Predicting Health entwickelt eine KI-gestützte Software zur frühzeitigen Erkennung klinischer Risiken und hat seine Lösung am 15. April in der Sendung 2 Minuten 2 Millionen vorgestellt.
Wie kam es zur Gründung von Predicting Health und welche Hintergründe haben euch dazu motiviert?
Predicting Health ist aus einem Data Science Projekt innerhalb eines großen österreichischen Krankenhausprojektes entstanden. Ursprünglich wollten wir herausfinden, ob vorhandene Routinedaten im Krankenhaus dabei helfen können, Risiken wie Delir, Sturz oder Mangelernährung frühzeitig zu erkennen. Da von Anfang Interesse von anderen Krankenhausträgern vorhanden war, ein öffentliches Krankenhaus jedoch keine Software in den Markt bringen darf, wurde Predicting Health gegründet.
Was ist die zentrale Idee hinter Predicting Health – und was genau löst ihr mit eurer Lösung?
Unsere Kernidee: Klinische Risiken sind häufig vermeidbar – wenn man sie rechtzeitig erkennt. Doch die Realität ist, dass medizinisches Personal keine Zeit hat, alle Patientinnen systematisch zu screenen oder sich mit den jeweiligen Krankengeschichten erschöpfend auseinanderzusetzen. Hier setzt unser Personalised Risk Tool an. Wir integrieren uns direkt ins Krankenhausinformationssystem (KIS) und zeigen innerhalb von Sekunden automatisiert, bei welchen Patientinnen ein erhöhtes Risiko für Delir, Sturz, Dysphagie oder Mangelernährung besteht. Ohne zusätzliche Dateneingabe, ohne Mehraufwand. Auch wichtig ist, dass zu jeder Zeit nachvollziehbar ist warum die Software glaubt das eine Patientin*innen gefährdet sind.
Welche Vision verfolgt ihr mit Predicting Health im Bereich digitaler Gesundheitsvorsorge?
Wir glauben, dass in fünf bis zehn Jahren kein Krankenhaus mehr auf automatisierte Risikoprognosen verzichten wird – so wie heute niemand mehr auf Vitalzeichenmonitoring verzichtet. Unsere Vision ist eine Gesundheitsversorgung, in der Technologie nicht nur dokumentiert, sondern proaktiv schützt. Predicting Health soll ein Synonym für Prävention werden – wissenschaftlich fundiert, medizinisch relevant, einfach im Alltag.
An wen richtet sich euer Angebot konkret und wie stellt ihr sicher, dass die Technologie bei den Nutzer:innen ankommt?
Unser Angebot richtet sich primär an Spitäler aber auch Pflegeeinrichtungen profitieren davon. Die Nutzer:innen sind Ärzt*innen und Pflegekräfte. Damit die Technologie ankommt, entwickeln wir alles gemeinsam mit Kliniken – nicht neben der Praxis, sondern mittendrin. Jede Funktion ist mit medizinischem Fachpersonal abgestimmt und mehrfach getestet. Der Clou: Unsere Lösung integriert sich in bestehende Systeme, ohne den Ablauf zu stören – im Gegenteil, sie entlastet ihn.
Was macht euren Ansatz zur Früherkennung gesundheitlicher Risiken so innovativ?
Wir nutzen über 1.300 Parameter aus dem KIS und verarbeiten sie mit eigens entwickelten Machine-Learning-Algorithmen – in Echtzeit. Der große Unterschied zu klassischen Scoring-Modellen: Wir bilden nicht nur lineare Zusammenhänge ab, sondern erkennen auch komplexe Wechselwirkungen. Das Tool ist ein zertifiziertes Medizinprodukt und wurde mit Millionen realer Patientendaten trainiert. Das macht unsere Vorhersagen nicht nur präzise, sondern auch klinisch relevant und vertrauenswürdig.
Wie habt ihr euch auf den Pitch bei „2 Minuten 2 Millionen“ vorbereitet und welche Erwartungen verbindet ihr damit?
Unser Ziel war klar: Eine komplexe Lösung in zwei Minuten so auf den Punkt zu bringen, dass auch Nicht-Medizinerinnen verstehen, welchen Impact wir haben. So sind wir dann von „Machine Learning optimierter Risikostratifikation zur Vermeidung von Komplikationen im stationären klinischen Setting“ zu „ Wir sind der Glatteiswarner für das Krankenhauspersonal“ gekommen.
Von der Show erhoffen wir uns Reichweite, Sichtbarkeit – und den Einstieg in Gespräche mit Investorinnen, Partnern und Kliniken, die bereit sind, neue Wege zu gehen.
Was war für euch der schwierigste Moment auf dem Weg zur Sendung – und wie seid ihr damit umgegangen?
Die größte Herausforderung war, aus einer wissenschaftlichen Lösung eine klare, verständliche Botschaft zu formen. Wir sind ein Team aus Data Scientists und Krankenhauspraktikern – keine Showprofis. Aber wir haben gelernt, unsere Inhalte zuzuspitzen und dabei nicht an Substanz zu verlieren. Das hat uns als Team enorm weitergebracht.
Welche Bedeutung hat der TV-Auftritt für euch – als Gründerteam und für Predicting Health als Unternehmen?
Für uns ist das ein Meilenstein. Es ist nicht nur ein Pitch vor Investor*innen, sondern auch eine Bühne, um zu zeigen, was im Gesundheitssystem möglich ist, wenn man datengetrieben denkt und sich auch in die Umsetzung traut. Als Team sind wir stolz, mit Predicting Health öffentlich sichtbar zu machen, was wir im Hintergrund seit Jahren aufgebaut haben.
Wie begegnet ihr den besonderen Herausforderungen im sensiblen Gesundheitsbereich, etwa in puncto Datenschutz oder Vertrauen?
Datenschutz ist für uns keine Hürde, sondern Voraussetzung. Unsere Systeme arbeiten konform zur DSGVO, und unsere Trainingsdaten stammen aus vollständig anonymisierten Quellen innerhalb bestehender Klinikpartnerschaften. Vertrauen entsteht aus Transparenz: Wir zeigen klar, wie unsere Algorithmen arbeiten, und wir geben dem medizinischen Personal die Kontrolle über die Entscheidung. Das Tool unterstützt – es ersetzt niemanden.
Was sind die nächsten geplanten Schritte für Predicting Health – technologisch und strategisch?
Technologisch erweitern wir unser Tool um weitere Krankheitsbilder – aktuell arbeiten wir an Modulen, die wir aber aktuell noch nicht bekannt geben – auch bei uns schläft die Konkurrenz nicht. Strategisch liegt unser Fokus auf die Erweiterung unserer Präsenz in unserem Heimatmarkt Österreich sowie den Markteintritt in Deutschland: Wir wollen in 2025 mit 10–15 Kliniken live gehen und mit unseren Partnern skalieren. Parallel bauen wir unser Partnernetzwerk weiter aus, um unseren Kunden die Integration unserer Lösung so leicht wie möglich zu machen.
Wie geht ihr mit Skepsis oder Zurückhaltung gegenüber digitalen Gesundheitslösungen um?
Wir begegnen Skepsis mit Daten, Offenheit und Demut. Unsere Erfahrung zeigt: Wer sieht, wie das Tool funktioniert und welchen Nutzen es bringt, ist schnell überzeugt.
Wir laden Entscheider*innen ein, es selbst zu testen – in Form von POCs, wissenschaftlichen Begleitstudien oder persönlichen Gesprächen. Wir verkaufen keine Vision, wir liefern Wirkung.
Welche drei Dinge würdet ihr Gründer:innen empfehlen, die mit einer technischen Lösung in einen regulierten Markt einsteigen?
Baue früh ein belastbares klinisches Netzwerk auf. Vertrauen und Zugang sind in der Gesundheitsbranche alles.
Lerne die Sprache der Zielgruppe. Kein Buzzword ersetzt ein echtes Verständnis für klinische Abläufe.
Plane viermal so viel Zeit ein, wie du denkst – aber gib nie nach bei deiner Überzeugung. Der Markt ist langsam, aber wer durchhält, wird mit echtem Impact belohnt.
Bild: Predicting Health Team Bild © Predicting Health
Wir bedanken uns bei Jakob Pieber für das Interview
Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.