Samstag, Oktober 5, 2024
StartGründerTalkEine positive Fehlerkultur ist für die Innovation sehr wichtig

Eine positive Fehlerkultur ist für die Innovation sehr wichtig

Motesque kombiniert Biomechanik mit KI für die Erfassung von Bewegung und Körperformen

Stellen Sie sich und das Startup Motesque doch kurz unseren Lesern vor!

Mein Name ist Kai Oberländer. Ich bin Professor für Biomechanik und CEO von Motesque.

Zusammen mit dem renommierten Biomechaniker Prof. Dr. Gert-Peter Brüggemann, dem Experten für Computer Vision, Tobias Lang, sowie dem Industriedesigner Tobias Fink habe ich 2015 das Startup in New York City gegründet. Wir entwickeln biomechanische Technologien und Lösungen, mit denen wir zur Verbesserung der Lebensqualität und des Wohlbefindens aller Menschen beitragen. 

Viele Unternehmen bieten eine riesige Produktauswahl an, die Konsumenten oft überfordert. Vor allem beim Kauf von beratungsintensiven Produkten wie Matratzen, Laufschuhen oder Fahrrädern merken sie häufig erst erst im Nachhinein, dass diese nicht zu ihrem Bewegungsapparat passen und den Körper eher strapazieren als entlasten. Das wollen wir ändern. 

Wir haben unser langjähriges Know-How aus der Biomechanik mit modernsten KI-Ansätzen kombiniert und damit Lösungen entwickelt, mit denen wir menschliche Körperformen und -proportionen sowie menschliche Bewegungen detailgenau erfassen können. Daraus können wir datengestützte Empfehlungen im Health-Tech- und E-Commerce-Bereich erstellen.

Warum haben Sie sich entschieden, ein Unternehmen zu gründen?

Meine Entscheidung, Motesque zu gründen, basierte auf der Tatsache, dass es in der Biomechanikbranche einen hohen Bedarf an innovativen Lösungen gibt.  Als Berater für führende Unternehmen in den USA und Europa habe ich die Erfahrung gemacht, dass die etablierten Unternehmen neue Konzepte zwar gerne hören, aber immer wieder daran scheitern, sie technisch umzusetzen. Vor allem dauert die Entwicklung meistens extrem lange. Wir sprechen hier von etlichen Jahren. Als agiles Startup sind wir da wesentlich schneller. 

Das war der Hauptgrund, der mich zur Gründung von Motesque veranlasste. Dafür habe ich ein interdisziplinäres Team aus Industriedesignern, Softwareentwicklern und Biomechanikern, wie mir, zusammengestellt. 

Welche Vision steckt hinter Motesque?

Unser Gründerteam hat die Vision, die Gesundheit der Menschen so lange wie möglich zu erhalten und ihre Lebensqualität zu verbessern. Leider wird das heutzutage immer schwerer. Abgesehen von stetig wachsendem Stress und seinen Folgen tragen auch unpassende Produkte wie zum Beispiel eine falsche Matratze zur Belastung unserer Gesundheit bei. In einer aktuellen Studie des Robert Koch-Instituts berichten über 60 Prozent der Befragten von Rückenschmerzen. Dieser Befund betrifft alle Geschlechter und zieht sich durch fast alle Altersgruppen. Unsere Überzeugung lautet: Das lässt sich vermeiden!  

Von der Idee bis zum Start – was waren bis jetzt die größten Herausforderungen und wie haben Sie sich finanziert?

Seit 2015 haben wir uns intensiv mit der Idee befasst, eine KI-gestützte SaaS-Lösung für biomechanische Anwendungen auf den Markt zu bringen. Der eigentliche „Startschuss“ kam dann im Jahr 2018, als wir unter anderem unsere Series-A-Finanzierungsrunde abgeschlossen haben. Der Inhaber des Prothesenherstellers Ottobock, Prof. Hans Georg Näder, unterstützt uns dabei als Investor und Partner der ersten Stunde. 

Eine der größten Herausforderung war für uns von Anfang an, unsere Lösungen an große Unternehmen mit eingefahrenen Prozessen zu vertreiben. Speziell unsere IoT-basierte Sensor-Plattform wurde in der Vergangenheit häufig als zu visionär empfunden. Da muss dann besonders viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Außerdem werden wir auch heute noch von großen IT-Abteilungen als Konkurrenz empfunden, weil wir mit unserem vergleichsweise kleinen Team wesentlich agiler sind.

Wer ist die Zielgruppe von Motesque?

Mit unserer 3D-Avatar-Lösung sprechen wir Hersteller und Händler an, die ihren Kunden ein einzigartiges Einkaufserlebnis bieten wollen. Sie erhöht die Zufriedenheit der Endkunden, da diese auf Anhieb das richtige Produkt finden und dadurch Retouren vermeiden. Im Zuge dessen wird auch die Umwelt nicht unnötig belastet.

Im medizinischen Bereich unterstützt unser Sensor-System Personen mit Prothesen oder Orthesen dabei, ihre Therapie zu verbessern und gegebenenfalls die Genesungszeit zu verkürzen. Sporttreibenden können wir mit unseren IMU-Sensoren im Geschäft den perfekten Laufschuh empfehlen. Dadurch können Verletzungen verhindert und gleichzeitig die Performance gesteigert werden. 

Unsere Lösungen sind also breit einsetzbar. Ich bin überzeugt, dass wir erst einen Teil dessen realisiert haben, was damit eigentlich möglich ist.

Wie funktioniert Motesque? Wo liegen die Vorteile? Was unterscheidet Sie von anderen Anbietern?

Wir haben wie gesagt zwei Produktbereiche. Bei dem einen handelt es sich um unsere Sensoren, die sich am Körper befestigen lassen und menschliche Bewegungen zuverlässig messen. Maßgeschneiderte, intelligente Software-Anwendungen liefern schnelle und leicht verständliche Ergebnisse innerhalb von Sekunden. Unsere Geräte sind mobil, schnell einsatzbereit und einfach zu bedienen, beispielsweise in einem Laden, in einer Klinik oder im Haus des Patienten. Durch eine Cloud-Integration erfolgen Produktaktualisierungen und kontinuierliche Überwachung automatisch im Hintergrund. Das System kann in der jeweiligen CI unserer Kunden gebrandet werden.

Unser zweites Produkt ist die KI-basierte Lösung, mit deren Hilfe die Kunden von Online-Shops oder Einzelhandelsgeschäften anhand ihrer Körperdaten einen 3D-Avatar erstellen lassen können. Während die Sensoren beispielsweise von Ottobock bei der Anpassung von Prothesen verwendet werden oder in Sportgeschäften wie Asics dabei helfen, den idealen Laufschuh zu finden, simuliert unsere 3D-Avatar-Lösung die Interaktion der jeweiligen Person mit unterschiedlichen Produkten wirklichkeitsgetreu. 

Am Ende läuft beides darauf hinaus, optimale Produkte oder Produkteinstellungen für den individuellen Bedarf und Gebrauch ausfindig zu machen. Im Gegensatz zu anderen Lösungen am Markt stehen bei uns die Gesundheit und die optimale Nutzung der gewonnen Daten im Vordergrund. All unsere Lösungen sind cloudbasiert und als Whitelabel erhältlich. Zudem ist die Technik auch ohne akademisches Know-how in Biomechanik verständlich und auf sämtlichen Endgeräten leicht anwendbar. 

Motesque, wo geht der Weg hin? Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?

Mit unseren beiden Standorten in Deutschland und den USA sind wir bereits heute international aufgestellt und werden diesen Weg konsequent weiter gehen. Unsere Lösungen sollen allen Unternehmen bereitstehen, die ihren Endkunden oder Patienten mehr bieten wollen als nur halbwegs passende Standardlösungen.Wir finden es wichtig, auf individuelle Bedürfnisse einzugehen. Mit Blick auf die Zukunft wollen wir, dass wissenschaftlich fundierte und entsprechend individualisierte Produktempfehlungen in den nächsten Jahren zum Standard in vielen Bereichen werden. Bis dahin ist es zugegebenermaßen noch ein weiter Weg. Aber wir sind fest davon überzeugt, dass wir mit unseren Lösungen die ersten Schritte in diese Richtung getan haben.  

Zum Schluss: Welche 3 Tipps würden Sie angehenden Gründern mit auf den Weg geben?

Das Wichtigste für den Erfolg eines Startups ist aus meiner Erfahrung mit Motesque, dass die Lösung einen absoluten Mehrwert für die Anwender haben muss. In unserem Fall geht es um die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen, um optimierte Einkaufserlebnisse und eine geringere Umweltbelastung.

Es passiert vor allem am Anfang häufig, dass der eingeschlagene Weg in einer Sackgasse endet. Dann ist es wichtig, nicht den Mut zu verlieren, sondern nach einem Ausweg zu suchen. Dazu gehört auch, aus Fehlern zu lernen, die beim Aufbau eines Startups unweigerlich passieren. Eine positive Fehlerkultur ist für die Innovation sehr wichtig.

Außerdem halte ich einen starken Kampfgeist für unverzichtbar. Dabei ist es wichtig, Risiken einzugehen und immer wieder Neues auszuprobieren. Denn das Alt-Bekannte gibt es ja schon. Und die Gründung eines Startups geschieht nicht in der Wohlfühlzone. 

Wir bedanken uns bei Kai Oberländer für das Interview

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder

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