Freitag, Oktober 31, 2025
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Was passiert, wenn KI Gesichter völlig neu denkt?

PiktID entwickelt KI-Technologien, die reale Gesichter auf Bildern anonymisieren und gleichzeitig realistisch neu generieren – für sicheren Datenschutz und kreative Freiheit in der Bildbearbeitung

Jernej, was hat Dich persönlich dazu bewegt, PiktID mitzugründen und wie haben Deine früheren Stationen, etwa bei der BABEG oder in der Außenhandelsberatung, Dein Denken und Deine heutige Rolle als Gründer geprägt?

Bevor mich die Liebe aus Ljubljana nach Österreich brachte, hatte ich die Ehre, für den slowenischen Premierminister zu arbeiten und ihn in Wirtschaftsfragen zu unterstützen. Danach half ich bei der Kärntner Betriebsansiedlungsgesellschaft ausländischen InvestorInnen, sich in Kärnten anzusiedeln. Dabei bekam ich ein gutes Gefühl dafür, wie man ein Unternehmen schnell am Markt etablieren kann. Als ich hörte, dass ein Startup im Bereich KI-gestützter Automatisierung der Bildbearbeitung einen Mitgründer suchte, war für mich klar, dass ich Teil davon sein will.

Wie würdest Du Deine Führungsphilosophie beschreiben? Welches Verhältnis hast Du zu Innovation, Teamführung und Fehlerkultur im Alltag eines Tech-Startups?

Ich versuche, pragmatisch und schnell zu handeln. Wenn etwas nicht funktioniert, frage ich mich, warum, und suche mit dem Team nach der besten Lösung. Wichtig ist, offen zu kommunizieren, KundInnen aktiv zuzuhören und Ideen nicht zu zerreden, sondern auszuprobieren und daraus zu lernen.

PiktID generiert synthetische Identitäten, um Bilder zu anonymisieren und gleichzeitig ästhetisch ansprechend zu halten. Wie stellst Du sicher, dass dabei keine Rückschlüsse auf reale Personen gezogen werden können, also der Datenschutz vollständig gewahrt bleibt?

Unsere Technologie anonymisiert nicht nur Gesichter, sondern ersetzt die gesamte sichtbare Identität einer Person, während Kleidungsstück, Pose und Licht unverändert bleiben. Alle biometrischen Merkmale wie Gesichtsstruktur, Hauttextur, Tattoos oder Schmuck werden vollständig neu generiert und können nicht auf reale Personen zurückgeführt werden. Der Prozess ist vollständig automatisiert und DSGVO-konform. NutzerInnen müssen lediglich hochladen und herunterladen, die KI übernimmt den Rest, ohne persönliche Daten zu speichern oder wiederzuverwenden. Die Verantwortung liegt jedoch bei den NutzerInnen, zu prüfen, ob der Grad der Anonymisierung den jeweiligen Datenschutzanforderungen entspricht.

Eure Plattform bietet heute Funktionen wie Gesichts-Tausch, Ausdrucksänderung und Upscaling. Welche dieser Features siehst Du als Eure Kerntechnologie und an welchen Weiterentwicklungen arbeitet Ihr aktuell noch?

Die Anonymisierung von Personen in Bildern bleibt unser Fundament, weil sie die kommerzielle Nutzung von Fotos ohne rechtliche Hürden ermöglicht. Besonders spannend ist aktuell der Modebereich. Marken sparen bis zu 40 Prozent bei der Bildproduktion, da sie nur noch mit einem Fit Model shooten müssen. Dieses wird anschließend automatisch durch verschiedene, realistisch generierte Models ersetzt. Dabei entfallen Casting, Make-up und Lizenzverträge, während Kleidung und Markenstil erhalten bleiben.

PiktID output_German

Du hast in einem Interview erwähnt, dass Video-Bearbeitung ein Ziel von PiktID ist. Wie weit seid Ihr in der Umsetzung und welche besonderen Herausforderungen ergeben sich dabei im Vergleich zur Bearbeitung einzelner Bilder?

Ein Video ist im Grunde eine Abfolge von Bildern. Wir arbeiten derzeit daran, unsere Technologie auch auf Videos auszuweiten, und haben bereits erste interne Tests gestartet. Da Videoinhalte in allen Branchen zunehmend an Bedeutung gewinnen, ist das für uns der nächste logische Schritt, und wir erwarten in Kürze vielversprechende Ergebnisse.

Wer sind aktuell Eure wichtigsten Kundengruppen, sowohl hinsichtlich Branchen als auch Regionen, und welche Use Cases haben sich bisher als besonders erfolgreich erwiesen?

Unsere HauptkundInnen kommen aus der Fashion- und Marketingbranche, darunter Marken wie Zalando. In der Fashion-Branche konzentrieren sich die erfolgreichsten Use Cases auf zwei Bereiche: Zum einen auf die Anonymisierung von Models, um Model-Release-Kosten zu vermeiden und bestehende Inhalte weiterhin rechtssicher nutzen zu können. Zum anderen auf die einfache Variierung von Models ausgehend von nur einem Fit Model, um mit minimalem Produktionsaufwand mehr Diversity und lokale Relevanz in Kampagnenbildern zu schaffen.

Besonders in Marketing und Werbung scheint PiktID großes Potenzial zu haben. Inwiefern nutzen Agenturen Eure Technologie, um etwa Models oder Gesichter für unterschiedliche Zielmärkte anzupassen?

Agenturen nutzen PiktID, um Kampagnen gezielter und effizienter zu gestalten. Zwei Use Cases stehen im Fokus: die Lokalisierung von Models für verschiedene Märkte und die Anpassung von Gesichtsausdrücken oder Blickrichtungen für A/B-Tests. So können Marken die Relevanz steigern und gleichzeitig die Performance ihrer Kampagnen messbar verbessern.

Du hast in früheren Interviews betont, dass PiktID derzeit kaum direkte Konkurrenz hat. Wie schätzt Du die Marktsituation heute ein, behaltet Ihr Euren technologischen Vorsprung oder rechnest Du mit neuen Mitbewerbern?

Es gibt Tools wie Nano Banana, die einfache Aufgaben gut lösen. Doch sobald es um größere Bildmengen geht, braucht man eine spezialisierte, vollautomatisierte Lösung ohne manuelles Eingreifen. Da wir unsere Technologie komplett intern entwickeln und alle Daten in unserer eigenen EU-Cloud verarbeiten, bleiben sie sicher.

PiktID hat kürzlich ein sechsstelliges Investment erhalten. Wie wollt Ihr diese Mittel konkret einsetzen und welche Meilensteine stehen auf Eurer Roadmap für die kommenden Monate?

Wir haben unser Team vergrößert, um unsere Technologien schneller zu skalieren und NutzerInnen über Web-App und API noch besseren Zugang zu bieten. Eine große Herausforderung war die Konsistenz der generierten Models bei mehreren Bildern derselben Person, was wir erfolgreich gelöst haben. Jetzt konzentrieren wir uns darauf, Modeunternehmen und HändlerInnen zu helfen, ihre Bildproduktion effizienter und kostengünstiger zu gestalten.

Bislang wart Ihr weitgehend bootstrapped und wurdet durch Förderprogramme unterstützt. Wie verändern die neuen Investorenmittel die Dynamik im Unternehmen, etwa beim Wachstumstempo, bei Entscheidungsprozessen oder Strukturen?

Durch das Investment können wir unsere in Kärnten ansässige Firma langfristiger ausrichten und uns stärker auf Produktentwicklung und Skalierung konzentrieren. Entscheidungen treffen wir nun schneller und datenbasierter, was dem gesamten Team mehr Klarheit und Fokus gibt.

Euer Geschäftsmodell basiert aktuell auf einem Credit- bzw. Pay-per-Use-System. Gibt es Überlegungen zu Abomodellen, Lizenzlösungen oder Enterprise-Verträgen, um größere KundInnen langfristig zu binden?

Ja, das tun wir bereits. Jede Kundin und jeder Kunde hat unterschiedliche Anforderungen in Bezug auf Volumen, Geschwindigkeit oder Integration. Da wir alles intern entwickeln, können wir maßgeschneiderte Enterprise-Angebote gestalten, die genau zu den jeweiligen Bedürfnissen passen.

Generative KI im Bereich Gesichtsbearbeitung wirft ethische Fragen auf, von Deepfakes über Identitätsmissbrauch bis hin zu Algorithmic Bias. Wie geht Ihr bei PiktID mit diesen Risiken um und welche Mechanismen zur Missbrauchsprävention habt Ihr implementiert?

Genau das war von Beginn an unser Ansatz. Wir sind mit dem Ziel gestartet, das Gegenteil von Deepfakes zu entwickeln. Unsere Technologie anonymisiert Personen in Fotos und schützt so deren Identitäten. Auch wenn wir inzwischen weitere Anwendungen anbieten, etwa Face Swap für Personalisierungs- oder Kreativprojekte, bleiben wir unserer Verantwortung treu und sensibilisieren unsere NutzerInnen für den bewussten und verantwortungsvollen Einsatz von KI.
Auch beim Thema Bias sind wir sehr aufmerksam. Unser Person Generator wurde so entwickelt, dass er Vielfalt und Realismus fördert. Er zeigt Gesichter mit natürlichen Merkmalen wie Falten oder Muttermalen und steht damit für echte Individualität statt künstlicher Perfektion.

Angesichts der strengen Datenschutzgesetze, etwa der DSGVO, stellt sich die Frage nach der Rechtskonformität. Wie stellt Ihr sicher, dass PiktID diese Vorgaben erfüllt und wie würdest Du reagieren, falls sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen weiter verschärfen?

Alle Bilder werden ausschließlich auf Servern innerhalb der EU verarbeitet, nicht mit Drittanbietern geteilt und nach spätestens 24 Stunden gelöscht. Wir erfüllen damit die DSGVO-Vorgaben vollständig und bleiben flexibel, um auf mögliche Gesetzesänderungen sofort reagieren zu können.

Welche Pläne verfolgt Ihr in den nächsten 12 bis 18 Monaten in Bezug auf Teamaufbau und Standorterweiterung, etwa neue Rollen, Senioritätsstrukturen, Rechenzentren oder internationale Büros?

Unser Fokus liegt auf der Modebranche, wo wir uns weiter festigen möchten. Parallel rollen wir unser Video Feature aus und bauen das Team aus, um neue Märkte zu erschließen. Besonders spannend sind Kooperationen mit internationalen Partnern und der Ausbau technischer Ressourcen innerhalb der EU.

Rückblickend: Wenn Du jungen GründerInnen drei Lektionen aus Deiner bisherigen Zeit mit PiktID mitgeben könntest, welche wären das? Besonders interessiert uns Deine Sicht auf Produktvalidierung, Markteintritt und Teamdynamik.

Just do it. Hör auf den Markt, geh zu Events, rede mit potenziellen KundInnen und Partnern. Nur so bekommt man echtes Feedback. Und vor allem: Bleib flexibel, auch wenn sich der Plan ständig ändert.

Bild Jernej Dvoršak Fotograf Darren Osborne

Wir bedanken uns bei Jernej Dvoršak für das Interview

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder

Markus Elsässer
Markus Elsässer
Markus Elsässer ist Gründer und Herausgeber des StartupValley Magazins und unterstützt mit seiner langjährigen Erfahrung Gründer und Start-ups mit praxisnahen Strategien und innovativen Lösungsansätzen. Neben der Organisation von Start-up-Events und Investitionen in zukunftsweisende Projekte begleitet er nun mit seinem Team den Umstieg von Verbrenner auf Elektromobilität im neuen Elektroauto-Magazin eAUTO Einsteiger – sowohl redaktionell als auch auf YouTube.
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