Multibin entwickelt ein digitales Mehrkammer Müllbeutelsystem, das Haushalten, Unternehmen und dem Gesundheitswesen eine neue, datenbasierte Form der Mülltrennung ermöglicht.
Wie entstand bei Ihnen auf dem Segelboot die Idee zu Multibin und was war der Moment, in dem Ihnen klar wurde, dass daraus eine echte Innovation werden könnte?
Die Idee zu Multibin entstand an einem Ort, an dem man besonders bewusst lebt: einem Segelboot. In einer Marina musste ich meinen Müllbeutel aufreißen und nachträglich sortieren. Am Ende hing ich mehrere Beutel auf dem Boot auf – das war unästhetisch, platzraubend und ineffizient. Da fragte ich mich: Warum gibt es nicht einfach einen Müllbeutel mit mehreren Fächern? Ursprünglich ging es mir um Ästhetik und Platz.
Doch schnell wurde mir klar: Dieses Problem betrifft jeden Haushalt, besonders Ein- bis Zweipersonenhaushalte, die nicht ausreichend Platz für mehrere Behälter haben. Ich wollte einen solchen Beutel kaufen – es gab ihn nicht. Also ließ ich recherchieren, begann zu patentieren und verstand, dass hier mehr steckt als ein Produkt: Wir können die kleinste Einheit der Abfallwirtschaft digitalisieren.
Als ich dann über ein Belohnungssystem nachdachte, entstand die Idee oder Informationsträger in den Beutel zu integrieren. Damit wird Müll erstmals pro Beutel messbar und trackbar. Ab hier wurde Multibin zur digitalen Plattform – von Customizing (Farben, Kammergrößen) bis hin zu Mental-Load-Entlastung, Payment, Pfandsystemen und Loyalität.
Der Durchbruch war die Idee des UV-Klebers: Ein Beutel, der in einem Stück abgegeben und erst in der Sortieranlage automatisiert getrennt wird. Dadurch können selbst Länder ohne Infrastruktur hochwertige Sortierergebnisse erzielen. Spätestens an diesem Punkt war klar: Multibin ist nicht nur ein Beutel – Multibin gehört zur zukünftigen Infrastruktur einer digitalen Kreislaufwirtschaft.
Welche langfristige Vision verfolgen Sie persönlich mit Multibin und wie soll diese Vision die Kreislaufwirtschaft in Europa verändern?
Unsere Vision ist, die analoge Tonne langfristig zu ersetzen oder zu ergänzen – durch ein System, das ab Beutel denkt, nicht ab Tonne. Europa braucht ein standardisiertes, digitales System, um seine Recycling- und CO₂-Ziele zu erreichen. Wir wollen, dass jeder Beutel ein Datenpunkt, ein Wertstoffcontainer und ein Abrechnungselement wird.
Multibin soll zum europäischen Standard für Pay-Per-Bag, Wertstoffpfand und digitale Abfalltransparenz werden. Wir verbinden Haushalte, Kommunen, Entsorger und die Industrie in einem gemeinsamen System – erstmals rückverfolgbar bis auf Materialebene.
Für welche Zielgruppen wurde Multibin ursprünglich gedacht und wie unterscheiden sich die Bedürfnisse von Haushalten, Unternehmen und Einrichtungen im Gesundheitswesen?
Multibin war ursprünglich für Haushalte gedacht, aber wir bedienen mehrere Welten:
•Privathaushalte: Platz sparen, intuitiver trennen, Belohnungen erhalten.
•Unternehmen: Effizienz, Compliance, CO₂-Reporting, einfache Schulung.
•Medizin & Kliniken: Hygienisch, klar getrennte Stoffströme, voller Audit-Trail.
Jede Zielgruppe trennt aus anderen Gründen – aber die Lösung ist dieselbe: ein Beutel, mehrere Kammern, digitale Identifikation.
Was hat Sie motiviert, einen völlig neuen Standard in der Mülltrennung zu schaffen und gleichzeitig ein global verständliches System zu entwickeln?
Mich hat motiviert, dass Mülltrennung weltweit kompliziert ist, weil sie auf analogen Symbolen und Fehlanreizen basiert. Wir wollten ein System schaffen, das global verständlich ist, unabhängig von Tonnenfarben, lokalen Systemen oder Sprachbarrieren.
Multibin ist radikal einfach: Wer einen Beutel öffnet, versteht das System. Genau darin liegt die Kraft, einen neuen globalen Standard zu setzen.
Welche Herausforderungen sehen Sie aktuell bei der sortenreinen Erfassung von Wertstoffen und wie lösen Sie dieses Problem direkt an der Quelle?
Heute wird zu spät sortiert: aus der Tonne, aus Containern oder aus Mischabfällen. Die Sortierqualität ist entsprechend schlecht.
Multibin dreht das System um: Sortierung direkt im Haushalt – bevor Vermischung entsteht.
Mit den zwei Kammern, digitaler Identität und optionaler KI-Sortiererkennung erreichen wir eine völlig neue Qualität von Materialströmen. Gemeinden erhalten weniger Fehlwürfe, Recyclinganlagen höhere Reinheiten, Hersteller verwertbare Daten.
Sie sprechen von Multibin als Plattformtechnologie. Welche Bedeutung haben die patentierten Erweiterungen wie Mehrkammer-Varianten oder UV-Kleber für zukünftige Anwendungen?
Multibin ist ein Ökosystem:
•Patente für 2/3/4-Kammer-Beutel
•UV-Kleber für maschinelle Trennung
•Optionale RFID- oder optische Identifikation
•Bag-ID für Tracking, Bonusprogramme, Pfandsysteme
•API-Integration für Städte, Hersteller und Anlagen
Jeder Beutel ist ein Datenobjekt – und damit eine neue Infrastruktursebene für die Abfallwirtschaft.
Wie wichtig ist die Multibin App für die Weiterentwicklung des Systems. Und welche Rolle spielen digitale Anreizmodelle für mehr Nachhaltigkeit im Alltag?
Die App verwandelt Mülltrennung in ein Anreizsystem und in eine transparente Datenplattform.
Sie ermöglicht:
•Bonuspunkte, Pfand, Belohnungen
•Materialtracking
•CO₂-Visualisierung
•Customizing (Farben, Kammergrößen, Abfallprofile)
•Payment (Pay-per-Bag)
•Warnungen zu Sonderabfällen
Die App ist der digitale Layer, der aus einem Alltagsprodukt ein Steuerungssystem für die Kreislaufwirtschaft macht.
Welche Chancen sehen Sie in smarten Recycling-Prozessen insgesamt und welchen Beitrag kann Multibin konkret zur nationalen Kreislaufstrategie leisten?
Europa braucht präzise Materialdaten, um PPWR, EPR und CO₂-Vorgaben zu erfüllen. Multibin liefert diese Daten erstmals auf der kleinsten, saubersten Ebene: dem Beutel.
Wir schaffen:
•Höhere Sortierqualität
•Daten für Herstellerpflichten
•Faire Gebührenmodelle
•Kommunale Transparenz
•Digitale Infrastruktur für Pfandsysteme
Damit leisten wir direkten Beitrag zur nationalen und europäischen Kreislaufstrategie.
Was konnten Sie aus dem Pilotprojekt in der Penta Klinik in Prag lernen und welche Potenziale sehen Sie speziell beim Einsatz im medizinischen Bereich?
Das Pilotprojekt zeigt:
•Kliniken sparen Wege
•Fehlwürfe sinken drastisch
•Hygiene verbessert sich
•Abfallfraktionen werden sauber erfasst
•Dokumentation wird einfacher
Gerade im medizinischen Sektor sind getrennte Stoffströme entscheidend – Multibin liefert hier einen skalierbaren Standard, der Prozesse messbar verbessert.
Was macht Multibin aus Ihrer Sicht zu einem echten Alleinstellungsmerkmal gegenüber herkömmlichen Mülltrennsystemen?
Unser USP ist dreifach:
1.Ein Beutel mit mehreren Kammern – weltweit verständlich, platzsparend, intuitiv.
2.Digitale Identität pro Beutel – damit wird Müll messbar, trackbar, abrechenbar.
3.Patente auf die Digitalisierung des Müllbeutels – eine infrastrukturelle Monopolposition.
Kein anderes System schafft diese Kombination aus Produkt, Plattform und Daten.
Wohin möchten Sie sich in den nächsten Jahren entwickeln. Und welche technologischen oder marktorientierten Schritte stehen als Nächstes an?
Die nächsten Schritte:
•Rollout in Medizin und Gewerbe
•Pilotstädte für Pay-Per-Bag & Pfandsysteme
•Europaweite Skalierung über Partner
•Mehrkammer-Portfolio ausbauen
•Sortier-KI und Wärmestraßenautomatik integrieren
•Materialdaten-Marktplatz aufbauen
Unser langfristiges Ziel: Multibin wird der digitale Standard der europäischen Abfallwirtschaft
Welche drei Ratschläge möchten Sie anderen Gründerinnen und Gründern mitgeben, die nachhaltige Lösungen entwickeln wollen?
Löst ein echtes Systemproblem – nicht ein Imageproblem.
Denkt in Plattformen, nicht in Produkten. Nur Plattformen verändern Branchen.
Macht Nachhaltigkeit bequem. Menschen tun das Richtige, wenn es einfach ist.
Bildcredits: Multibin
Wir bedanken uns bei Marcus Trojan für das Interview
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.

























