Pionix entwickelt offene Softwarelösungen für die Ladeinfrastruktur und treibt mit EVerest eine gemeinsame technische Basis voran, die zuverlässiges und interoperables Laden weltweit ermöglichen soll
Wie ist Pionix entstanden und welche Erfahrungen bringt Gründer Marco Möller mit, um ein global relevantes EV-Tech-Unternehmen aufzubauen?
Pionix wurde 2021 von Marco Möller, Johanna Claussen und Cornelius Claussen gegründet. Von 2009-2016 hat das Gründerteam das Landvermessungs-Drohnen-Startup MAVinci gebootstrapped und dann schlussendlich an Intel verkauft. Nach dem Exit und drei Jahren bei Intel ist das Gründerteam eine kurze Zeit im Bereich Startup-As-A-Service aktiv gewesen, woraus auch die idee für Pionix entstand. Als Team haben sie erkannt, dass die Zuverlässigkeit der Ladeinfrastruktur entscheidend für den Erfolg der Elektromobilität ist. Das war der Startschuss für Pionix. Parallel sind die Pionix-Gründer als Business Angles investiert, unter anderem bei VetVise, Golfstrom, Resourcly und kausable.
Welche Vision verfolgt Pionix mit EVerest und wie wollen Sie die Mobilitätswende durch offene, interoperable Ladeinfrastruktur konkret beschleunigen?
Open-Source-Software ermöglicht Zuverlässigkeit und Interoperabilität beim Laden. EVerest schafft eine gemeinsame Basis, die Kompatibilitätsprobleme eliminiert und den Rollout von Ladeinfrastruktur sowie den Betrieb schneller, günstiger und verlässlicher macht.
Für wen sind Ihre Lösungen wie Pionix Cloud und ChargeBridge besonders relevant und wie lösen sie die alltäglichen Probleme von Herstellern, Betreibern oder Flotten?
Pionix Cloud ist unser Wartungs- und Überwachungstool für Unternehmen, das sichere Online-Updates, Ferndiagnosen und Einblicke in den Systemzustand bietet, um die Wartung der eingesetzten Ladegeräte effizienter zu gestalten. Unser Produkt ChargeBridge ist ein vorzertifiziertes Plug-and-Play-Hardwaremodul, das die Entwicklung und Integration von Ladesystemen vereinfacht indem es alles Nötige für einen Ladeport kapselt.
Was macht den Open-Source-Ansatz im EVerest-Stack so einzigartig und warum ist er der Schlüssel für zuverlässiges Laden weltweit?
Der Open-Source-Ansatz im EVerest-Stack bündelt die Ingenieurskunst und das Testen vieler Firmen in einem gemeinsamen Codefundament. Da inzwischen eine kritische Masse an Herstellern und Betreibern auf EVerest setzt, gibt es ein faktisches Referenzverhalten, auf das sich alle im Markt verlassen können. Das reduziert Testaufwand, verhindert Fragmentierung und macht Interoperabilität planbar. So entsteht ein kontinuierlich geprüfter, industriell gehärteter Baustein, der weltweit zuverlässiges Laden ermöglicht.
Wie gehen Sie mit den Herausforderungen einer fragmentierten Branche um, in der proprietäre Systeme häufig inkompatibel sind?
Wir begegnen der Fragmentierung, indem wir mit EVerest eine offene gemeinsame Basis schaffen, gegen die heute bereits viele Hersteller testen. Durch die erreichte kritische Masse entsteht ein klar definiertes Referenzverhalten, das Inkompatibilitäten reduziert und proprietäre Abweichungen sichtbar macht. Wir selbst testen kontinuierlich gegen zahlreiche Systeme im Markt, nehmen an Interoperabilitätsevents teil und nutzen automatisierte Zertifizierungstools. Dieser kollaborative Ansatz funktioniert wie ein technisches Crowdsourcing und sorgt dafür, dass Probleme früher gefunden und schneller behoben werden. So wächst die Zuverlässigkeit für alle Beteiligten.
Pionix hat mit EVerest eine der einflussreichsten Cleantech-Initiativen angestoßen. Wie verändert diese Plattform die Zusammenarbeit zwischen Herstellern, Betreibern und Automobilkonzernen?
EVerest führt zu höherer Qualität und Geschwindigkeit. Der gemeinsame Open-Source-Stack reduziert Duplizierung bei Software-Umgebungen und erlaubt schnellen Wissensaustausch. Dadurch entstehen standardisierte Integrationspfade statt Insellösungen. Auch erlaubt er vielen Herstellern schnellen kostenlosen Zugriff auf eine weit verbrertete Referenz einer Ladestation, was selbst Fahrzeuge und Abrechnungssysteme mittelfristig verbessert.
Welche Bedeutung hat die aktuelle Finanzierungsrunde für Ihre internationale Expansion und welche Märkte stehen für Sie im Vordergrund?
Mit der abgeschlossenen Finanzierungsrunde können wir unsere Enterprise-Lösungen weiter entwicklen und in anderen Ländern skalieren. Die Mobilitätswende ist eine globale Frage – dazu wollen wir in international Wachstumsregionen wie Nordamerika und Asien verstärkt Fuß fassen.
Wie möchten Sie Ihre Enterprise-Produkte weiterentwickeln, um Ausfälle beim Laden langfristig drastisch zu reduzieren?
Wir reduzieren Ladeausfälle, indem wir Enterprise-Funktionen aufbauen, die Fehler sehr früh erkennen und remote beheben können. Dazu gehören eine gemeinsame, kompatible und intensiv getestete Softwarebasis, Remote-Diagnose von Hardware und Software, stabile Over-the-Air Updates und perspektivisch KI-gestützte Predictive Maintenance. Mit ChargeBridge vereinfachen wir zusätzlich den Hardwareaufbau, machen Systeme modularer und reduzieren Softwarekomplexität, was die Wartung verkürzt und Fehlerquoten senkt. All das baut auf der Stärke der EVerest-Community auf, die bereits heute für eine extrem robuste Grundlage sorgt.
Was sind die wichtigsten technologischen und organisatorischen Schritte, um aus Pionix einen globalen Standardsetter im EV-Ladeökosystem zu machen?
Für uns geht es nicht um neue Standards, sondern um breite Nutzung einer gemeinsamen, zuverlässigen Softwarebasis. Die nächsten Schritte sind klar: wir bauen die EVerest-Community weiter aus, binden Ladestationsbetreiber viel stärker ein und wachsen gezielt in wichtigen Regionen wie Asien. Parallel sorgen wir dafür, dass mehr Kunden unsere Enterprise-Produkte einsetzen, wodurch EVerest im Markt noch sichtbarer und belastbarer wird.
Welche Rolle spielt der Standort Baden-Württemberg für Ihre Arbeit und welchen Einfluss hat das regionale Innovationsumfeld auf Ihre Entwicklung?
Baden-Württemberg bietet die Nähe zu Automobil- und Zuliefernetzwerken, Fachkräften und industriellem Know-how. Das ist ein idealer Standort für Kooperationen mit OEMs und Partnern.
Wie bereiten Sie sich darauf vor, dass in den kommenden Jahren eine noch engere Kooperation mit der globalen Open-Source-Community notwendig sein wird?
Mit der Linux Energy Foundation wird EVerest unabhängig betrieben. Als Pionix sind wir weiterhin ein wichtiger Treiber hinter der Initiative und werden auch zukünftig eng daran arbeiten. Vorallem das Erweitern der Community über Hersteller hinaus hin zu Betreibern ist ein wichtiger Schritt.
Welche drei Ratschläge geben Sie anderen Gründerinnen und Gründern, die Impact-Technologie skalieren und gleichzeitig eine Branche grundlegend verändern möchten?
Bedeutende Ideen erfordern oft viel Unterstützung und Zustimmung von anderen. Erstens: Verbreite daher deine Ideen unermüdlich und so weit wie möglich. Zweitens: Denke bei Gegenwind daran, dass Veränderungen nicht ohne ein wenig Widerstand geschehen. Drittens: Gib dich niemals mit einem Nein zufrieden, da beginnen Verhandlungen erst.
Bild Fotocredit Pionix
Wir bedanken uns bei Marco Möller für das Interview
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder
























