Samstag, Mai 3, 2025
StartGründerTalkWas passiert, wenn man Batterien nicht einfach ersetzt?

Was passiert, wenn man Batterien nicht einfach ersetzt?

NOWOS ist ein Unternehmen, das sich auf die Reparatur und Wiederverwendung von Lithium-Ionen-Batterien spezialisiert hat und so eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft in Europa vorantreibt.

Wie ist NOWOS entstanden und wer sind die Köpfe hinter dem Unternehmen?

Prins Doornekamp ist der niederländische CEO von NOWOS und hat das Unternehmen 2019 gegründet. Als Serienunternehmer verkaufte er sein vorheriges Unternehmen SuperB, das auf die Entwicklung und Herstellung von Batterien spezialisiert war. Prins wird von Mitbegründer Jan Bartels unterstützt, der zuvor als Geschäftsführer von Stibat, einem Batterie-Compliance-Kollektiv, tätig war und einen reichen Erfahrungsschatz im Bereich Batterievorschriften und Recycling mitbringt. Ambre Eppler und Steven Bradshaw schlossen sich NOWOS im Jahr 2020 an, Ambre hat ihre aktive Rolle im Jahr 2024 verlassen.

Was hat euch motiviert, euch auf die Reparatur von Lithium-Ionen-Batterien zu spezialisieren?

NOWOS wurde 2019 aus dem Wunsch heraus gegründet, zu einer besseren Gesellschaft und einer nachhaltigeren Wirtschaft beizutragen. Aufgrund unserer umfassenden Erfahrung in der Batterietechnik und -produktion haben wir eine klare Marktlücke erkannt: Es gab niemanden, der professionelle Batteriereparaturdienste anbot, insbesondere für Lithium-Ionen-Batterien in der Mikromobilitätsbranche. Wir hatten jedoch das Wissen und der Bedarf wuchs rasant. Wir haben NOWOS als soziales Unternehmen gegründet und die ESG-Grundsätze (Environmental, Social and Corporate Governance) in den Mittelpunkt unseres Geschäftsmodells gestellt. Unsere Mission ist es, eine Kreislaufwirtschaft für Lithium-Ionen-Batterien aufzubauen, die nicht nur Abfall und CO2-Emissionen reduziert, sondern auch für alle Beteiligten profitabel ist. Wir glauben, dass Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher Wert Hand in Hand gehen können – von Kunden und Mitarbeitern bis hin zu Partnern und Investoren.

Welche Vision verfolgt NOWOS – und wie sieht der Weg aus, um sie europaweit umzusetzen?

Die Vision von NOWOS ist es, die Lebensdauer aller Batterien in Europa zu verlängern und eine echte Kreislaufwirtschaft für Batterien zu ermöglichen. Wir sind der Meinung, dass Reparatur, Nacharbeit und verantwortungsbewusstes Recycling in der gesamten Wertschöpfungskette von Batterien zur Regel und nicht zur Ausnahme werden sollten. Um diese Vision zu verwirklichen, weiten wir unsere Geschäftstätigkeit auf ganz Europa aus, indem wir mit Herstellern, Erstausrüstern und Logistikdienstleistern zusammenarbeiten, um die Batteriereparatur zugänglich, effizient und wirtschaftlich tragfähig zu machen. Wir investieren außerdem in datengestützte Kennzahlen, Schulungsprogramme und lokale Reparaturzentren, um das Wachstum zu fördern, Vertrauen aufzubauen und regionale Kreislaufökosysteme zu schaffen. Zusammenarbeit steht im Mittelpunkt unserer Strategie, denn der Aufbau einer Kreislaufkette erfordert, dass alle Beteiligten auf dem Laufenden sind.

Ihr habt bereits Hunderttausende Kilogramm Batterien repariert. Was bedeutet das konkret für Umwelt und Industrie?

Ja, im Jahr 2024 haben wir 310.000 kg Batterien verarbeitet, was etwa 90.000 Einheiten entspricht. Unsere Gesamtreparaturrate liegt bei 82 %, was bedeutet, dass die meisten Batterien, die wir erhalten, durch Reparatur und Aufarbeitung erfolgreich in ihrer Lebensdauer verlängert werden. Jeder Kunde, mit dem wir zusammenarbeiten, hat seine eigene Reparaturrate, und wir arbeiten aktiv mit ihnen zusammen, um diese Zahlen Jahr für Jahr zu verbessern. Die Reparatur von Batterien ist je nach Modell und Art der Reparatur 40–70 % günstiger als der Neukauf. Während einige Unternehmen immer noch auf kurzfristige Lösungen setzen, sind wir stolz darauf, mit Partnern zusammenzuarbeiten, die sich für langfristige, zirkuläre Lösungen einsetzen – und gemeinsam eine nachhaltigere Wertschöpfungskette für Batterien aufbauen. Wir entwickeln außerdem neue Kennzahlen, die sich auf die vermiedene Rohstoffgewinnung und die CO2-Emissionen aus der Herstellung konzentrieren und in einem kommenden Impact-Report detailliert beschrieben werden.

Wie begegnet ihr dem Vorurteil, dass Reparatur aufwendiger sei als Ersatz?

Diese Wahrnehmung beruht oft auf einer kurzfristigen Kostenbetrachtung. Wenn man jedoch das Gesamtbild betrachtet – die Gesamtbetriebskosten, die Umweltauswirkungen im Zusammenhang mit Vorschriften zu Reparaturen und Kreislaufwirtschaft, die Beziehungen der Kunden zur Marke und den Ruf der Marke – ist die Reparatur nicht nur wettbewerbsfähig, sondern oft auch die klügere Investition. Die Vorstellung, dass Reparaturen teurer sind als der Neukauf, beruht in der Regel auf veralteten Annahmen. In Wirklichkeit ist die Reparatur von Batterien, insbesondere mit der richtigen Logistik und Diagnose, im Durchschnitt 40–70 % günstiger als ein vollständiger Austausch. Das liegt daran, dass wir nur die fehlerhaften Komponenten reparieren und nicht für ein komplett neues Produkt bezahlen.

Die meisten Batterieprobleme werden durch spezifische mechanische Schäden, BMS-Ausfälle oder Tiefentladung verursacht – also Dinge, die schnell und kostengünstig behoben werden können, ohne das gesamte Gerät zu entsorgen. Abgesehen von den Kosten wird der Austausch immer riskanter. Die Hersteller stehen vor wachsenden Herausforderungen in Bezug auf den Zugang zu kritischen Rohstoffen, die Verfügbarkeit von Ersatzteilen und die steigenden Kosten für die Einhaltung von Vorschriften aufgrund neuer und bevorstehender ESG-Vorschriften. Durch eine Reparatur lassen sich viele dieser Engpässe umgehen. Sie bietet einen widerstandsfähigeren und reaktionsschnelleren Ansatz zur Aufrechterhaltung der Produktverfügbarkeit und zum Schutz der Margen, insbesondere bei Produkten, die nicht mehr unter die Garantie fallen und bei denen der Austausch direkt auf die Rentabilität durchschlägt.

Welche Branchen profitieren derzeit am meisten von euren Dienstleistungen?

Zu den Branchen, die wir bedienen und die am meisten von unseren Dienstleistungen profitieren, gehört die Mikromobilität (Elektrofahrräder, Mopeds und Tretroller). Wir expandieren derzeit mit Kunden in den Bereichen Notstromversorgung, Energiespeichersysteme (ESS), Schwermaschinen und -geräte, Logistik und Lagerhaltung (Gabelstapler und fahrerlose Transportsysteme/AMRs). Außerdem befassen wir uns aktuell mit den Bereichen Schifffahrt, Unterhaltungselektronik, medizinische Geräte, Robotik und automatisierte Drohnensysteme.

Was macht das Geschäftsmodell von NOWOS im Vergleich zu klassischen Recyclingansätzen besonders?

Beim herkömmlichen Recycling liegt der Schwerpunkt auf dem Ende der Lebensdauer, d. h. auf der Rückgewinnung von Rohstoffen, nachdem der Wert bereits verloren gegangen ist. NOWOS verlagert den Schwerpunkt früher und priorisiert Reparatur, Wiederverwendung und Verlängerung der Lebensdauer, um Batterien länger im Umlauf zu halten. Wenn man die Reparatur in ihren Prozess einbezieht, bedeutet dies: 

  • geringere Kosten und schnellere Abwicklung als beim vollständigen Recycling, auch weil die Batterien zerlegt werden und weniger wiegen, wenn sie an Recyclingzentren geschickt werden,
  • Reparaturen außerhalb der Garantie, die den Produktwert über die Herstellergarantie hinaus schützen,
  • weniger Druck auf Lieferketten und kritische Rohstoffe,
  • Vermeidung oder Verzögerung von Recyclingkosten und
  • strengere Einhaltung der Vorschriften für die Kreislaufwirtschaft und der ESG-Vorschriften und bessere Wirkungsdaten.

Mit welchen Herausforderungen seid ihr in der Skalierung und Internationalisierung konfrontiert?

Die Reparatur von Batterien erfordert eine Kombination aus technischem Fachwissen, lokaler Logistik und tiefgreifendem Verständnis der Vorschriften, die je nach Land unterschiedlich sind. Bei NOWOS arbeiten wir als eine optimierte Einheit über unsere Hubs hinweg und teilen eine gemeinsame Wissensbasis, technische Standards und Reparaturprozesse. Eine unserer größten Herausforderungen besteht darin, eine gleichbleibende Qualität und Prozesskontrolle zu gewährleisten und uns gleichzeitig an lokale Vorschriften und Kundenerwartungen anzupassen. Eine weitere große Challenge ist der Zugang zu Ersatzteilen und der Aufbau starker internationaler Beziehungen zu den vielen an der Wertschöpfungskette beteiligten Interessengruppen. Um dies zu bewältigen, haben wir ein hochgradig internationales und multikulturelles Team aufgebaut, das uns dabei hilft, diese Lücken zu schließen. Wir investieren außerdem in Schulungen, Partnerschaften und digitale Tools, um unser Modell effizient zu replizieren und gleichzeitig flexibel auf die Dynamik der lokalen Märkte zu reagieren.

Wie verändert sich die Nachfrage im Zuge der EU-Vorgaben zur Materialrückgewinnung?

Die Nachfrage steigt und die Gründe dafür verändern sich. Die EU-Vorschriften, insbesondere im Zusammenhang mit der Materialrückgewinnung und der erweiterten Herstellerverantwortung (EPR), erfüllen ihren ursprünglichen Zweck, indem sie die Hersteller dazu drängen, mehr Verantwortung für den gesamten Lebenszyklus von Batterien zu übernehmen. Gleichzeitig beobachten wir eine zunehmende Komplexität und Verzögerungen bei einigen regulatorischen Rahmenbedingungen, wie z. B. der CSRD, was zu ersten Widerständen geführt hat. Es findet jedoch bereits ein deutlicher Umdenkprozess statt.

Durch unsere Gespräche mit Teams aus den Bereichen Betrieb, Finanzen, Beschaffung, Compliance und Nachhaltigkeit stellen wir fest, dass Unternehmen Kreislaufmodelle wie die Reparatur nicht mehr nur als Mittel zur Anpassung an die Vorschriften betrachten, sondern als eine Quelle strategischen Mehrwerts, um ihre Betriebsabläufe zukunftssicher zu gestalten. Die geopolitische Unsicherheit wirft auch Bedenken hinsichtlich der Sicherheit der Lieferkette und des Zugangs zu kritischen Rohstoffen auf. In diesem Zusammenhang erweisen sich Reparatur und Wiederverwendung als Lösungen zur Verringerung externer Abhängigkeiten, zur Bewältigung von Volatilität und zur Aufrechterhaltung der Geschäftskontinuität.

Was ist euer nächster großer Meilenstein – technologisch oder geographisch?

Mit den neuen Mitteln planen wir, 2025 neue Reparaturzentren in Polen und 2026 in Deutschland zu eröffnen, um die wachsende Nachfrage in ganz Europa zu decken. Wir konzentrieren uns vorerst darauf, unsere Präsenz in Nord- und Südeuropa auszubauen, während wir gleichzeitig die Grundlagen für den Markteintritt in Nordamerika und Asien schaffen. Weitere Investitionen fließen in die Weiterentwicklung eines Batteriepass-Systems und die Skalierung von Reparaturprotokollen, um mehr Batterietypen und Anwendungsfälle abzudecken. Wir investieren in die interne IT-Infrastruktur, Automatisierungstools und firmeneigene Testgeräte, um den Reparaturprozess zu verbessern, und erhöhen das F&E-Budget, um innovative Reparaturtechniken und Testgeräte zu entwickeln, wobei der Schwerpunkt auf der Verbesserung der gesamten Betriebsabläufe liegt.

Was gebt ihr anderen Gründerinnen und Gründern mit, die in einem regulierten Markt Fuß fassen wollen?

Regulierte Märkte können komplex sein, aber oft lassen sich dort die größten Erfolge erzielen. Mein Rat: Engagieren Sie sich frühzeitig. Machen Sie sich mit den Regeln vertraut, bauen Sie Beziehungen zu Regulierungsbehörden und Branchenverbänden auf und betrachten Sie die Einhaltung von Vorschriften als Teil Ihres Wertversprechens, nicht als Hürde. Gleichzeitig sollten Sie flexibel bleiben. Vorschriften entwickeln sich weiter, und die Fähigkeit, sich schnell anzupassen, ist der Schlüssel, um an der Spitze zu bleiben. Fangen Sie klein an, testen Sie Ihr Modell und lassen Sie die Ergebnisse aus der Praxis für sich sprechen. Seien Sie vor allem geduldig, denn Vertrauen und Glaubwürdigkeit brauchen Zeit, aber in regulierten Märkten können sie zu mächtigen langfristigen Vorteilen werden.

Wo steht NOWOS in fünf Jahren – was ist eure langfristige Perspektive?

In fünf Jahren sehen wir NOWOS als den Ansprechpartner für Kreislaufwirtschaft im Bereich des Batterie-Lebenszyklus-Managements in Europa und darüber hinaus. Wir wollen bei Reparatur und Wiederverwendung führend sein und gleichzeitig robuste, datengestützte Lösungen anbieten, die Herstellern dabei helfen, sowohl betriebliche als auch regulatorische Anforderungen zu erfüllen. Unsere langfristige Vision ist es, die Nutzungsdauer von Batterien in großem Maßstab zu verlängern, die Abhängigkeit von Rohstoffen zu verringern und die Wertschöpfung in der gesamten Batterie-Lieferkette neu zu gestalten.

Bild: Prins Doornekamp © NOWOS

Wir bedanken uns bei Prins Doornekamp für das Interview

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.

StartupValley
StartupValley
Das StartupValley Magazin ist Europas großes Magazin für Start-ups, Gründer und Entrepreneure. Ihr findet bei uns Tagesaktuelle News zu den neuesten Trends, Technologien und Geschäftsmodellen der internationalen Startup-Szene sowie Interviews mit erfolgreichen Gründern und Investoren.
- Advertisement -

StartupValley WhatsApp

Sei immer einen Schritt voraus! Tägliche Updates: Events, Termin & echte Insider-Tipps – direkt in dein WhatsApp!

StartupValley Newsletter

Erhalte regelmäßig die wichtigsten internationalen Startup-News in dein Postfach!

Neueste Beiträge

Premium Events

spot_img
spot_img
spot_img
spot_img
spot_img
spot_img

Das könnte dir auch gefallen!

StartupValley Newsletter

Erhalte regelmäßig die wichtigsten internationalen Startup-News in dein Postfach!