Startups zumeist nicht. Sie sind freier. Nicht nur staatliche Regulierung belastet, auch die vielen internen Vorgaben und tradierten Regeln, die sich über Jahre und Jahrzehnte entwickelt haben, können zur Belastung werden. Disruption und Tradition werden als Widerspruch empfunden. Diesen aufzulösen, könnte eine Lösung für die mangelnde Innovationskraft sein.

Es geht nur gemeinsam

Dabei spielen in der deutschen Wirtschaft sowohl Startups als auch der Mittelstand eine zentrale Rolle, wenn es um Innovationen geht. Während Startups oft als Pioniere der Innovation gelten und neue Technologien sowie Geschäftsmodelle vorantreiben, steht der Mittelstand für Stabilität, langfristige Kundenbeziehungen sowie tief verwurzelte Unternehmensstrukturen und -kulturen. Die Beziehung zwischen Startups und Mittelständlern kann sowohl herausfordernd als auch symbiotisch sein. Es kommt auf die Betrachtung und die Interaktion an. Neben den Risiken gibt es auch viele Chancen, von denen beide Seiten profitieren können.

Innovationsmotor trifft Erfahrung

Startups bringen oft disruptive Technologien und innovative Ansätze in den Markt, die bestehende Produkte und Dienstleistungen herausfordern. Diese Innovationskraft ist besonders wichtig in Branchen, die von schnellen technologischen Fortschritten geprägt sind; die IT- und die Kommunikationsbranche sticht hier am auffälligsten hervor.

Mittelständische Unternehmen können von dieser Innovationskraft profitieren, indem sie Kooperationen mit Startups eingehen, um ihre eigenen Produkte zu modernisieren und neue Märkte zu erschließen. Statt Gefahr zu laufen, verdrängt oder abgehängt zu werden, bieten sich hier Kooperationen an. Die Startups profitieren so von Kapital, Kunden und Best Practices, der Mittelstand von Technologie, die nicht aufwändig selbst entwickelt werden muss. Win-win also.

Kulturelle Unterschiede

Die Zusammenarbeit zwischen Startups und mittelständischen Unternehmen ist jedoch nicht frei von Herausforderungen. Unterschiede in der Unternehmenskultur, in Arbeits- und Denkweisen sowie in Entscheidungsfindungsprozessen können zu Reibungen führen. Während Startups oft agil und risikofreudig sind, zeichnen sich mittelständische Unternehmen durch strukturierte Prozesse und risikoaverse Entscheidungsmuster aus.

Diese Unterschiede können die Integration von innovativen Projekten erschweren und erfordern ein hohes Maß an Flexibilität und Verständnis auf beiden Seiten. Beide müssen lernen, die Vorteile des anderen zu erkennen. Die vermeintlich starren Strukturen mittelständischer Unternehmen hatten ihren Sinn und waren zu ihrer Zeit vielleicht durchaus innovativ. Die Tugenden Vorsicht und Fehlervermeidung haben die deutsche Wirtschaft zu dem gemacht, was sie lange Zeit war – Vorreiter, made in Germany. Arroganz von Gründern ist deswegen fehl am Platz. Aber: Der Mittelstand sollte sich hinterfragen. Nicht alles, was einmal gut war, verdient es, in eine digitale Zukunft übertragen zu werden.

Verständnis schafft Fortschritt

Trotz dieser Herausforderungen gibt es zahlreiche positive Beispiele für erfolgreiche symbiotische Beziehungen zwischen Startups und Mittelständlern. Ein Schlüssel zum Erfolg ist die Schaffung von Strukturen, die eine effektive Kommunikation und gemeinsame Zielsetzungen fördern. Beispielsweise können Innovations-Hubs oder gemeinsame Accelerator-Programme eine Plattform bieten, auf der Startups und mittelständische Unternehmen zusammenarbeiten und voneinander lernen können. Es gilt, das Verbindende und die gemeinsamen Ziele zu betonen. Und die Vorteile, die beide füreinander bieten: Erfahrung, Kapital, Kunden und Praxis die einen, Innovationskraft und Strukturen abseits des Etablierten die anderen. Der Wille, etwas zu bewegen, der meist vom Top-Management eines mittelständischen Unternehmens ausgeht, kann so auf Startups projiziert werden. Was in der eigenen mittelständisch-traditionellen Struktur nicht möglich oder durchsetzbar wäre, kann auf gemeinsamen Plattformen mit Startups ausprobiert werden. Derartige Plattformen und Kooperationen sind deswegen meist besonders erfolgreich, wenn sie als Chefsache verstanden werden.

Förder- und strukturpolitische Überarbeitung notwendig

Die Interaktion zwischen Startups und dem Mittelstand hat nicht nur für die beteiligten Unternehmen, sondern auch für die gesamte deutsche Wirtschaft Bedeutung. Sie fördert den Technologietransfer, die Schaffung von Arbeitsplätzen und trägt zur Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland bei. In einer globalisierten Welt, in der technologische Führerschaft zunehmend wichtiger wird, kann diese dynamische Beziehung zwischen jungen und etablierten Unternehmen ein entscheidender Faktor sein. Sie sollte gefördert werden – im Denken, in den Verbänden und seitens der Politik. Das Gegeneinander, das Fördern von Silos, statt von Clustern, braucht eine grundsätzliche intellektuelle sowie förder- und strukturpolitische Überarbeitung. Hier sind alle Akteure gefragt, bürokratische Hürden abzubauen, die Kommunikation sowie das Verständnis füreinander zu fördern und die in der Gesellschaft weit verbreitete unterschiedliche Betrachtung von „Unternehmen“ auf der einen und „Startups“ auf der anderen Seite zu überwinden. Beide sind Akteure und Zukunftsgestalter, die es verdienen, entlastet zu werden und Anerkennung zu bekommen.

Autor

Bernhard Schindler ist Investor, Multipreneur, Autor, Dozent und Vortragsredner. Er ist Gründer des THE GROW Ökosystems, das unter anderem Startups und Mittelständler zusammenbringt. www.the-grow.de

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.

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